Aufsätze

Anforderungen und Geschäftsmodelle für OTC Derivate Clearing Häuser

Als Folge internationaler Finanzmarktkrisen hat die Europäische Kommission im August 2012 die sogenannte EMIR European Market Infrastructure Regulation erlassen, mit der der Handel von OTC Derivaten durch Zwischenschaltung zentraler Kontrahenten (sogenannte CCPs Central Counterparties) verbindlich vorgeschrieben wird. Hierzu hat der Deutsche Bundestag am 13. Dezember 2012 das EMIR-Ausführungsgesetz verabschiedet, um die Umsetzung dieser europaweiten Verordnung in die Wege zu leiten. Derzeit arbeitet die Europäische Wertpapieraufsicht ESMA noch an der Konkretisierung einzelner Technischer Umsetzungsstandards wie zum Beispiel der Klärung, welche Kategorien von OTC Derivaten überhaupt apriori durch einen CCP clearingfähig sind. Ergänzt werden die europäischen Bemühungen auf internatio naler Ebene durch die Umsetzung des Dodd-Frank Act (DFA) in den USA, der die Regulierung der US-Kapitalmärkte und Banken vorantreibt.

Deutlich höhere Sicherheiten

Ein verbindliches Clearing von bislang OTC (außerbörslich = bilateral) getätigten Derivategeschäften wirft zahlreiche Fragen und Probleme auf. Derivategeschäfte wurden in der Vergangenheit häufig ohne direkte Sicherheitenstellung gegen Kredit linien durchgeführt, dies insbesondere im Nichtbankenbereich. Durch Verlagerung dieser Geschäfte über einen zwischengeschalteten Zentralen Kontrahenten müssen die Marktteilnehmer in Zukunft zum Teil deutlich höhere Sicherheiten leisten - da runter auch Cash Collateral. Dies führt zu einer erheblichen Belastung deren Liquidität.

Derzeit unterteilt sich die Sicherheitsleistung in die sogenannte Variation Margin (VR), die den täglichen Markto-Market-Verlust oder-Gewinn abdeckt und in bar zu hinterlegen ist und die Initial Margin (IM) für das allgemeine Marktrisiko, die bislang in den meisten Fällen durch die Marktteilnehmer auch in Form festverzinslicher Wertpapiere mit sehr guter Bonität hinterlegt werden konnte. Die Eurolandkrise und die hohe Verschuldung in den USA und Japan haben aber gezeigt: Es gibt im Prinzip kaum noch sichere Wertpapiere.

Staatsanleihen zum Beispiel der USA, Japans, Ita liens, Frankreichs sind eben nicht mehr sicher, ebenso wenig wie Bankinhaberschuldverschreibungen - nicht einmal die der Deutschen Bank. Die höchste Sicherheit bieten derzeit neben deutschen Staatsanleihen erstklassige Industrie-Inhaberschuldverschreibungen und Schuldscheindarlehen, wobei auch deren Bonität sich kurzfristig deutlich verschlechtern kann und deren Bonitätsbewertung durch Ratingagenturen praktisch wertlos ist, da man die Ratingagenturen für ihr Rating nicht in Regress nehmen kann.

Das Volumen von den Marktteilnehmern zu stellender Sicherheiten wird in der Zukunft mit Einführung eines verbindlichen OTC Derivate Kontrakte Clearings deutlich zunehmen. Denn bislang wurde der wesentliche Teil von Zinsderivaten und Zinstermingeschäften sowie Swaps außerbörslich durchgeführt - ohne Clearing House. Das wird nach Umsetzung der EMIR nicht mehr möglich sein. Damit steigen die Clearing-Volumina, die Volumina gestellter Sicherheiten und die Risiken beim CCP deutlich an. Neben Marktpreis- und Liquiditätsrisiken, sind dies auch operationelle Risiken, die Bewertung und Verwertung von geleisteten Sicherheiten und das Close Out von Kontrakten und Positionen durch den CCP im Falle des Defaults eines Marktteilnehmers.

Systemische Risiken für den Finanzmarkt

Daraus können systemische Risiken für den Finanzmarkt und dessen Stabilität ausgehen durch eine mögliche Schieflage oder Insolvenz des CCP selber. Dem ist unter anderem durch folgende Maßnahmen entgegenzuwirken:

Die "Too Big to Fail"-Problematik ist auch auf Zentrale Kontrahenten (CCPs = Clearing-Häuser) und deren übergeordnete Börsenbetreiber beziehungsweise Muttergesellschaften zu übertragen. Wie sich bereits in der Vergangenheit in der Untersagung von Börsenfusionen dokumentiert hat, bedarf es erheblich mehr Betreiber beziehungsweise Anbieter von Clearing-Häusern und eine Wettbewerbsstruktur zwischen den CCPs. Es müssen neue Anbieter von CCPs auf den Markt kommen oder das Clearing von Derivate-Kontrakten in voneinander unabhängigen produktbezogenen Anbietern aufgeteilt werden. So macht es zum Beispiel Sinn, mindestens je einen Anbieter - besser zwei bis drei - für Equity-, Zins-, Devisen-, Rohstoff- und Credit Default Swap Produkte zu haben. Dies kann sowohl durch Entflechtung als auch durch den Eintritt neuer Marktteilnehmer geschehen. So könnte man überlegen, Abwicklungsbanken, die derzeit über kein valides Geschäftsmodell mehr verfügen, als Derivate CCP neu aufzustellen und das gegebenenfalls mit der Funktion des Global Custo dian zu verknüpfen.

Die Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität der zentralen Kontrahenten sind deutlich zu erhöhen, denn die Risiken werden sich drastisch verschärfen. Derzeit verfügt die Eurex Clearing AG (ECAG) nur über ein haftendes bilanzielles Eigenkapital in Höhe von zirka 113 Millionen Euro. Das ist bei Weitem zu wenig. Im Falle der Eurex Clearing kann zugute gehalten werden, dass sie als Tochtergesellschaft im Konzern Gruppe Deutsche Börse Unterstützung erfährt. Ihre unmittelbare Mutter, die Eurex Frankfurt, verfügt über ein haftendes bilanzielles Eigenkapital in Höhe von etwa 900 Millionen Euro, die Deutsche Börse selber in Höhe von zirka 3,2 Milliarden Euro und hat soweit bekannt gegenüber der Eurex Clearing eine Bürgschaft in Höhe von bis zu 750 Millionen Euro geleistet. Vor dem Hintergrund erhöhter Anforderungen aus dem verpflichtenden Clearing von Zins-, Devisen- und CDS-Kontrakten wird eine deutliche Eigenkapitalerhöhung bei der Eurex Clearing aber vermutlich unumgänglich werden.

Konzept der Sicherheitenstellung überdenken

Das Konzept der Sicherheitenstellung undverwaltung muss überdacht werden. Gegebenenfalls müssen die Marktteilnehmer mehr Cash-Sicherheiten oder grundpfandrechtlich besicherte Wertpapiere und Forderungen leisten. Die ECAG legt derzeit von ihr als Sicherheiten verwaltete Gelder verteilt auf eine Vielzahl bonitätsmäßig starker Banken und in Form von sogenannten Reverse Repos an. Das ist grundsätzlich richtig. Bei Bedarf bleibt zu prüfen, ob ein deutlich höherer Anteil als bisher verpflichtend bei der EZB hinterlegt werden sollte, um die Kontrahentenrisiken aus der Geldanlage beziehungsweise Sicherheitenverwaltung weiter zu reduzieren.

Es ist zu überdenken, ob ein erweitertes Clearing-Fund-Geschäftsmodell erforderlich werden könnte. Derzeit müssen die Clearing Member in Abhängigkeit vom Volumen der von ihnen und ihren Kunden bei der ECAG unterhaltenen marginpflichtigen Positionen und der daraus nach einem Valueat-Risk orientierten Verfahren berechneten Risiken Beiträge zum Clearing Fonds der ECAG leisten. Dessen Volumen beträgt derzeit etwa 1,4 Milliarden Euro und schwankt mit dem Volumen und Positionen und Risiken.

Im Rahmen eines Wasserfall-Konzeptes haftet dieser Clearing Fonds im Falle von Verlusten durch nicht mehr zahlungsfähige Clearing-Mitglieder zuerst vor dem Eigenkapital der ECAG beziehungsweise der Garantie deren Mutter. Das bedeutet, die anderen Clearing-Mitglieder - in der Regel Banken - haften für die Verluste insolventer Teilnehmer, soweit deren geleistete Sicherheiten nicht mehr aus reichen.

Das erscheint zum einen nicht verursachungsgerecht, denn warum sollte zum Beispiel die Deutsche Bank für Verluste aus Derivatepositionen der Commerzbank oder von Lehman haften, wo sie doch durch das Clearing deren Positionen gar kein Geld verdienen kann. Das Geld aus dem Clearing und dem Handel von Kontrakten verdient die Eurex Clearing beziehungsweise deren Mutter, und deshalb sollte auch sie dafür an erster Stelle haften und nicht nur subsidiär. Mögliche Verluste über den Clearing Fund auf die Banken zu verlagern wirkt im Krisenfall eher systemdestabilisierend. Soweit andere Clearing-Mitglieder - vornehmlich Banken - mit ihren Beiträgen für den Clearing Fund in Mithaftung genommen werden, sollen sie damit zu Gesellschaftern der ECAG er hoben werden beziehungsweise an deren Überschüssen im Sinne einer Risikoprämie partizipieren dürfen.

Aufsichtsrechtliche Regime verschärfen

Das aufsichtsrechtliche Regime über (systemrelevante) CCPs, das in Deutschland bei der BaFin und der EZB liegt, ist weiter zu verschärfen. Dieser Trend wird derzeit auch bereits praktisch auf nationaler wie internationaler Ebene aufgegriffen. Die Aktualisierung der MaRisk und erweiterte binding technical standards der ESMA sowie der CPSS/IOSCO verbessern die Überwachung von Kontrahenten-, Marktpreis-Liquiditäts- und operationellen Risiken. Insbesondere der Ermittlung des Default Fund Exposures wird durch die Berechnung eines hypothetischen CCP-Eigenkapitals Rechnung getragen, wobei dieses derzeit noch von den Clearing Membern zu gewährleisten ist.

Verschlechterungen der Bonität des Vertragspartners aus OTC-Derivate-Geschäften werden durch sogenannte Credit Value Adjustments (CVAs) abgebildet. Verschlechterungen von Korrelationen zwischen dem Underlying (Basisinstrument) eines Derivatekontraktes und der jeweiligen Kontrahenten-Bonität wird durch die Berechnung des sogenannten Allgemeinen wie auch spezifischen Wrong Way Risk (WWR) Rechnung getragen. Zudem wurde die Solvabilitätsverordnung um die Berechnung einer Incremental Risk Charge (IRC) erweitert, die Wertverluste durch Bonitätsverschlechterungen beziehungsweise die Ausweitung von Credit Spreads abbildet.

Verpflichtendes Clearing: ein Schritt in die richtige Richtung

Die Umsetzung eines verpflichtenden Clearings von OTC-Derivate-Kontrakten durch zentrale Kontrahenten ist ein Schritt in die richtige Richtung und eröffnet Kreditinstituten neue Geschäftsfelder, um mit den bisherigen Anbietern von Clearing Dienstleistungen wie der Eurex Clearing in Wettbewerb treten zu können. Eine Verbreiterung der Anbieterlandschaft erscheint umso mehr geboten, um systemdestabilisierende Konzentrationsrisiken zu mindern.

Den erhöhten Risiken ist mit signifikant höheren Eigenkapitalanforderungen zu begegnen, die letztendlich zu Mehrkosten für Banken und Institutionelle Endkunden führen werden. Dies lässt neue Clearing-House-Konzepte und Geschäftsmodelle möglicherweise erforderlich werden. Besondere Bedeutung wird dabei vermutlich der Stellung und Verwaltung von Sicherheiten zukommen, um die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten zu können.

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