Kreditwesen aktuell

Der ABS-Markt zwischen Aufschwung und Krise

Die Kreditkrise hat die Welt seit dem Zusammenbruch der Bear Stearns Hedgefonds Ende Juli 2007 fest im Griff. Liquidität, bis dahin im Überfluss vorhanden, ist zwischenzeitlich weltweit zur Mangelware geworden und Asset Backed Securities sind im Fokus des Geschehens. Was sind die Hintergründe?

Übertreibungen am amerikanischen Häusermarkt

Wenn man das augenblickliche Geschehen erklären will, muss man das Feld der ABS-Märkte verlassen und etwas weiter ausholen. Im Gefolge des Börseneinbruchs von 2000 und der Terrorangriffe von 2001 hatte die amerikanische Notenbank, das japanische Deflationsszenario als Menetekel vor Augen, die Zinsen stark gesenkt und andere Zentralbanken folgten. Die dadurch entstandene Liquidität suchte sich ihr Ventil, billiges Geld trieb den amerikanischen Häusermarkt an und steigende Hauspreise waren wiederum der beste Treibstoff für die weitere Expansion der Kreditmärkte. Nach fünf Jahren Immobilienboom waren die Preise um etwa 60 Prozent gestiegen, die guten Schuldner wurden knapp, doch die Vergabekriterien für Kredite wurden lockerer und Kreditnehmer mit immer schlechteren Bonitäten wurden mit Krediten versorgt. Solange die Hauspreise stiegen und säumige Schuldner mit Gewinn ihre Immobilien verkaufen und die Kredite zurückzahlen konnten, war dies alles kein Problem. Das ganze System kippte, als die Hauspreise 2006 zunächst stagnierten und seitdem fallen. Die darauf folgenden Kreditausfälle, insbesondere im unteren Marktsegment den sogenannten Subprimes - übertreffen alle Erwartungen. Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass über 20 Prozent der Subprime-Kredite, die 2006 herausgelegt ausfallen und in die Zwangsvollstreckung gehen (RBS Greenwich Studie), was je nach Verwertungsquote Ausfälle zwischen fünf bis acht Prozent mit sich bringen würde.

Die Preise für die entsprechenden ABS-Bonds, mit denen sie finanziert wurden, fallen jedoch deutlich stärker, da der Appetit der Investoren nach entsprechenden Investments nachgelassen hat. Wer in Subprime-Bonds investierte, sieht sich daher mit hohen Wertabschlägen konfrontiert. Die entsprechenden Indizes für Sub-prime-ABS (ABX) notieren heute (Stand Mitte August) für AAA zu 91, für AA zu 75, für A zu 55 und für BBB mit 40. Vom etwa 600 bis 700 Milliarden US-Dollar Subprime-Segment ausgehend, greift die amerikanische Immobilienkrise auch bereits auf andere Segmente des Immobilienmarktes über und verschreckt ABS-Investoren weltweit.

ABCP-Programme im Blickpunkt

In diesem Zusammenhang machen insbesondere ABCP-Programme von sich reden. Viele von ihnen haben offensichtlich in der Vergangenheit mit einem hohen Leverage Arbitrage Geschäfte sowie Fristen- und Risikotransformation betrieben, dabei in Subprime-ABS direkt oder indirekt investiert und dies über kurzfristige Commercial Paper finanziert. Bei einer Mark to Market-Bewertung entstehen nach dem Preisverfall für Subprime-ABS nun große Lücken. Die Folgen sind vielfältig: Die ABCP-Investoren brechen weg, die entsprechenden Programme kommen unter Verkaufsdruck; auch gute Assets werden verkauft, was über Subprime hinaus den gesamten Markt unter Druck setzt; die Sponsorenbanken müssen mit ihren Liquiditätslinien einspringen.

Da die Transparenz über Subprime-Investments weitgehend fehlt, schwebt nach den IKB-Vorkommnissen eine Art Generalverdacht über dem Markt. ABCP-Investoren verabschieden sich insgesamt vom Markt, die Sponsoring-Banken treten über die bereitgestellten Liquiditätslinien an deren Stelle, Banken leihen sich untereinander nur noch zögerlich Geld, ABS-Fonds verlieren Anleger und die Akzeptanz von ABS als Kapitalmarktinstrument leidet. Ähnliche Wirkungsmechanismen ergeben sich aus den mit hohem Leverage vorgenommenen Investments anderer Akteure, vor allem von Hedgefonds, in Subprime-ABS. Auch hier wird das Eigenkapital durch den Wertverfall auf den Subprime-Märkten angegriffen, die Kredit gebenden Banken verlangen weitere Sicherheiten, kürzen die Kreditlinien, und es entstand ein über Subprime hinausgehender Verkaufsdruck auf den Märkten. Damit schwappte die amerikanische Immobilienkrise auf die weltweiten Kreditmärkte über. Die Risikospreads gingen auseinander, die Liquidität ging verloren und die Zentralbanken sahen sich Anfang August gezwungen, entsprechend massive Liquiditätshilfen bereitzustellen. Die amerikanische Fed senkte zwischenzeitlich bereits den Diskontsatz.

Wird ABS als Geschäftsmodell Schaden nehmen?

Die Kreditmärkte sind zurzeit in einem Übergangsstadium zur Normalität. Normalität heißt in diesem Zusammenhang auf dem Weg zur Rückkehr zum historischen Durchschnitt, das heißt zu angemessenen Risikospreads und einem angemessenen Wachstum der Kreditmärkte, das dem nachhaltigen Wirtschaftswachstum entspricht. Insofern waren die letzten Jahre untypisch und können keineswegs als Maßstab für die weitere Entwicklung der Kredit- und damit der ABS-Märkte herangezogen werden. Die Investoren sind dabei, Kreditrisiken umfangreich neu zu bewerten. Die historisch sehr niedrigen Risikospreads der letzten Jahre werden sich im Zuge dieses Prozesses wieder auf den bekannten, langjährigen Durchschnitt einpegeln. Im Zuge dessen wird - befördert durch die Subprime-Krise - auch das Qualitätsbewusstsein der internationalen ABS-Investoren steigen. Diese werden sich bei ABS-Transaktionen noch genauer als bisher die zugrunde liegenden Kreditportfolios, Sicherheiten und Verpflichtungen, Credit Enhancements und die Struktur der Transaktionen an sich anschauen.

Gute Risiken und Qualitäten werden - nachdem der Markt sich wieder geordnet hat - von den Investoren gesucht werden. Intransparente Strukturen und schlechte Bonitäten werden es schwerer haben, der Risikozuschlag wird höher werden als bisher.

Märkte lernen durch Krisen und Fehler. Insofern werden die Geschehnisse der letzten Wochen nachhaltig ihre Spuren hinterlassen. Staatliche Niedrigzinspolitik und Carry Trades, das heißt die Kreditaufnahme in Ländern mit niedrigen Zinsen, vor allem Japan, und die Investition des entsprechenden Geldes in Ländern mit hohen Zinsen, haben in den letzten Jahren einen hohen Kreditleverage begünstigt, jedoch das Kreditrisiko nicht verschwinden lassen. Es wurde lediglich durch eine Kreditausweitung bei steigenden Assetpreisen überdeckt. Das Geschäftsmodell ABS wird durch die Rückkehr des Kreditrisikos nicht nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn die Vorteile sind offensichtlich: Das Pooling von Kreditportfolios, die Tranchierung der in diesem Pool befindlichen Risiken und deren Ausplatzierung in gerateten Wertpapiertranchen in den Kapitalmärkten tragen wesentlich dazu bei, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu erhöhen.

In einem wird sich aber auch die ABS-Welt verändern. Vertrauen der Investoren wird zum Schlüsselwort für die weitere Entwicklung. Dies gilt insbesondere für das Vertrauen der ABS-Investoren in die Kreditvergabepraktiken der Banken, die Strukturierung der Transaktionen, die Qualität und die Entwicklung der verbrieften Kreditportfolios, die Funktionsfähigkeit der Sekundärmärkte und nicht zuletzt auch Vertrauen in die Arbeit aller Transaktionsbeteiligten. Transparenz und qualitativ hochwertige Informationen, die rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, sind dabei wesentlich für den Aufbau von Vertrauen.

Die Ereignisse der letzten Woche zeigen auch, dass sich das Verständnis von komplexen, strukturierten Instrumenten nicht auf den engen Kreis der Verbriefungsspezialisten und ABS-Investoren beschränken darf. Diese Instrumente müssen im Rahmen einer ganzheitlichen und ertragsorientierten Bankensteuerung sorgsam eingesetzt werden. Auch das Risikomanagement, Controlling sowie die Führungsorgane einer Bank müssen sich mit dieser Thematik beschäftigen und sie verstehen. ABS muss stärker als bisher, wie dies bei anderen etablierten Instrumenten, dem Kredit- und Einlagengeschäft sowie anderen, gängigen Kapitalmarktinstrumenten bereits der Fall ist, integrierter Bestandteil der Führung, Steuerung und des Risikomanagements der Banken werden.

Deutsche Besonderheiten

Der deutsche Kredit- und ABS-Markt folgte in den letzten Jahren anderen Mustern als die amerikanischen, aber auch viele europäischen Märkte. In Deutschland kann weder bei Privatpersonen noch Unternehmen von einem exzessivem Kreditwachstum die Rede sein. Im Gegenteil. Die Märkte stagnierten. Auch sind die Beleihungsobjekte, das heißt die Immobilienpreise keineswegs aus dem Ruder gelaufen. Hier kann seit Jahren nur eine verhaltene Seitwärtsbewegung festgestellt werden.

ABS setzte sich zudem in Deutschland nur langsam durch. Es wurde vor allem genutzt, um Risiken aus gewerblichen Krediten, das heißt Mittelstandsfinanzierungen und gewerblichen Immobilienfinanzierungen an den internationalen Kreditmärkten zu platzieren. True Sale RMBS, das heißt ABS-Transaktionen mit zugrunde liegenden privaten Baufinanzierungen spielten kaum eine Rolle, ebenso gibt es in Deutschland keine Verbriefungen von Kreditkartenforderungen, da die "Kredit"karten deutscher Banken in der Regel Debitkarten sind, das heißt die Salden in regelmäßigen Abständen vom Girokonto abgebucht werden.

Für den Bereich der gewerblichen Finanzierung wird ABS in Deutschland aber aufgrund der spezifischen Ausgestaltung der deutschen Unternehmensfinanzierung immer wichtiger. Die geringe Kapitalmarktintegration der deutschen Wirtschaft bringt es mit sich, dass die Abhängigkeit vom Bankkredit sehr hoch ist. Für Banken war in den letzten Jahren der ABS-Markt ein wichtiges Instrument für die Refinanzierung und zur Platzierung von Kreditrisiken an den internationalen Kapitalmärkten. Über den ABS-Markt sind dem deutschen Mittelstand erhebliche Investitionsmittel zugeflossen. Es wurde über den ABS-Markt damit ein indirekter Zugang zum Kapitalmarkt eröffnet, der zur Eigentümerstruktur und Unternehmenskultur der mittelständischen Familienunternehmen passt. Das "Wieder-in-Gang-kommen" der internationalen ABS-Märkte ist daher im wohlverstandenen Interesse der ganzen deutschen Wirtschaft.

Wie ist die TSI von den aktuellen Ereignissen betroffen?

Die TSI ist in den letzten Wochen häufig gefragt worden, welchen Einfluss die aktuellen Ereignisse auf ihre Arbeit haben werden. Von daher soll an dieser Stelle noch einmal kurz aufgeführt werden, was ihr Geschäftszweck ist: Die TSI soll den deutschen ABS-Markt fördern, indem sie erstens Banken die Möglichkeit eröffnet, nach deutschem Recht und auf Basis eines standardisierten, mit allen Marktbeteiligten abgestimmten Verfahrens, ihre Kredite zu verbriefen, zweitens eine Marke und ein Zertifikat für deutsche ABS-Transaktionen mit einem hohen Standard bezüglich Transparenz, Investoreninformationen und Market Making etabliert und drittens eine Kommunikationsplattform für die deutsche Verbriefungsindustrie, für Banken und ABS-Investoren unter Einschluss von Politik und relevanten Behörden im Interesse des deutschen Verbriefungsmarktes schafft.

Alle diese Punkte - die übrigens auch in der Satzung der TSI festgehalten sind - dienen dem Ziel, einen liquiden und transparenten ABS-Markt in Deutschland zu ermöglichen und zu fördern und somit das Vertrauen der Investoren, aber auch von Politik und Gesetzgeber in ABS zu stärken. Diese Ziel- und Zwecksetzung hatte bereits im Spätherbst 2003 bei Gründung der TSI seine Berechtigung. Die aktuelle Subprime-Krise unterstreicht nur, wie wichtig die Anliegen der TSI sind.

Im Chinesischen setzt sich das Wort Krise aus zwei Schriftzeichen zusammen - das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. Für die TSI ist die Gelegenheit gekommen, ihre Themen noch stärker als bisher zu positionieren. Von daher schaut sie zuversichtlich in die Zukunft.

Dr. Hartmut Bechtold, Geschäftsführer, True Sale International GmbH (TSI), Frankfurt am Main, und Matthias Renner, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der True Sale International und Leiter des Verbriefungsbereichs der WestLB, Düsseldorf.

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