Aufsätze

ABCP: realwirtschaftliche High-Quality-Verbriefung Made in Germany

Wiederholt erinnerte der BDI in den letzten Jahren an die hohe Bedeutung der Verbriefung für die Industriefinanzierung in Deutschland. Diverse Regulierungsvorhaben bedrohten den Fortbestand des europäischen Verbriefungsmarktes. Die deutsche Industrie forderte die Politik auf, auf "angemessene Anpassungen der regulatorischen Rahmenbedingungen" für Verbriefungen hinzuwirken. Seitdem ist einiges geschehen. Politiker haben sich zu realwirtschaftlichen Verbriefungen bekannt, Auto-ABS wurde in die LCR aufgenommen, die Debatte um High-Quality-ABS hat begonnen. Doch an der realwirtschaftlichsten aller Verbriefungen geht die Diskussion bislang leider vorbei. Gemeint ist die Verbriefung von Handels- und Leasingforderungen. Dieses Schattendasein hat sie nicht verdient.

Performancevergleich

In einer konzertierten Aktion der sechs führenden Anbieter derartiger Programme in Deutschland wurde ein umfassender Performancevergleich dieser Finan zierungsform zusammengestellt und es zeigt sich: ABCPs, mit Leasing- und Handelsforderungen unterlegt, sind weitaus besser als ihr Ruf und verdienen das Label "High Quality".

Wie funktioniert ABCP und worin unterscheidet es sich von anderen ABS? Die in Deutschland vorherrschenden "Multi-Seller ABCP-conduits" sind ähnlich aufgebaut wie ein Fonds. Es handelt sich um Finanzierungsplattformen, die von Unternehmen und Leasinggesellschaften in regelmäßigem Turnus Forderungen (konkret: Handels- oder Leasingforderungen) ankaufen und dies über die fortlaufende Ausgabe von kurzfristigen Commercial Papers (den ABCPs) am Kapitalmarkt refinanzieren.

Die Unternehmen erhalten somit für ihre generierten Forderungen sofort Liquidität und können diese unmittelbar in ihrem Produktionszyklus wieder einsetzen. Sie ersparen sich damit die Ausgabe von Corporate Bonds oder Schuldscheindarlehen zur Finanzierung ihres "working capital". Bestehende Kreditlinien werden geschont oder können für andere Finanzierungsaufgaben genutzt werden. Außerdem kann durch den regresslosen Forderungsverkauf an das ABCP-Vehikel ein Bilanzreduzierungseffekt entstehen, der sich wiederum positiv auf Kennziffern und Rating der Unternehmung auswirken kann.

Ein weiterer Vorteil ist das automatische "Mitatmen" der ABCP-Finanzierung mit dem Umsatzverlauf: läuft es gut, werden viele Forderungen generiert und können bei entsprechendem ABCP-Rahmen sofort in Liquidität getauscht werden. Läuft es mal nicht ideal, sinkt auch der Forderungsbestand und die Beanspruchung geht automatisch zurück. Das schont die Finanzierungskosten.

Vorteile für Banken und Investoren

Aber auch die Banken profitieren davon: statt einem Unternehmen (weitere) Kreditlinien zu gewähren, können sie mittels ABCP auf die Forderungen des Unternehmens abstellen und über die gewährte Liquiditätslinie an das ABCP-Vehikel eine risikomäßig oftmals bessere Finanzierungsalternative anbieten als beim Unternehmenskredit, und dies vielfach, ohne das Obligo des Unternehmens zu belasten. Damit wird der politisch oft geforderte realwirtschaftliche Bezug gerade bei dieser Finanzierungsform eingelöst.

Durch das günstigere Risiko einer ABCP-Finanzierung (gegenüber einem Unternehmenskredit) schont die Bank zudem ihre Eigenkapitalressourcen (ökonomisch und - zumindest nach derzeitiger Gesetzeslage - auch regulatorisch) und kann somit mehr Unternehmensfinanzierungen bereitstellen. Eine klassische "win-win"-Situation für Realwirtschaft und Banken.

Auch die Investoren dürfen sich freuen. Denn ABCPs bieten oftmals eine bessere Rendite als eine Bankeinlage oder ein Termingeld - und dies, obwohl das Risiko eines ABCP geringer ist. Dies kommt daher, dass die (Liquiditäts-)Banken heutzutage sämtliche Risiken aus den angekauften Forderungspools gegenüber dem ABCP-Vehikel abdecken und der Investor dadurch faktisch einen doppelten Schutz genießt: einmal durch die verschiedenen Portfolios mit ihren (zusammengenommen) vielen tausend Einzelforderungen und den jeweils dazugehörigen Sicherheiten (zum Beispiel Warenkreditversicherung, Kaufpreisabschläge und Reserven) und zum anderen durch die vollständige Risikoabdeckung der Liquiditätsbank. Zu Recht kann man daher solche "fully supported" ABCP auch als "dual recourse"-Produkte (wie zum Beispiel auch den Pfandbrief) bezeichnen.

Dies war nicht immer so. Bis zur Finanzmarktkrise 2007 wurden ABCPs auch in großem Maße mit minderwertigen Subprime-Papieren unterlegt. Auch die Risikoabdeckung durch die Liquiditätsbank war lückenhafter. Clevere Investmentbanken nutzen so dieses Instrument, um im großen Stil ABS-Portfolios umzuverpacken und damit Eigenkapitalarbitrage zu betreiben. Diese auch SIVs (Structured Investment Vehicle) genannten Konstrukte spielten infolge der Lehman-Pleite eine unrühmliche Rolle.

Doch wie immer im Leben gilt es zu unterscheiden: Obwohl diese SIVs auch zur Kategorie der ABCP-Finanzierungen gehören, haben sie nicht viel mit denen der Realwirtschaft dienenden Multi-Seller ABCPs gemein - außer, dass sie nunmehr inzwischen regulatorisch mit jenen in einen Topf geworfen werden.

Aufsichtsrechtliche Behandlung

Wie werden ABCPs aufsichtsrechtlich behandelt? Nach Solvency II sollen Versicherungen künftig ihre erworbenen ABCPs mit erheblichen Eigenkapitalsätzen unterlegen müssen. Für Geldmarktfonds besteht nach den derzeitigen Entwürfen einer neuen europäischen Regulierung sogar faktisch ein Investitionsverbot. Auch andere institutionelle Kapitalanleger wie Banken, Sozialversicherungskassen und Pensionsfonds sollen ABCP nur erschwert oder gar nicht erwerben dürfen.

Auch den Sponsoren der ABCP-Programme ergeht es nicht besser. Nach einem Entwurf des Baseler Ausschusses zur Neuregelung der Kapitalunterlegung von Verbriefungen (BCBS 269) sollen Liquiditätslinien mit einem mehrfachen der bisherigen, aus Sicht der Kreditwirtschaft angemessenen, Kapitalbelastung unterlegt werden. Dies führt nach einer im Frühjahr durchgeführten Auswirkungsstudie (QIS) dazu, dass es für Banken von der Eigenkapitalunterlegung her günstiger wäre, einem Unternehmen einen Blankokredit zu gewähren als die ökonomisch vorteilhaftere und sinnvollere ABCP-Finanzierung anzubieten. Hinzu könnten überzogene Anforderungen an Offenlegung und Transparenz für ABCP-Strukturen aus der sogenannten CRA3-Regulierung kommen, was in der Regel dazu führen würde, dass Unternehmen eventuell Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse preisgeben müssten. Hier ist der Gesetzgeber noch gefordert, wirtschaftsadäquate Datenschutzregeln zu finden.

Zwar werden seit einigen Monaten Verbriefungen wieder differenzierter betrachtet. Die regulatorische Diskussion geht dahin, zwischen solchen Papieren, die zur Auslösung der Krise beitrugen, wie amerikanische Subprime-Anleihen, und solchen Verbriefungsstrukturen zu unterscheiden, die ihre Qualität über die Krise hinweg unter Beweis gestellt haben. Die Überlegungen für ein "High Quality Securitisation (HQS)"-Segment sollen insbesondere dazu führen, dass gute, der Realwirtschaft dienende Verbriefungen (auch aufsichtsrechtlich) privilegiert und gefördert werden, um somit der Realwirtschaft Zugang zu günstigen und ausreichenden Kreditmitteln zu verhelfen. Doch bislang nimmt diese Diskussion zu wenig von den Multi-Seller ABCP-Finanzierungen für die Realwirtschaft Kenntnis, obgleich deren Performance über die Finanzmarktkrise hinweg hervorragend war.

Repräsentative Daten

Insbesondere in Deutschland werden ABCP-Finanzierungen wieder vermehrt von Unternehmen nachgefragt. Da es sich jedoch bei den Transaktionen, die in die ABCP-Programme der deutschen Sponsorbanken eingehen, um die vertraulichen Kundenforderungen deutscher Industrie-, Handels- und Leasingunternehmen handelt und im Gegensatz zu Term-ABS-Transaktionen daher auch keine öffentlichen zugänglichen Investorenreports bereitstehen, existieren auch keine öffentlichen Marktdaten über Volumen und Performance dieser Transaktionen. Um mehr Transparenz in die Entwicklung des deutschen ABCP-Marktes zu bringen, haben die sechs führenden ABCP-Anbieter in Deutschland (Bayern-LB, Commerzbank, DZ-Bank, Helaba, LBBW und Uni-Credit) ihre Performancezahlen auf anonymisierter Basis mit Hilfe der TSI zusammenstellen lassen. Somit ist erstmals ein repräsentativer Nachweis über die Entwicklung dieses Finanzierungssegmentes ge geben. Hierauf soll im Folgenden eingegangen werden.

Wie hat sich der Markt für realwirtschaftliche ABCP-Finanzierungen in Deutschland entwickelt? Durch die Finanzmarktkrise wurden die Volumina ausstehender europäischer ABCPs erheblich reduziert. Nach einer Moody´s-Erhebung sank der Betrag weltweit ausstehender ABCPs europäischer Banksponsoren (das heißt inklusive USCPs) von 524 Milliarden US-Dollar (2007) auf nur noch 68 Milliarden US-Dollar (2013).

Die Anzahl der Programme verringerte sich in diesem Zeitraum von 68 auf 30. Dieser Effekt resultiert zum ganz überwiegenden Teil aus der Marktbereinigung bezüglich früherer Arbitragestrukturen (wie SIVs). Die realwirtschaftlich orientierten Multi-Seller-Programme haben ihren prozentualen Anteil dementsprechend von 28 Prozent auf 73 Prozent gesteigert. Von deutschen Banken wurden nach einer aktuellen Erhebung der TSI im Juni 2010 knapp 5,6 Milliarden Euro an Handels- und Leasingforderungen in ihren ABCP-Programmen verbrieft. Dieses Volumen stieg bis Juni 2014 auf stolze 9,1 Milliarden Euro an (Abbildung 1).

Eine Betrachtung über die letzten vier Jahre belegt insbesondere die positive Entwicklung bei Handels- und Leasingforderungen, die um gute 70 beziehungsweise 53 Prozent zulegen konnten (Abbildung 2). Die Auswertung beinhaltet alle realwirtschaftlichen ABCP-Transaktionen, die von den führenden deutschen Sponsorbanken in den letzten Jahren durchgeführt wurden. Diese umfassen deutlich über 100 Transaktionen mit Industrie-, Handels- und Leasingunternehmen sowie Absatzfinanzierern.

Warum sind ABCP-Transaktionen High Quality? Betrachtet man die Qualität der verbrieften Forderungsportfolios, so ist das von der Sponsorbank ermittelte, interne Rating der gestellten Liquiditätslinien dafür ein guter Indikator. Hierin fließt sowohl die Ausfall- und Verzugsentwicklung des Portfolios als auch die dafür gestellten, transaktionsspezifischen Sicherungsmaßnahmen (Credit Enhancements) ein. Dagegen bleibt die Sicherungswirkung für den ABCP-Investor durch die Liquiditätsbank selbst (das heißt der full support) unberücksichtigt.

Risikoärmer und weniger anfällig als das traditionelle Kreditgeschäft

In der aktuellen Erhebung wurde aber auch die Bonität der verkaufenden Unternehmen selbst ermittelt. Dies liefert einen guten Vergleichsmaßstab, da - sofern keine ABCP-Transaktion gemacht worden wäre - die Unternehmen das notwendige working capital über traditionelle Bankkredite hätte aufnehmen müssen. Auch konjunkturelle Schwankungen und deren Auswirkungen auf Unternehmenssektor und Verbriefung lassen sich somit gut vergleichen. Das Ergebnis ist nicht wirklich überraschend: Deutsche ABCP-Transaktionen sind risikoärmer und im Konjunkturverlauf weniger anfällig als das traditionelle Kreditgeschäft (Abbildung 3)!

Die expected losses von ABCP-Transaktionen liegen deutlich unter denen der verkaufenden Unternehmen und bewegen sich im Bereich der Single-A-Ratings. Die Unternehmen selbst dagegen sind im Schnitt unterhalb der Investmentgrade-Qualität, das heißt BBB an gesiedelt. Auch die Schwankungsbreite der ABCP-Ratings ist gering und spiegelt damit die Stabilität und Wirksamkeit der strukturellen Sicherungsmaßnahmen wider.

Kein Geld verloren

Auch gegenüber anderen ABS-Strukturen weist die Verbriefung deutscher Handels- und Leasingforderungen eine wesentlich bessere Performance aus. Nach Angaben der an der Untersuchung beteiligten sechs Banken hat bisher weder ein Investor noch eine Sponsorbank aus realwirtschaftlichen Multi-Seller ABCP-Transaktionen Geld verloren, was ein weiteres Indiz für die hohe Qualität der Ver briefung deutscher Handels- und Leasingforderungen ist.

Wenn ein hoher realwirtschaftlicher Bezug und eine hervorragende Performance die Eckpfeiler von High-Quality-Verbriefungen darstellen, dann sollten die ABCP-Programme zur Verbriefung von Handels-, Industrie- und Leasingforderungen sowie Absatzfinanzierungen der deutschen Banken mit Fug und Recht den High-Quality-Status für sich beanspruchen können.

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