Aufsätze

Abbau der öffentlichen Verschuldung zulasten der Bondinvestoren

Das zentrale Problem der Weltwirtschaft ist die ausufernde Staatsverschuldung geworden. Zwar ist die Schuldensituation in den USA, Japan und Großbritannien kaum erfreulicher als in der Eurozone. Bei der Lösung des Problems haben sich die Akteure hierzulande aber weniger geschickt angestellt. Zudem hat sich die Gemeinschaftswährung ohne politische Union als erhebliches Handicap erwiesen und die Zinsen der bonitätsschwachen Nationen massiv ansteigen lassen.

Grundsätzlich gibt es mehrere Wege, die Schuldenstände zurückzuführen, und wieder das Vertrauen der Kapitalmärkte zu erwerben. Die beste Lösung wäre wohl ein kräftiges reales Wirtschaftswachstum. Dies würde die Schuldenstände nicht nur im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt schwinden lassen, sondern auch die Staatseinnahmen beflügeln. Doch diese Option scheidet offenbar leider aus. In Südeuropa, wo ein solcher Wachstumsschub besonders nötig wäre, ist die Wettbewerbsfähigkeit nicht ausreichend.

Kaum Wachstumsperspektiven

Aber auch in den übrigen hochverschuldeten Industrieländern sind die Perspektiven für einen Wirtschaftsboom nicht gerade günstig. Was bleibt an alternativen Maßnahmen zum Schuldenabbau? Sparmaßnahmen sind ebenfalls Grenzen gesetzt, was die aktuelle politische Debatte in der Euro-Zone deutlich macht. Das Risiko, mit einem zu harten Sparkurs eine ohnehin maue Konjunktur abzuwürgen, ist für viele Regierungen nicht akzeptabel. Es bliebe noch die Möglichkeit Steuern anzuheben, aber kaum ein gewählter Repräsentant will die Kosten der Bankenrettung so offensichtlich auf die Allgemeinheit überwälzen - zumindest nicht über direkte Steuern. Der Schuldenschnitt schließlich ist - außer für Griechenland - ebenfalls kein gangbarer Weg. Wer Geld braucht, sollte seine Kapitalgeber gut behandeln - es sei denn, er kann sie zum Anleihekauf zwingen (Abbildung 1).

Die aus politischer Sicht optimale Antwort auf die Staatsschuldenkrise ist deshalb eine moderate Inflation bei niedrigem Zinsniveau. Dieses drastische Konzept ist bereits in Gang und heißt "finanzielle Repression". So wird die Entschuldung auf dem Rücken der Bondinvestoren ausgetragen.

Rezession in der Eurozone

Inflation wirkt wie eine Steuer auf die Geldhaltung, muss aber nicht vom Parlament beschlossen werden. Inflation verringert die realen Schulden. Zudem erhöhen sich durch die Steuerprogression die Steuereinnahmen. Steigende indirekte Steuern und administrierte Preise liefern ihren Beitrag hierzu. Eine Abgabe für einen guten Zweck, etwa das Erneuerbare-Energien-Gesetz oder die Brennelementesteuer, runden das Ganze über höhere Strompreise ab. So verschafft sich der Staat mehr Einnahmen und kurbelt indirekt die Teuerung an.

Auffällig ist auch die Parteinahme im Streit der Tarifparteien für höhere Löhne angesichts der sprudelnden Unternehmensgewinne, selbst von Politikern, die ansonsten nicht als arbeitnehmerfreundlich gelten. Das Resultat: Die Euro-Zone ist praktisch in der Rezession, die Inflationsrate bewegt sich trotzdem bei zweieinhalb bis drei Prozent. Das ist rund ein bis anderthalb Prozent mehr als in früheren Jahren.

Die staatlichen Akteure müssen natürlich die Rentenmärkte im Auge behalten. Höhere Zinsen könnten den Lösungsprozess torpedieren. Deswegen gibt es einen klaren politischen Willen, die Zinsen möglichst niedrig zu halten. Die Staatsschuldenkrise lässt sich eben nur mit niedrigen Zinsen lösen. In Kerneuropa und den USA herrschen seit Ausbruch der Finanzkrise bereits überwiegend negative Realrenditen. Augenfällig wird der Kampf gegen hohe Zinsen auch in Südeuropa, wo die Staatsanleiherenditen der meisten Länder ohne die gezielten Gegenmaßnahmen noch weitaus stärker angestiegen wären.

Finanzielle Repression

Es wird alles dafür getan, die Märkte zu beruhigen: Rettungsschirme werden aufgespannt und Eurobonds diskutiert. Das Zinsniveau über staatliche Garantien oder die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank im Zaum zu halten, ist das Ziel (Abbildung 2).

In Deutschland helfen die Regulierungswerke, die unter den Stichworten Solvency II oder Basel III für die Versicherungen beziehungsweise die Banken gelten. Vor allem institutionelle Anleger werden darüber gezwungen, die überteuerten Staatsanleihen des Heimatmarktes zu kaufen. So bleibt das Zinsniveau hierzulande niedrig. Die Flucht in den vermeintlich sicheren Hafen Bundesanleihe, die so gern als Bild bemüht wird, findet also weitgehend nicht freiwillig statt. Dies ist finanzielle Repression (Abbildung 3).

In Japan findet diese Gängelung bereits seit rund 20 Jahren statt. Vor allem die staatliche Postbank kauft die nahezu zinslosen Papiere des völlig überschuldeten Landes. Spanien hat 2010 die Einlagenzinsen der Banken begrenzt, damit die Konkurrenz zu Staatsanleihen beschnitten wird. Großbritannien und die USA agierten so nach dem Zweiten Weltkrieg, als die völlig überschuldeten Länder große institutionelle Investoren zwangen, ihre Staatsanleihen zu niedrigen Zinsen zu kaufen.

Nach zwei Jahrzehnten hatten die beiden Nationen ihre Schuldenstandsquoten halbiert. Dies zeigt, dass eine finanzielle Repression jahrelang andauern muss, um die Schuldenquoten nennenswert zu drücken. Natürlich muss darauf geachtet werden, inwieweit die Kapitalsammelstellen diesen Kurs verkraften und nicht ihre Existenz gefährdet wird.

Ansteckung des gesamten Rentenmarktes

Ein Blick auf das Anlageverhalten institutioneller Investoren, die in ihren Anlagevorgaben weniger beschränkt sind wie etwa Unternehmen und Stiftungen, zeigt, wie gering die Bereitschaft mittlerweile ist, in Bundesanleihen zu investieren. Investoren sind, wo immer es möglich war, bereits auf Alternativen wie Unternehmensanleihen umgeschwenkt. Das hat aber auch dort die Renditen ins Bodenlose sinken lassen. Auch High Yields oder Anleihen der Schwellenländer sind sehr teuer geworden.

Das niedrige Zinsniveau hat sich also auf fast sämtliche Rentengattungen ausgebreitet, die Ansteckung ist vollzogen. Was sich derzeit am Rentenmarkt zeigt, ist keine Blase. Eine Spekulationsblase ist von Euphorie getragen, die hier nicht vorhanden ist. Der Pessimismus der Rentenanleger ist groß und die Abneigung offensichtlich, Staatsanleihen ins Portfolio zu nehmen.

Welche Ausweichmöglichkeiten haben institutionelle Investoren in diesem Umfeld? Regulatorische Vorgaben erschweren häufig höhere Aktien- oder Immobilienquoten, wenngleich reale Assets langfristig wohl die beste Lösung darstellen, um der finanziellen Repression zu entgehen. Schließlich findet man im Dax Unternehmen mit Dividendenrenditen von vier Prozent und mehr. Nicht alle, aber einige davon werden ihre Dividenden dank starker Geschäftsmodelle auch dauerhaft zahlen oder sogar steigern können.

Doch wo lassen sich noch vergleichsweise sichere und attraktive Renditen am Anleihemarkt erwirtschaften? Einen begrenzten Ausweg bieten nach wie vor Spread-Produkte, wie ausgewählte Euro-Staatsanleihen, diverse Corporate Bonds oder Pfandbriefe. Im Bereich Staatsanleihen präsentieren sich einige osteuropäische Staaten als gute Beimischung, aber auch manche kurzlaufende südeuropäische Titel sind durchaus eine Überlegung wert. Unternehmensanleihen hoher Bonität waren in den vergangenen Jahren regelmäßig eine gute Wahl, sind aber mittlerweile sehr teuer. Solide deutsche Unternehmen bieten bei fünfjähriger Laufzeit kaum noch zwei Prozent Rendite, Banken wenig mehr. Für eine Rendite von fünf Prozent müssen schon Spanien, Italien oder die Schwellenländer angesteuert werden - mit Ratings von "A-" abwärts.

Einzeltitelanalyse entscheidend

Bei Corporate Bonds gilt deshalb wie bei Aktien: Die Einzeltitelanalyse ist entscheidend. Bei Pfandbriefen bieten vor allem dänische Papiere eine gute Beimischung. Dänemark ist eines der wenigen verbliebenen "AAA"-Länder in Europa. Kündbare dänische Pfandbriefe sind besonders attraktiv. Ohne große Durationsrisiken sind hier Kupons von drei bis dreieinhalb Prozent zu Kursen knapp unter Pari erhältlich. Entsprechende Renditen dürften damit zu vereinnahmen sein. Für den Fall eines Zinsanstiegs wären Investoren ebenfalls gewappnet: Kündbare dänische Pfandbriefe sind dann meist ein deutlicher Outperformer im Vergleich zu anderen Rentenanlagen.

Die öffentliche Verschuldung wird über Vermögenstransfers abgebaut. Vor allem Anleiheinvestoren bezahlen dies mit negativen Realerträgen. Attraktive Verzinsungen im Niedrigzinsumfeld gibt es bislang allerdings noch über dänische Pfandbriefe - und dies bei erstklassiger Bonität und Liquidität. Um auf lange Sicht der finanziellen Repression zu entgehen, ist zumindest für die weniger stark regulierten institutionellen Anleger eine Ausweitung der Aktien- oder Immobilienquoten eine sinnvolle Lösung.

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