Schwerpunkt G20-Gipfel

Der de-Larosière-Bericht - eine europäische Position zur Londoner G20-Konferenz

Anfang April werden die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder in London zum zweiten Mal in dieser erweiterten Runde zusammentreffen, um darüber zu beraten, wie man mittels koordinierten Maßnahmen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise entgegenwirken könne. Die Agenda der zweiten Gipfelkonferenz war bereits mit dem Abschlusskommuniqué vom ersten Treffen in Washington DC Mitte November 2008 festgezurrt worden.1) Auch die Londoner Konferenz soll vom Geiste global offener und wettbewerbsfähiger Märkte sowie vom kooperativen Verhalten der für die globale Wirtschaft wichtigen Staaten geprägt sein, also von ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse. Angesichts der Verschärfung der Finanz- und Wirtschaftskrise ist dies jedoch keine Selbstverständlichkeit.

Nachfragewirksame Maßnahmen versus vertrauensbildende Finanzmarktreformen

Bis zum Sommer 2008 konnte man bei einem gemäßigt positiven Wachstum der Weltwirtschaft noch davon ausgehen, dass der längst unvermeidlich gewordene Prozess der Enthebelung (Deleveraging) im aufgeblähten Finanzsystem sowie der Abbau extremer wirtschaftlicher Ungleichgewichte innerhalb von und zwischen den wichtigen Defizit- und Überschussländern in geordneten Bahnen verlaufen würde. Seit dem verschärften Vertrauensverlust am Interbankenmarkt, der mit dem Zusammenbruch der viertgrößten US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September 2008 einherging, ist dies jedoch fraglich geworden. Offen ist, ob der Schwerpunkt der Diskussionen auf der Londoner G20-Konferenz mehr bei den alsbald nachfragewirksam werdenden Krisenmaßnahmen oder bei den längerfristig angelegten, aber vertrauensbildenden Finanzmarktreformen liegen wird.

Unter den vielen offiziellen und privaten Vorschlägen im Vorfeld der Londoner G20-Konferenz verdient der Ende Februar veröffentlichte de-Larosière-Report besondere Aufmerksamkeit. Er wurde von der achtköpfigen The High-Level Group on Financial Supervision in the EU unter Leitung des früheren französischen Notenbankgouverneurs fertig gestellt.2) Zu den Mitgliedern gehört auch der frühere Chefvolkswirt der Bundesbank und anschließend der EZB. Die beiden EU-Generaldirektionen DG Internal Market und DG Economic and Financial Affairs leisteten Dienste. Die Gruppe hatte ihr Mandat im Oktober 2008 vom Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso,3) erhalten. Es deckt hauptsächlich drei Fragenkomplexe ab:

1) Wie die Aufsicht über die europäischen Finanzinstitutionen und Finanzmärkte am besten zu gestalten ist, um die Stabilität der Institutionen, das geordnete Funktionieren der Märkte und damit die Absicherung von Einlegern, Inhabern von Versicherungspolicen und Investoren zu gewährleisten;

2) wie die europäische Kooperation der für die Aufsicht zuständigen Gremien in Sachen Finanzstabilität, Frühwarnsysteme und Krisenmanagement gestärkt werden können, insbesondere bei grenz- und sektorübergreifenden Risiken;

3) wie die Aufsichtsbehörden in der EU mit den entsprechenden Gremien anderer führender Rechtssysteme kooperieren sollten, um zur Bewahrung der Finanzstabilität auf globaler Ebene beizutragen.

In den drei großen Politikfeldern (Kapitel II. bis IV.) werden insgesamt 31 detaillierte Einzel- oder Gruppenempfehlungen ausgesprochen.

Vielfältige Gründe für die globale Finanzkrise

Charakteristisch für die schlimmste Finanzkrise seit 1929 ist, dass sie nicht von irgendeiner peripheren Stelle her ihren Ausgangspunkt genommen hat, sondern von den USA, dem Zentrum des internationalen Finanzsystems. Die Gründe sind vielfältig.

Im Vordergrund des Berichts stehen volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen als Folge falscher Geld- und Währungspolitik der Zentralbanken, insbesondere in den USA, Fehler im Krisenmanagement und Versagen der für Finanzintermediäre und Finanzmärkte zuständigen Aufsichtsbehörden. So lauten die Eingangssätze im ersten Kapitel:4)

"Ample liquidity and low interest rates have been the major underlying factor behind the present crisis, but financial innovation amplified and accelerated the consequences of excess liquidity and rapid credit expansion. Strong macro-economic growth since the mid-nineties gave an illusion that permanent and sustainable high levels of growth were not only possible, but likely. This was a period of benign macroeconomic conditions, low rates of inflation and low interest rates ... Rather than in the prices of goods and services, excess liquidity showed up in rapidly rising asset prices. These monetary policies fed into growing imbalances in financial and commodity markets."

Dieses Erklärungs- und Schuldzuweisungsmuster setzt sich fort, wenn es um Themen geht wie: - Aufbau und Platzen der Hypothekenkreditblase in den USA und in einigen EU-Ländern;

- Aufbau riesiger globaler Ungleichgewichte als Folge der massiven Kreditexpansion in den USA, die durch Kapitalzuflüsse aus China und anderen Schwellenländern finanziert und durch eine merkantilistische Wechselkurspolitik einiger Überschussländer ermöglicht worden ist;

- Aufbau eines "Parallelbankensystems" mittels weitgehend unbeaufsichtigter Zweckgesellschaften, über die im Rahmen eines intransparenten OTD-Geschäftsmodells sogenannte Originator-Banken komplexe Kreditprodukte zweifelhafter Bonität und Liquidität im Markt platzierten, nicht zuletzt in Europa; Extreme Ausweitung der Hebelung (Leveraging) und leichte Verwundbarkeit des gesamten Finanzsystems wegen unzureichender Eigenkapitalpolster.

Fundamentale Fehler im Risikomanagement

Hinsichtlich des Risikomanagements spricht der Bericht ebenfalls von "quite fundamental failures in the assessment of risk, both by financial firms and by those who regulated and supervised them".5) Typisch auch der Vorwurf, dass Stresstests von Banken und Aufsichtsbehörden oft zu milde oder falsche Annahmen zugrunde gelegt wurden. Keine Bank oder Aufsichtsbehörde hat mit einem möglichen Totalausfall der Interbank- und CP-Märkte gerechnet. Das Liquiditätsrisiko wurde gröblich vernachlässigt und verwandelte sich in ein Solvenzrisiko. Die einflussreichen Ratingagenturen unterschätzten die Solvenzrisiken komplexer Kreditprodukte.

Der Hauptvorwurf an die Adresse der Bankengesetzgeber und Aufsichtsbehörden ist, dass sie die globale Größenordnung der übermäßigen Hebelung im Finanzsystem verkannt hätten. Sie hätten ihre Aufmerksamkeit zu sehr auf mikroprudenzielle Risiken einzelner Finanzinstitute gelenkt und dabei die makrosystemischen Risiken einer gegenseitigen Ansteckung von korrelierten Horizontalschocks vernachlässigt.

Politik und regulatorische Reformen

In Kapitel II geht der Bericht auf die notwendigen Änderungen der Regeln und Standards ein, die von den Finanzinstituten eingehalten werden müssen, damit die Finanzstabilität gewährleistet wird und ihre Kunden, die Nachfrager nach Finanzdienstleistungen, geschützt werden. Da die wichtigsten Probleme, die in der Finanzkrise aufgedeckt wurden, globaler Natur sind, soll auf die Empfehlungen, die sich ausschließlich auf eine echte Harmonisierung der Finanzregeln für den EU-Binnenmarkt beziehen, nicht näher eingegangen werden (Empfehlungen 6, 9 und 10).

In den Vordergrund stellt der Bericht die schädlichen Auswirkungen einer Geld- und Währungspolitik, insbesondere in den USA, die seit Mitte der neunziger Jahre global zu relativ niedrigen Zinsen und zu einer überreichlichen Liquiditäts- und Kreditversorgung führten. Sie veranlassten Investoren, Banken und andere Finanzinstitute damit zu einem übermäßigen Eingehen von Risiken, trieben die Preise von Sach- und Finanzwerten tendenziell in die Höhe und lösten letzten Endes die Finanzkrise aus. Eine wichtige Lehre sei, dass die Geldpolitik als Zielmarke nicht nur stabile Verbraucherpreise im Auge haben müsse, sondern auch die Geld- und Kreditentwicklung insgesamt. Sobald die Geld- und Kreditaggregate in einer exzessiven und unhaltbaren (unsustainable ) Weise stiegen, sollte die Geldpolitik graduell restriktiver werden. Eine weitere Lehre sei ferner, dass sich auch die EZB stärker mit den makroprudenziellen Aspekten der Bankaktivitäten auseinandersetzen müsse. Schließlich sei es geboten - indirekt vor allem an die USamerikanische Adresse gerichtet -, dass die "multilaterale Überwachung" des IWF effektiver und symmetrischer sein müsse, damit unhaltbar hohe (Leistungsbilanz-) Defizite nicht weiter fortgesetzt würden.6)

Grundlegender Handlungsbedarf

Die bestehenden regulatorischen Rahmenbedingungen seien in einigen wichtigen Aspekten fundamental zu verbessern. Von hoher Dringlichkeit werden angeführt:

Eigenkapital- und Liquiditätserfordernisse gemäß Basel II: Graduelle, aber substanzielle Anhebung der Mindestkapitalerfordernisse, unter anderem um makroprudenzielle Risiken abzudecken; Verringerung der Prozyklizität durch vorsorglichen Aufbau eines Kapitalpuffers in Zeiten der Hochkonjunktur; strengere Regeln für außerbilanzielle Risiken und für das Liquiditätsmanagement (Empfehlung 1);

Ratingagenturen: Registrierung und (in der EU) Überwachung; Überprüfung des Geschäftsmodells, Trennung von Ratings- und Beratungsfunktion; reduzierte offizielle Rolle für Aufsichtszwecke; separate Codes für strukturierte Kreditprodukte (Empfehlung 3); Rechnungslegung, insbesondere Bewertung zu Marktwerten (Mark-to-Market-Principle): Einschränkung bei Fehlen echter Marktwerte; ungelöste Bewertungsfragen bei "impaired assets"; Abgrenzung von Handelsbuch und Bankbuch; Verhältnis IASB zu Aufsichtsbehörden (Empfehlung 4);

Versicherungen: Endlich Einführung von Solvenz 2; Einführung von Aufsichtskollegien; Abstimmung zwischen Aufsichtsbehörden von Heimat- und Gastländern; Einführung von harmonisierten Versicherungsgarantiesystemen (Empfehlung 5). Noch dringlicher aus Sicht des Berichts ist die erstmalige Einführung von Regeln in jenen Finanzbereichen, die bislang weitgehend unbeaufsichtigt geblieben sind und für die sich der Begriff "Parallelbankensystem" eingebürgert hat: wie zum Beispiel bei Hedgefonds, Investmentbanken außerhalb von Bankholdings, Private Equity Fonds, Auslagerung von Bilanzteilen in Zweckgesellschaften und in einigen Ländern Hypotheken-Makler. Der Bericht spricht von verbesserten Aufsichtsregeln, erhöhten Eigenkapitalerfordernissen und verbesserter Transparenz, ringt sich jedoch bei irgendwie verbundenen Unternehmen leider nicht zur Forderung einer umfassenden konsolidierten Rechnungslegung ohne Rücksicht auf die gewählte Rechtsform durch (Empfehlung 7).

Hinsichtlich verbriefter und derivativer Finanzprodukte spricht sich der Bericht für zwei konkrete und sinnvolle Verbesserungen aus, nämlich für die Einrichtung eines gut kapitalisierten zentralen Clea-ring-Hauses für Credit Default Swaps (CDS) innerhalb der EU, um das Adressenrisiko (Counterparty Risk) wesentlich zu reduzieren, und für die Verpflichtung von Emittenten komplexer Wertpapierprodukte, einen signifikanten Teil davon unabgesichert bis zum Ende der Laufzeit in den Büchern stehen zu lassen. Ansonsten bleibt es bei dem allgemein gehaltenen Vorschlag, OTC-gehandelte derivative Produkte zu vereinfachen und zu standardisieren (Empfehlung 8).

Probleme der Entlohnung

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass das Fehlverhalten wichtiger "Stakeholder" zu den wichtigsten Ursachen der jetzigen Finanzkrise gehört. "It is clear that the financial system at large did not carry out its tasks with enough consideration for the long-term interest of its stakeholders".7) Problem ist jedoch, dass moralisches Fehlverhalten von unterschiedlichen Interessengruppen in der Unternehmensverfassung (Corporate Governance), wie das von leitenden Managern als Vertreter der Kapitaleigner (Agent-Prinzipal-Problematik) nur zum geringeren Teil durch bessere Aufsichtsregeln verhindert werden kann.

Der Bericht thematisiert die zentralen Probleme Entlohnung und Risikomanagement. Dabei geht es weniger um die Höhe als um die Struktur der Entlohnung (Remuneration) der Manager. Bonuszahlungen für den Bonus-Pool einer Handelseinheit sollten zum Beispiel nicht im Jahresrhythmus, sondern über einen Mindestzyklus von fünf Jahren berechnet und verzögert ausbezahlt werden. Dadurch ergibt sich auch die Möglichkeit, mögliche Verluste, die innerhalb dieser Zeitspanne auftreten, vom Bonus-Pool wieder abzuziehen. Da nur eine nachhaltige und besondere Leistung belohnt werden dürfe, könnten Bonuszahlungen nicht von vornherein vereinbart werden (Empfehlung 11). Das interne Risikomanagement müsse Stress-Tests und "Due Diligence"-Untersuchungen unabhängig von anderen Geschäftseinheiten durchführen können. Es beanspruche daher zu Recht einen sehr hohen Rang in der Hierarchie eines Finanzinstituts (Empfehlung 12).

Schließlich setzt sich der Bericht intensiv und kritisch mit dem unzulänglichen Ad-hoc-Krisenmanagement innerhalb der EU auseinander, das wie die Fiskalpolitik prinzipiell nationalbestimmt sei. Für grenzüberschreitende Finanzinstitute innerhalb der EU erweise sich daher der Mangel an konsistenten Instrumenten im Management von Krisen und ihrer Überwindung als ein großer Nachteil für die EU im Vergleich zu den USA.

Ähnlich äußerst kritisch beurteilt der Bericht die Situation bei der Vielzahl (34) unterschiedlicher und nicht harmonisierter nationaler Einlagensicherungssysteme, insbesondere bei Depositenbanken mit Zweigstellen und Tochterbanken in anderen EU/EWR-Ländern. Als höchst nachteilig habe sich erwiesen, dass Einlagensicherungssysteme bei einer Insolvenz großer und systemischer Finanzinstitute mangels ausreichender Kapitalisierung prozyklisch wirkten und ohne nationale Staatshilfe nicht auskämen. Ähnlich unzulänglich seien die hilfsweisen Vereinbarungen zur Lastenverteilung (Burden Sharing). Der jetzige Zustand "cannot be reconciled with the notion of a well-functioning Single Market".8) Daher sei die EU aufgerufen, ex ante kohärente, das heißt aufeinander abgestimmte und zugleich anwendbare Regeln für das Krisenmanagement zu entwickeln (Empfehlungen 13, 14, 15).

Institutionelle Reformen der Finanzaufsicht in Europa

Das im Kapitel III des Berichts vorgeschlagene Aufsichtssystem im EU-Bereich unterscheidet erstmalig zwischen der Makro- und der Mikroebene. Die Verantwortlichkeiten für jede Ebene werden institutionell klar festgelegt. Die Verantwortung für die mikroprudenzielle Überwachung von Finanzinstituten soll prinzipiell bei der nationalen Ebene verbleiben. Dies gilt auch für die Aufsicht über die großen Finanzinstitute, die grenzüberschreitend in mehreren EU-Mitgliedstaaten tätig sind. Damit soll die währungspolitische Unabhängigkeit der EZB gewahrt bleiben.

Immerhin wird vorgeschlagen, in zwei Stufen ein European System of Financial Supervisors (ESFS) einzurichten (Empfehlungen 18, 21 und 22). Organisatorisch stellt das ESFS ein dezentralisiertes Netzwerk dar.9) Es soll keinen Weisungen politischer Behörden unterliegen, diesen gegenüber jedoch zur Rechenschaft verpflichtet sein. Die nationalen Aufsichtsbehörden bleiben weiterhin für die routinemäßige Überwachung einzelner Institute und Institutsgruppen für ihren geografisch abgegrenzten Zuständigkeitsbereich verantwortlich.

Neu ist erstens, dass die bisherigen L3-Ausschüsse - CEBS, CEIOPS und CESR alsbald durch drei neue europäische Aufsichtsbehörden ersetzt werden sollen. Deren Aufgabe wird es sein, die Anwendung bankaufsichtlicher Standards zu koordinieren und eine enge Kooperation zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden sicherzustellen (Einzelheiten dazu in den Empfehlungen 19 bis 21). Zweitens sollen für die großen Finanzinstitute, die grenzüberschreitend in mehreren EU-Staaten tätig sind, bis Ende 2009 sogenannte Aufsichtskollegien (Colleges of supervisors) gebildet werden.

Überprüfung nach drei Jahren

Immerhin wird schließlich empfohlen, dass drei Jahre nach Einführung des ESFS untersucht werden soll, ob die drei neuen europäischen Aufsichtsbehörden auf zwei Institutionen reduziert und mit weiteren Aufgaben auf europäischer Ebene betraut werden können. Die erste Behörde könnte dann für Banken und Versicherungsunternehmen und alle sonstigen Fragen der Finanzstabilität zuständig sein, die zweite für Finanzgeschäfte und alle Probleme im Zusammenhang mit dem Funktionieren der Finanzmärkte (Empfehlung Nr. 24).

Viel weitergehender ist der Vorschlag, Fragen der neu definierten makroprudenziellen Aufsicht institutionell von vornherein der europäischen Ebene anzuvertrauen. Zuständig soll ein neu gegründeter Europäischer Rat für Systemrisiko sein (European Systemic Risk Council, ESRC), der den bisherigen für die Bankenaufsicht zuständigen Ausschuss der EZB (BSC) ablöst (Empfehlungen 16 und 17). Eine Kernfunktion des ESRC, in Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss (EFC), wird die Errichtung eines makroprudenziell ausgerichteten Frühwarnsystems sein.

Der ESRC wird vom Präsidenten der EZB geleitet und logistisch von der EZB als dem Herzstück des Europäischen Systems der Zentralbanken unterstützt. Er setzt sich zusammen aus den Mitgliedern des Allgemeinen Rates der EZB (Präsident, Vizepräsident und 27 Notenbankgouverneure), den drei Vorsitzenden von CEBS, CEIOPS und CESR sowie einem Vertreter der Europäischen Kommission. Ein Notenbankgouverneur kann sich durch den Leiter der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde vertreten lassen.

Reformvorschläge auf der globalen Ebene

Eine stärker integrierte und reformierte EU hat Aussicht, im transatlantischen und globalen Politikdialog gestaltend einzugreifen. Umgekehrt gilt aber auch, dass die Reformmaßnahmen in der EU wegen der Interdependenzen in der globalisierten Weltwirtschaft nur dann Aussicht auf Erfolg haben können, wenn parallel dazu eine Reform der Internationalen Finanzarchitektur vorangetrieben wird (Kapitel IV).

Symptomatisch ist auch, dass die zweite Gipfelkonferenz in London ad hoc im Rahmen der G20 stattfindet, also außerhalb der traditionellen internationalen Institutionen oder der Gruppe der sieben führenden Industrieländer. Darin kommt zum Ausdruck, dass die vorhandenen internationalen Institutionen nicht ausreichend repräsentativ und/oder mit unzulänglichen Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet sind, um der jetzigen Krise angemessen zu begegnen.

Dementsprechend schlägt der Bericht in diplomatischer Sprache vor, das bestehende Financial Stability Forum (FSF) kräftig aufzuwerten (Empfehlungen 25 und 26). Zum einen soll das FSF, zusammen mit dem regel- und standardsetzenden Basel Committee of Banking Supervisors, beauftragt werden, die Konvergenz der internationalen Finanzregeln auf ein höchstes Niveau anzuheben. Zum anderen sollen in dem FSF alle systemisch wichtigen Länder und die Europäische Kommission vertreten sein. Es soll dem International Monetary and Financial Committee (IMFC), der seinerseits zu einem entscheidungsbefugten Rat aufgewertet werden soll, laufend Bericht erstatten über die Durchsetzung regulatorischer Reformen, mit denen die notwendigen Schlussfolgerungen aus der jetzigen Finanzkrise gezogen werden sollen. Schließlich soll das FSF, ähnlich wie die koordinierende Rolle des ESFS für die im EU-Rahmen zuständigen Aufsichtskollegien, dafür sorgen, dass sich die für die weltweit tätigen Finanzgruppen neu zuständigen Aufsichtskollegien an die höchsten globalen Standards (Best International Practice) halten.

Neues Frühwarnsystem

Ein reformierter IWF soll ferner ein neues Frühwarnsystem zur Aufrechterhaltung der Finanzstabilität entwickeln, in Zusammenarbeit mit allen interessierten Gremien: dem FSF, der BIZ in Basel, den Zentralbanken und dem neuen ESRC (European Systemic Risk Council). Bei Erreichen vorherbestimmter Gefahrenzonen soll der IWF den politischen Entscheidungsträgern sogar Präventivmaßnahmen im Sinne von "pre-emptive policy responses" vorschlagen können. Beizupflichten ist auch der Forderung, dass sich alle IWF-Mitgliedsländer verpflichten, den IWF bei seinen unabhängigen Analysen zu unterstützen, vor allem im Rahmen der Financial Sector Assessment Programmes (Empfehlung 27). Dies ist nicht zuletzt eine Spitze gegen die USA, die sich in der Vergangenheit oft nicht an die Empfehlungen des IWF gehalten oder solche Empfehlungen von vornherein vereitelt haben.

An die Adresse der EU-Mitgliedstaaten gewandt ist die umstrittene, aber verständliche Forderung, den IWF bei seiner makroökonomischen Überwachung zu unterstützen, die Ressourcen des IWF signifikant zu erhöhen und im Rahmen einer grundlegenden institutionellen Reform des IWF (und anderer multilateraler Foren) die Vertretung der EU-Länder zu konsolidieren, sprich ihre Stimmanteile zu verringern (Empfehlungen 29 und 30).

Auf weitestgehende Zustimmung dürfte dagegen die Forderung stoßen, wenig regulierte oder "unkooperative" Jurisdiktionen (Offshore-Finanzzentren, Steueroasen) durch international koordinierte restriktive Maßnahmen - nicht zuletzt durch die Androhung, einzelne Länder auf bestimmte Schwarze Listen zu setzen - zur Anerkennung von international anerkannten Mindeststandards zu zwingen (Empfehlung 30). Fußnoten

1) Declaration of the Summit, PA Bundesbank Nr. 48 vom 19. November 2008

2) http://ec.europa.eu/internal_market/.

3) Report Annex I, Seite 69, a.a. O.

4) Report Seite 7, a.a. O.

5) Report Seite 8, a.a. O.

6) Report Seiten 14 f, a.a. O.

7) Report Seite 30, a.a. O.

8) Report Seite 34, a.a. O.

9) Summary of Report, Seiten 11 f und Report Seite 48, a.a. O.

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