Die richtige Balance

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sb - Die steigenden regulatorischen Anforderungen und der wachsende Kostendruck haben die beiden Verbünde in Deutschland enger zusammenrücken lassen. Die Zeiten, in denen Grabenkämpfe namentlich in der Genossenschaftsorganisation gerne öffentlichkeitswirksam ausgetragen wurden, sind zwar vielleicht nicht vorbei. Die Akteure haben jedoch erkannt, dass der eigentliche "Feind" ganz woanders sitzt.

Statt sich ausführlich mit Mitgliedern der eigenen Gruppe zu beharken, die vielleicht an der einen oder anderen Stelle als ärgerlicher Wettbewerber empfunden werden, von der gemeinsamen Strategie ausscheren oder auf andere Art die Fortentwicklung des eigenen Hauses vermeintlich behindern, werden die Sparkassen- wie auch Genossenschaftsorganisation von ganz anderen Sorgen umgetrieben: Die Niedrigzinsen zählen dazu ebenso wie die wachsenden Compliance-Anforderungen, Digitalisierung, der aus den letztgenannten resultierende, ständig wachsende Kostendruck und nicht zuletzt die neuen Wettbewerber. Im Mittelpunkt der Suche nach Antworten auf diese Herausforderungen stehen die Beteiligung von Verbundunternehmen am Kostendruck und die richtige Balance von Zentralität und Dezentralität, von Delegieren und Selbermachen. Denn damit es künftig die gewachsene Dezentralität noch geben kann, muss es auch mehr Gemeinsamkeiten geben, beispielsweise bei der IT, im Markenauftritt, in der Marktfolge. Darüber sind sich im Prinzip alle einig. Denn insbesondere die kleineren unter den Primärbanken werden andernfalls über kurz oder lang nicht mehr handlungs-, geschweige denn wettbewerbsfähig sein.

Ein Finanzverbund ist aber kein Borg-Kubus aus der Star-Trek-Saga. Die willenlose Einordnung in das große Ganze gibt es hier nicht. Das ist auch durchaus gut so. Denn nur so können sich die einzelnen Mitglieder des Verbunds gegenseitig befruchten und die Organisation als Ganzes vermag sich unter Marktbedingungen weiterzuentwickeln, also ohne sich dauernd neue Marktteilnehmer einzuverleiben. Die Partikularinteressen einzelner Akteure bringen indessen nicht nur neue Ideen mit sich, von denen letztlich möglicherweise alle profitieren können. Sie führen unvermeidlich auch zu Reibungsverlusten. So wird es in der Gruppe der Sparda-Banken nicht in allen zwölf Banken mit Begeisterung gesehen, dass man in Hamburg neben dem Sparda-typischen kostenlosen Girokonto auch mit zielgruppenspezifischen Mehrwertkonten experimentiert, für die eine Kontopauschale berechnet wird. Die PSD-Banken können sich seit Jahren nicht nur nicht mehr auf einen einheitlichen Markenauftritt einigen; sie weichen auch in der Strategie teilweise stark voneinander ab, je nachdem, wie stark sie den stationären oder den reinen Direktvertrieb in den Vordergrund stellen. Die Fusionsbemühungen von GAD und Fiducia ziehen sich schon über Jahre hin. Bei den öffentlichen Versicherern scheint es nur wenig Aussicht auf eine Bündelung der Kräfte zu geben. Und auch bei den Kartendienstleistern im S-Verbund ließe sich vielleicht manches noch besser gemeinsam machen.

Das alles ist nur zu verständlich. Schließlich geht es immer dann, wenn Fragen nach einer Strategie, die von den einzelnen Mitgliedern des Verbundes mit Leben zu füllen ist, nach Zuständigkeiten und nach Arbeitsteilung geklärt werden müssen, in letzter Konsequenz auch um Personen, die sich die Frage stellen, wer zu den Verlierern und wer zu den Gewinnern zählen wird. Die Suche nach dem richtigen Ausgleich ist da nicht immer einfach. Das gilt für die Banken ebenso wie für Verbände oder die anderen Partner und Dienstleister im Verbund. Im europäischen Ausland, wo auch die Finanzverbünde noch sehr viel stärker durchorganisiert sind als in Deutschland, wird das bis heute nicht wirklich verstanden - mit der Konsequenz, dass sich die Verbünde in der Regulierung und europäischen Bankenaufsicht im Vergleich zu Konzernen benachteiligt sehen. Eine Gleichmacherei auf europäischer Ebene wird sicher niemand wollen. Aber gerade deshalb wird das Individuelle da und dort auch einmal zurückstehen müssen, wie es Joachim Wuermeling anmahnt. Denn nur in der Gemeinschaft ist der Einzelne stark.

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