Aufsätze

Bankgesellschaft Berlin - der Weg zur Konzerngründung Folge 2

Erste Planungen bezüglich eines Zusammenschlusses der in Landesbesitz befindlichen Berliner Kreditinstitute gehen auf das Jahr 1988 zurück. Sie betrafen damals Zeitpunkt die Sparkasse der Stadt Berlin (West) sowie den Berliner Bank (BB) Konzern. Die Initiative ging von der Berliner Bank aus, was Vorstandssprecher Wolfgang Steinriede wie folgt begründete: "Wir haben nicht zwölf Jahre hart gearbeitet, um die engen Fesseln einer ausschließlich auf den Berliner Markt begrenzten Regionalbank abzustreifen und uns einen akzeptablen Platz unter den großen deutschen Geschäftsbanken zu erobern, damit wir uns nun wieder an den Rand drängen lassen."1)

Verschmelzung im Blick

Aus Sicht der Berliner Bank, auf deren schwierige Kapitalsituation bereits verwiesen wurde2), sollte die angestrebte Fusion insbesondere das für die weitere Expansion benötigte Eigenkapital beschaffen. Da sich das Land Berlin 1988 sowohl einer Kapitalerhöhung als auch einer Reduzierung der Mehrheitsbeteiligung verweigerte, sah sich das Management einem Dilemma von Desinvestment und potenzieller Übernahme ausgesetzt. Die Eigenkapitalsituation der Sparkasse gestaltete sich günstiger, da diese in den achtziger Jahren umfassende Rücklagen gebildet hatte und als öffentliches Kreditinstitut mit geringeren Ausschüttungen belastet war.

Die Probleme der Sparkasse lagen eher in ihren fehlenden Investitionsmöglichkeiten. Im Dezember 1988 und noch einmal ultimativ im September 1989 hatte der Vorstandsvorsitzende Hubertus Moser die Beseitigung der Beschränkungen des Regionalprinzips gefordert und sich zweifelnd über die bisherige Struktur der Sparkassenorganisation geäußert. Nachdem sich die Sparkasse zunächst im März 1989 noch wenig begeistert über die Annäherungsversuche der Berliner Bank gezeigt hatte, wurde ein entsprechendes Vorgehen im September desselben Jahres mit Verweis auf die Anforderungen des europäischen Binnenmarktes begrüßt. Dieser ursprüngl iche Plan sah eine Verschmelzung beider Unternehmen in Rechtsform einer AG vor.

Aus Sicht der Sparkasse sind hier zwei Vorteile zu nennen. Durch eine Vollfusion wäre das Regionalprinzip unterlaufen und damit eine Expansion der Sparkasse möglich geworden. Zudem hätte die Sparkasse das bereits bestehende überregionale Vertriebsnetz der BB für ihre eigenen Produkte nutzen können. Als weitere Argumente für die beabsichtigte Fusion wurden folgende Punkte angeführt:

- Beide Gesellschaften würden sich mit ihren Produkten beim Aufbau eines Allfinanzangebotes ergänzen.

- Die "Passivlastigkeit" des Geschäftes der Berliner Sparkasse würde einen Ausgleich gegenüber der "Aktivlastigkeit" der Berliner Bank bieten.

- Durch eine Zusammenlegung der beiden Institute sollten umfangreiche Kosten der Zentralverwaltungen eingespart werden. Diese Effekte bezifferte Steinriede 1992 auf 400 Millionen DM jährlich, während 1990 nach Prüfung durch zwei unabhängige WP-Gesellschaften noch 100 Millionen DM veranschlagt worden waren. Potenzielle Kosteneinsparungen sollten sich auch durch eine Straffung der Filialnetze in Berlin ergeben. Jedoch bezweifelte Sparkassenchef Hubertus Moser bereits 1989, dass eine Fusion zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen würde. In der Vereinigungsphase sei vielmehr mit einem gesteigerten Arbeitsbedarf zu rechnen.

Gemischte Reaktionen in Politik und Öffentlichkeit

Die Initiative der beiden Bankvorstände wurde von der Berliner Öffentlichkeit mit gemischten "Gefühlen" aufgenommen. Der ehemalige CDU-Senat hatte die Fusion befürwortet. Auch die neue Landesregierung aus SPD und Alternativer Liste (AL) äußerte sich durch Finanzsenator Norbert Meisner sowie Bürgermeister Walter Momper (beide SPD) erfreut. Widerstände kamen aus Teilen der SPD und insbesondere der AL. Gegner einer Fusion waren auch die Gewerkschaften HBV und ÖTV sowie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), dessen Vorsitzender Helmut Geiger "systemverändernde Konsequenzen" vermutete. Eine Intervention des Verbandes in Richtung der Berliner Landesregierung verlief jedoch glücklos, da Momper eine Verlegung des geplanten Sparkassenzentralinstitutes an die Spree forderte. Skeptisch zeigte sich auch das Bundeskartellamt.

Die Bankvorstände reagierten auf den öffentlichen Widerstand mit einer Adaption des Konzeptes, das nun eine Holdinglösung vorsah. Die Sparkasse könne weiterhin Mitglied im DSGV bleiben, müsse allerdings in eine AG umgewandelt werden.

Eine Verschlechterung der Position der Fusionsbefürworter ergab sich aus Entscheidung des BAKred, der Sparkasse für den Fall einer Privatisierung das Anrecht auf die Führung ihres Namens zu entziehen. Angesichts der "vertrackten Lage" wurde die Fusion zunächst aufgeschoben. Sparkasse und Berliner Bank konzentrierten sich im Zuge der Wiedervereinigung auf den Zusammenschluss mit ihren ostdeutschen Schwesterinstituten. In diesem Sinne ist die Gründung der Landesbank Berlin (LBB) zu sehen, in der Finanzsenator Norbert Meisner nicht eine Aufgabe, sondern eine Streckung des Holding-Konzeptes sah. Am 27. September 1990 wurde das Gesetz über die Errichtung der Landesbank Berlin

- Girozentrale - beschlossen, das der Sparkasse die seit Ende der achtziger Jahre geforderte Bewegungsfreiheit verschaffte. Die Kapitalprobleme der BB waren jedoch, angesichts der angestrebten Expansion, mittelfristig weder durch die Fusion mit der Berliner Stadtbank AG noch durch die Kapitalerhöhungen des Landes 1991/92 zu lösen. Die BB hielt daher weiterhin an ihren Vereinigungsplänen fest. In die Planungen wurden nun auch die Kapitalsammelstellen Wohnungsbaukreditanstalt Berlin (WBK) sowie die Berliner Pfandbrief-Bank einbezogen, die sich mit dem Wegfall der Berlinförderung zum 31. Dezember 1991 vor Refinanzierungsproblemen sahen. Dabei musste die Einbeziehung der WBK aufgrund ihrer umfangreichen Eigenkapitalreserven als attraktiv erscheinen, während bei der Pfandbrief-Bank die Wachstumschancen des Berliner Immobilienmarktes von Bedeutung gewesen sein mögen. Mit einer Mehrheitsbeteiligung an der "Braunen Hanne" (Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank) verfügte die BB über ein erfahrenes Realkreditinstitut, das im bundesdeutschen Markt aufgestellt war und für eine Fusion mit der bisher einseitig auf Berlin konzentrierten Pfandbrief-Bank zur Verfügung stand.

"Kleine oder große Lösung"?

Als Alternative zum bisherigen Holdingkonzept wurde mit dem Auslaufen der Berlinförderung eine sogenannte "kleine Lösung" diskutiert, die eine Vereinigung von BB und Pfandbrief-Bank sowie von Landesbank und WBK vorsah. Der neue Finanzsenator Elmar Pieroth bevorzugte allerdings eine "große Lösung", die alle vier Banken einschloss.

Dabei scheint der bereits vom ehemaligen Finanzsenator Meisner verfolgte Gedanke der Aktivierung von Landesvermögen eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Durch Einbringung der landeseigenen Institute in eine privatrechtliche Holding, mit anschließender Veräußerung der Anteile bis zu einer Quote von 50 Prozent, ließen sich nach damaliger Berechnung Einnahmen von etwa einer Milliarde DM erzielen. Demgegenüber scheint das Interesse der Landesbank an einer großen Lösung angesichts der umfangreichen Wachstumspotenziale des Einigungsbooms und einer beabsichtigten gemeinsamen Landesbank von Berlin und Brandenburg zurückgegangen zu sein.

Konflikte zwischen den Verhandlungsparteien

Nichtsdestotrotz stellten Steinriede und Landowsky im April 1992 eine "große Lösung" bis zum 1. Januar 1994 in Aussicht. Am 16. Juni 1992 beschloss der Senat, die Vereinigung der vier Berliner Institute voranzutreiben. Mit der Gründung des Konzerns wurden nach offiziellen Angaben folgende Ziele verfolgt:

- Die Kapitalspielräume der dem Land gehörenden Kreditinstitute sollten voll genutzt und die vorhandenen Ressourcen effizient am Markt eingesetzt werden.

- Der Konzern sollte eine hohe Finanzierungskraft für die Aufgaben und Investitionen in Berlin aufweisen.

- Das Land sollte weiter einen entscheidenden Einfluss ausüben können.

- Der Landeshaushalt sollte nicht durch weitere Kapitalzuführungen in Anspruch genommen werden.

- Der Bankplatz Berlin sollte gestärkt werden.

Angesichts der Datenlage kann die Entlastung des Berliner Landeshaushaltes als ein wesentliches Element des Konzeptes Bankenholding gelten. Betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kam hingegen in den Erörterungen des Abgeordnetenhauses nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Im Juni 1992 zeigten sich erste Konflikte zwischen den Verhandlungsparteien. So wehrte sich Sparkassenchef Moser gegen die Versuche einiger Politiker die Landesbank als "(...) größtes und ertragsstärkstes Kreditinstitut in Berlin (...)"3) in eine Sparkasse und eine Bank zu zerlegen. In einem eigenen Entwurf lehnte sich die Landesbank an das Konzept der öffentlich-rechtlichen DSL-Bank an, an der eine privatrechtliche Holding mittels einer atypisch stillen Beteiligung engagiert war.

Die BB bemängelte, der Anschluss der Berliner Bank an eine neu zu gründende Holding könnte eine Klage freier Aktionäre gegen den für die Konzernierung notwendigen Beherrschungsvertrag provozieren. Zudem pochte die Gothaer Versicherung, der als Großaktionär der BB AG letztlich eine Sonderzahlung von 50 Millionen DM zugestanden wurde, auf die weiterhin zu gewährleistende Fungibilität ihrer Aktien. Der BB-Vorstand favorisierte daher ein Konzept, das von der Gründung einer neuen Holdinggesellschaft absah und stattdessen die Umwandlung der Berliner Bank AG in eine Holding befürwortete. Landesbank wie auch Pfandbrief-Bank sollten als Sacheinlage in die BB eingelegt, das operative Geschäft der Berliner Bank in eine neue Tochtergesellschaft ausgelagert werden. Trotz erheblicher Vorbehalte in der Landesbank und im Abgeordnetenhaus konnte sich die BB in diesem Punkt durchsetzen. Im Gegenzug bestand die Landesbank darauf, dass sie den Traditionsnamen "Berliner Sparkasse" sowie ihr eigenes Filialnetz weiter fortführen konnte. Damit war der getrennte Marktauftritt bereits vorgezeichnet.

Zum 31. Dezember 1992 wurde die WBK als Investitionsbank Berlin in die LBB eingebracht. Mit diesem Vorgehen, das darauf abzielte, steuerfrei realisierte Eigenkapitalreserven aus dem Wirtschaftsförderungsgeschäft für die Bankgesellschaft nutzbar zu machen, provozierte das Land Berlin analog zum Fall WestLB eine Klage des Bankenverbands mittel- und ostdeutsche Länder, die letztlich zur Ausgründung der IBB aus der LBB im Jahr 2004 führte.

Massive Überbewertung der Berliner Bank

Von Seiten des Landes war zunächst eine Beteiligungsquote an der Holding von 80 Prozent bis 90 Prozent vorgesehen, letztlich konnten aber nur 67 Prozent realisiert werden. Ursächlich dafür dürften, neben einer entgegen ursprünglicher Planungen durchgeführten Barkapitalerhöhung, auch die im Rahmen der Konzerngründung angewendeten Bewertungsgrundsätze gewesen sein. Die Bewertung erfolgte durch die Prüfungsgesellschaften der Kreditinstitute sowie die Investmentbank Goldman Sachs, wobei der Vorgang von Konflikten zwischen BB und LBB geprägt war.

Kritik an den Bewertungsgrundsätzen

Nach Auffassung der BB war bei der Bewertung zu berücksichtigen, dass bei der LBB "(...) noch sehr viel investiert werden müsste, wenn die LBB sich einen neuen Markt erschließen würde."4) Im Ergebnis wurde bei der Landesbank für die mangelhafte Fungibilität ihrer Anteile ein Abschlag von neun Prozent vorgenommen, wodurch die Berliner Bank als wertvollste Gründungsgesellschaft galt. Das Verfahren hatte wohl auch zur Konsequenz, dass die BB 1994 über vier und die LBB nur über drei Vorstände im Konzern verfügte.

Die Bewertungsgrundsätze wurden vom Landesrechnungshof Berlin scharf kritisiert. Bei der LBB seien Vorteile, wie die gute Eigenkapitalausstattung und die Gewährträgerhaftung des Landes, nicht berücksichtigt worden. In der Tat ist anzuzweifeln, dass die Bewertung von Landesbank und Berliner Bank 1993 nach einheitlichen Kriterien erfolgte.

Dementsprechend kam der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zu dem Ergebnis, die BB sei, mit Folge eines gesteigerten Eigenkapitalausweises der Holding, massiv überbewertet worden.

Der vollständige Beitrag wird nach Erscheinen der letzten Folge zusammen mit einem umfangreichen Literatur- und Quellenverzeichnis als Diskussionsbeitrag Nr. 2008/1 des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin im Internet veröffentlicht. Vergleiche www.wiwiss.fu-berlin.de/verwaltung-service/bibliothek/diskussionsbeitraege/diskussionsbeitraege-wiwiss/2008/index.html.

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