Ortsbanken

"Bürgermeister und Landräte sollten auch gestalterisch tätig werden" Interview mit Stephanie Ladwig

Stephanie Ladwig, Landrätin, Kreis Plön Quelle: Landratsamt Kreis Plön

Sparkassen haben einen öffentlichen Auftrag, die Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen zu versorgen. In welchem Ausmaß beinhaltet das heute noch die Präsenz mit Filialen vor Ort?

Dieser Auftrag beinhaltet meines Erachtens auch heute noch die Präsenz mit Filialen vor Ort. Diese ist gegeben, wie die nach wie vor hohe Anzahl von Sparkassenfilialen - insbesondere in der Fläche - im Vergleich zu anderen Bankengruppen deutlich macht.

Was heißt das für den ländlichen Raum? Sind "weiße Flecken" auf der Landkarte, in denen gar keine Kreditinstitute mehr präsent sind, ein realistisches Zukunftsszenario?

In den nächsten Jahren wird die Zahl der personenbedienten Filialen weiter zurückgehen. Davon werden vorrangig kleine Standorte betroffen sein. Dennoch erwarte ich kurz- bis mittelfristig keine größeren "weißen Flecken" im ländlichen Raum.

Wichtig ist, dass in den verbleibenden Filialen ein vollumfängliches Beratungs- und Dienstleistungsangebot zur Verfügung steht. Daneben sollten auch neue Wege beschritten werden, beispielsweise durch die Ergänzung mit digitalen Lösungen.

Denkbar wäre meines Erachtens etwa eine Videochat-Beratung in einem technisch vorbereiteten Raum vor Ort im Gemeindehaus oder der Filiale mit einem Berater, der dann nicht zwingend überall zu jeder Zeit vor Ort sein muss.

Welche Entfernungen bis zur nächsten Filiale würden Sie als angemessen bezeichnen, um solche weißen Flecken zu vermeiden?

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Nach meinen Erfahrungen berücksichtigen gerade die Sparkassen bei ihren Überlegungen zur Anpassung des Filialnetzes die jeweilige Entfernung der Kunden zu nächstgelegenen personenbedienten Filiale. Zudem rege ich auch hier an, über Alternativen wie zum Beispiel mobile Filialen nachzudenken.

Wo es bei der Versorgung mit Bargeld oder anderen Finanzdienstleistungen schwierig wird, gilt dies meist auch für Dinge des täglichen Bedarfs oder medizinische Versorgung. Schließlich hat dort, wo sich Volksbank oder Sparkasse zurückziehen, oftmals zuvor der Bäcker, das Lebensmittelgeschäft oder die Apotheke geschlossen. Inwieweit ist die Bank- oder Sparkassenfiliale vor Ort somit ein Gradmesser für die Qualität der Infrastruktur im ländlichen Raum?

Die Schließung von Einrichtungen in ländlichen Gemeinden steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Verhalten der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Wenn zu wenige Einwohner beim örtlichen Bäcker einkaufen, wird er das Geschäft schließen müssen. Bedauerlicherweise gilt dies genauso für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken vor Ort. Mitverantwortlich sind damit auch die Bürgerinnen und Bürger, die ihre kommunale Infrastruktur unterstützen sollten, wenn sie diese weiter präsent haben wollen.

Oftmals ruft es Bürgermeister oder Landräte auf den Plan, wenn die Volksbank- oder Sparkassenfiliale im Ort schließt. Zu Recht?

Es ist völlig verständlich, dass sich die Bürgermeister für die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger und damit für ihre Gemeinde engagieren. Das beinhaltet natürlich auch, für den Erhalt von Bankfilialen zu kämpfen.

Bürgermeister und Landräte sollten aber auch gestalterisch tätig werden, wenn sie etwas verändert oder bewahrt haben wollen. Wir müssen in Alternativen denken und überlegen, wie wir dem Trend, der ja letztlich durch das Verbraucherverhalten verursacht wurde, entgegen wirken können.

Die Markttreffs in Schleswig-Holstein sind gute Beispiele dafür, wie alle örtlichen Kräfte gemeinsam Infrastruktur und Dorfleben sichern können. Mein Motto lautet: Nicht zurücklehnen und klagen, sondern selbst aktiv werden und für neue zeitgerechte Ideen kämpfen und diese umsetzen.

Was bedeutet der "öffentliche Auftrag" der Sparkassen in Sachen Vertriebspolitik?

Die Sparkassen stehen allen Kundengruppen - unabhängig von Einkommen und Vermögen - für Finanzdienstleistungen zur Verfügung. Daher verfügen die Sparkassen über entsprechende Angebote für die unterschiedlichen Zielgruppen. Außerdem streben die Sparkassen eine langfristige Partnerschaft mit ihren Kunden an. Im Vordergrund steht das jeweilige Kundeninteresse.

Dabei kommt den Sparkassen entgegen, dass sie nicht gewinnmaximiert arbeiten müssen. Zum öffentlichen Auftrag gehört auch die Sicherstellung der mittelständischen Wirtschaft mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen. Hier sind die Sparkassen ebenfalls sehr stark engagiert, was durch hohe Marktanteile untermauert wird. Außerdem gehören die Sparkassen zu den größten Kreditgebern für Existenzgründungen.

Als Landrätin sind Sie zugleich Verwaltungsratsvorsitzende der Förde Sparkasse. Was hat für Sie in dieser Doppelrolle Vorrang: Der Wunsch, für die Bevölkerung eine möglichst große Versorgungsdichte mit Filialen und Geldautomaten zu erhalten, oder die Verantwortung für eine zukunftsfeste Strategie der Sparkasse? Inwieweit gelingt es, beide Anforderungen unter einen Hut zu bringen?

Nach dem Sparkassenrecht hat der Verwaltungsrat auf die pflegliche und wirtschaftliche Verwaltung des Vermögens der Sparkasse zu achten. Als Verwaltungsratsvorsitzende ist eine zukunftsorientierte Geschäftsstrategie des Vorstandes für mich von besonderer Bedeutung.

Gerade auch vor dem Hintergrund der schwierigen Rahmenbedingungen für Kreditinstitute durch die anhaltende Niedrigzinsphase, den steigenden Wettbewerbsdruck und die zunehmende Regulatorik kann nur mit einer nachhaltigen Strategie, die eine angemessene Rentabilität der Sparkassen ermöglicht, eine möglichst große Versorgungsdichte mit Filialen (inklusive SB-Filialen) er- reicht werden.

Durch meine Doppelrolle ist es aber natürlich meine Verantwortung, sowohl die berechtigten Geschäftsinteressen der Sparkasse auf ihre Notwendigkeit zu prüfen als auch darauf zu achten, dass nicht weitere Nachteile für den ländlichen Raum entstehen.

Der wachsende Kostendruck durch Regulatorik und die Digitalisierung macht Filialschließungen oftmals unumgänglich. Worauf muss eine Sparkasse dabei Ihrer Einschätzung nach achten, um ihrem öffentlichen Auftrag noch gerecht zu werden?

Hier befinden sich die Sparkassen in einem echten Spannungsverhältnis. Neben dem Kostendruck durch zunehmende Regulatorik und notwendige Investitionen in die Digitalisierung führt die anhaltende Niedrigzinsphase zu spürbaren Rückgängen im Zinsüberschuss. Auf der anderen Seite steigen die Eigenkapitalanforderungen. Dadurch sind auch die Sparkassen gezwungen, angemessene Gewinne zu erzielen.

Für die Sparkassen ist es daher wichtig, die Chancen, die sich zum Beispiel aus der Digitalisierung ergeben, zu nutzen. So sollten Produktivitätsgewinne für effiziente Strukturen und kundenfreundliche Anwendungen von Bankdienstleistungen über Smartphone oder Tablet genutzt werden.

Letztlich kann nur eine wirtschaftlich gesunde Sparkasse ihren öffentlichen Auftrag vernünftig wahr nehmen. Ein leistungsstarkes Filialnetz wird auch zukünftig ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Auftrages bleiben. Dabei geht es aber weniger um die konkrete Anzahl von Filialen, sondern um ein insgesamt leistungsfähiges Beratungs- und Dienstleistungsangebot, das auch Online-Angebote einschließt. Wichtig sind einfache Zugangswege für die Kunden zur Sparkasse.

Braucht es dazu die Filiale vor Ort oder mobile Filialen? Oder geht es primär um die Bargeldversorgung?

Die personenbedienten Filialen sind in erster Linie ein wichtiger Baustein für die Beratung der Kunden vor Ort. Dazu eignet sich auch eine mobile Filiale, so wie sie die Förde Sparkasse seit 2014 im Einsatz hat. Sofern die Schließung einer Filiale ansteht, haben die Gemeinden ein Interesse, zumindest eine SB-Filiale vor Ort als Teil der Infrastruktur zu erhalten. Es ist aber nicht sehr überraschend, dass die Geldautomaten in Einkaufszentren die höchsten Nutzungsquoten aufweisen.

Inwieweit kann die Bargeldversorgung im Einzelhandel ein dichtes Geldautomatennetz ersetzen?

Bargeldversorgung über den Einzelhandel ist sicherlich eine gute Ergänzung, wird aber das Geldautomatennetz nicht ersetzen können.

Bankeninfrastruktur ist teuer. Wäre es eine Option, Sparkassen, wo sie diese Infrastruktur straffen, stattdessen um einen finanziellen Beitrag zu einem besseren ÖPNV-Angebot zu bitten, mit dem dann gleichermaßen Arzt und Geschäfte wie auch die nächste Filiale gut zu erreichen wären? Wäre auch das ein Stück Verantwortung für die Region?

Sparkassen sind selbstständige Unternehmen in kommunaler Trägerschaft. Sie betreiben ihre Geschäfte nach wirtschaftlichen Grundsätzen. Ihre Gewinne haben den Geschäftsbetrieb zu sichern. Im Rahmen ihres öffentlichen Auftrages leisten die Sparkassen neben einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung und des gewerblichen Mittelstandes mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen einen nicht unerheblichen Beitrag für die Region durch die Förderung einer Vielzahl sozialer und gemeinnütziger Projekte sowie der Bereitstellung attraktiver Arbeits- und Ausbildungsplätze. Auf diese Weise nehmen sie bereits eine erhebliche Verantwortung für die Region wahr und unterstützen die Aufgabenerfüllung der Träger im wirtschaftlichen, regionalpolitischen und sozialen Bereich.

Die Sparkassen darüber hinaus um einen finanziellen Beitrag für ein besseres ÖPNV-Angebot zu bitten, halte ich nicht für gerechtfertigt. Der öffentliche Straßenpersonennahverkehr gehört zu den klassischen Aufgabenfeldern der Kommunen.

Allerdings beteiligt sich die Sparkasse indirekt an dieser Aufgabe, indem sie Gewinne ausschüttet, die beispielsweise der Plöner Kreistag mitunter auch hierfür einsetzt. Bei guten Ergebnissen und entsprechenden Ausschüttungen kann die Phantasie deshalb gut genutzt werden; ÖPNV-Förderung ist hier sicher eine Möglichkeit.

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