Gespräch des Tages

Derivate - Ein ständiges Für und Wider

Der Zeitpunkt für den Start einer Meldepflicht der Banken ihrer OTC-Derivate-Geschäfte an zugelassene Transaktionsregister steht jetzt fest. Die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde European Securities and Markets Authorithy (ESMA) hat zum 14. November 2013 vier Unternehmen als Transaktionsregister lizenziert (siehe auch Börsen, Seite 1157). Damit wird das Reporting für die fünf Assetklassen Kredit-, Zins-, Währungs-, Rohstoff- und Aktien-Derivate zum 12. Februar 2014 verpflichtend. Die Transaktionsregister sollen Informationen über Brutto- und Nettopositionen von Derivaten sowie über Verflechtungen von Marktteilnehmern liefern können - und dadurch helfen, mögliche Risiken für das breitere Finanzsystem aufzudecken. Die neueste Entscheidung der ESMA ist eine unter den zahlreichen Maßnahmen, mit denen die im Jahr 2009 auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh getroffenen Vereinbarungen zur Regulierung der Derivatemärkte umgesetzt werden. Ihr Ziel: mehr Transparenz und Stabilität. In der Europäischen Union laufen diese im Wesentlichen über zwei Instrumente: die European Market Infrastructure Regulation (EMIR) sowie die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID 2). Mit Letzterer wird sich das Europäische Parlament in seiner Plenarsitzung am 9. Dezember dieses Jahres nochmals befassen.

Dass bei der Regulierung zunächst die bilateral (und nicht die börslich) gehandelten Derivate im Vordergrund stehen, ist sowohl deren Unübersichtlichkeit als auch ihrem großen Anteil am Gesamtmarkt geschuldet. Das Volumen aller weltweit gehandelter Derivate betrug zum Jahresende 2012 rund 685 Billionen US-Dollar, davon machten die ausstehenden OTC-Kontrakte 633 Billionen US-Dollar aus. Von welchen Verträgen tatsächlich eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems ausgeht, muss analysiert werden, wenn Bemühungen zur Verbesserung der Markttransparenz Früchte tragen. Fest steht aber, dass gerade an dieser Stelle Differenzierung nottut. Derivate sind eben nicht nur Teufelszeug, sondern in zahlreichen Teilen der Finanzwirtschaft zur Absicherung grundsätzlicher Risiken im Kredit-, Zins- und Währungsbereich nützlich und wichtig (siehe dazu auch die Beiträge in ZfgK 4-2013). Und auch für die Privaten können sie in einer ausgesprochenen Niedrigzinsphase durchaus ihre Berechtigung bei der Erweiterung des Anlagehorizontes haben. Der deutsche Zertifikatemarkt (für Private) hatte im August dieses Jahres immerhin ein Gesamtvolumen von rund 92 Milliarden Euro.

Einen Beitrag zu der Debatte für oder gegen Derivate leisten aktuell auch Alessandro Beber, Finanzprofessor an der Cass Business School der City University of London, und Christophe Pérignon, Finanzprofessor an der HEC Paris beispielhaft für die Vermögensverwaltungsbranche. In der Asset-Management-Industrie, besonders bei europäischen Investmentfonds, ist der Einsatz von Derivaten für das Risikomanagement weit verbreitet, so die Bestandsaufnahme der Wissenschaftler. Bei einem Verbot von Derivaten könnten Investmentfonds zwar weiterhin diese Aktivitäten zur Begrenzung des Risikos durchführen, sie müssten aber dabei mit höheren Transaktions- und Betriebskosten rechnen.

In den Augen der Forscher könnten Fondsmanager durch die erhöhten Kosten dazu verleitet werden, diese Risikomanagement-Aktivitäten nicht durchzuführen, was zu suboptimalen Risiko-Rendite-Profilen führen würde, die letztlich den Investor teuer zu stehen kommen. Besonders für kleinere Vermögensverwalter würde sich ein solches Verbot äußerst nachteilig auswirken, da sie sich nicht auf große Skaleneffekte bei der Umsetzung von alternativen Risikomanagement-Strategien verlassen können. Bei der Vervollständigung der Regulierung im Bereich der Derivate, die man derzeit durchaus als unvollendetes Puzzle bezeichnen darf, müssen alle Aspekte dieses komplexen Themas berücksichtigt werden.

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