Schwerpunkt

Erleichterte Rückkehr in den Markt durch flexibles Risiko-Overlay

Viele institutionelle Investoren hätten sich gewünscht, ihr Vermögen im Jahr 2008 besser gegen Kursverluste geschützt zu haben. Es war das Jahr, in dem das Unwahrscheinliche und dennoch Mögliche Wirklichkeit wurde: Fast alle weltweiten Märkte mussten blitzartige und drastische Kurseinbrüche hinnehmen. Korrelationen und Risiko-Renditeverhältnisse unterschiedlicher Anlageklassen, die zur Gestaltung der Strategischen Asset Allocation herangezogen wurden, entsprachen über Monate hinweg nicht mehr den zugrunde liegenden Annahmen.

Absicherungssystematik verbessern

Viele Marktteilnehmer sind sich einig, dass solche Perioden besonders ausgeprägter und plötzlich auftretender Abwärtsbewegungen auch in Zukunft auftreten werden. Somit müssen sie in die Planung und das Risikomanagement von großen institutionellen und privaten Vermögen mit einbezogen werden.

2009 hingegen wurde zwar auf einigen Märkten ein Teil der Verluste wieder aufgeholt, aber es zeigten sich sehr deutlich die Schwächen traditioneller Absicherungstechniken. Gerade wenn es um einen zeitnahen Wiedereinstieg in Märkte oder um die Auflösung der Absicherung ging, waren die traditionellen Ansätze zum Teil wenig hilfreich und haben hohe Opportunitätskosten in Form von entgangenen Kurschancen verursacht.

Ziel eines modernen Risikomanagementansatzes muss es sein, sowohl extreme Stressszenarien der Kapitalmärkte in die Absicherungssystematik einzubeziehen als auch eine mittelfristige "Gefangenschaft" des Vermögens in der Absicherung zu vermeiden. In die Handlungsstrategie müssen antizyklische Elemente mit einbezogen sein, also spezielle Signale, die Aufwärtsphasen zum Aufbau neuer Risikobudgets nutzen und somit auch die Opportunitätskosten deutlich reduzieren.

Grenzen traditioneller Absicherungstechniken

Ein einfaches und bewährtes Mittel der Risikominimierung ist die Diversifikation des Vermögens über mehrere Assetklassen, Regionen oder Währungen. Dieser positive Effekt der Diversifikation ist allerdings auf mittel- oder langfristige Betrachtung beschränkt. In kurzfristig auftretenden Extremsituationen wie 2000 bis 2002 und 2008/2009 bietet Diversifikation nur bedingt einen Schutz. Fast alle Vermögensklassen korrelierten untereinander sehr stark und verloren wie gleichgeschaltet an Wert. Traditionelle Techniken wie Stop-Loss-Methoden berücksichtigen jedoch einseitig die Risikoseite und lassen die Frage nach Marktwiedereinstieg und Kosten der Absicherung im Sinne der erwähnten Opportunitätskosten unbeantwortet.

Besonders bei institutionellen Anlegern mit strengen aufsichtsrechtlichen und portfoliobezogenen Vorgaben wie zum Beispiel Versicherungen oder Altersvorsorgeeinrichtungen lassen sich moderne Verfahren des Risikomanagements erfolgreich einsetzen. Große institutionelle Portfolios von Anlagestiftungen, Versorgungswerken oder Industrieunternehmen sind in der Regel in Teilvermögen strukturiert, die jeweils von spezialisierten Asset Managern mit vielfältigen Benchmark- und Renditevorgaben verwaltet werden. Häufig sehen sich die Asset Manager mit den doppelten Anforderungen seitens der Investoren konfrontiert: einerseits die definierte Benchmark - häufig in Form von Marktindizes - nach Kosten zu schlagen, andererseits einen Verlust zu vermeiden beziehungsweise eine (positive) Mindestrendite zu erzielen.

Die langjährigen Erfahrungen zeigen, dass die meisten Asset Manager hier überfordert sind. Durch die Koppelung beider Ziele wird verkannt, dass Renditeerzielung und Risikosteuerung unterschiedliches Knowhow sowie unterschiedliche Modelle, Systeme und Techniken erfordern.

Moderne Risikosteuerungsverfahren basieren auf einer konsequenten Trennung zwischen dem Portfolio- und dem Risikomanagement. Sie übertragen die Risikosteuerung auf einen zusätzlichen externen Spezialisten und entbinden die einzelnen Vermögensverwalter von dieser Aufgabe.

Diese Trennung ermöglicht, dass auch Vermögensverwalter eingesetzt werden können, die durch ihr spezifisches Know-how eine Mehrrendite über Marktindizes wie zum Beispiel Eurostoxx erzielen können, aber in negativen Marktphasen auch Verluste produzieren. Die Risikoabsicherung für das Gesamtportfolio erfolgt zentral durch den Risikomanager, der nie direkt in das Management der einzelnen Vermögensverwalter oder in die vereinbarte Strategische Asset Allocation eingreift, sondern ausschließlich das Gesamtrisiko des Portfolios im Blick hat. Durch die Konzentration des Risikomanagements entsteht zudem ein Effizienz- und Kostenvorteil für den Investor (Abbildung 1).

Praktische Umsetzung des Risiko-Overlays

Die separierte Risikosteuerung ist, wie in Abbildung 1 dargestellt, relativ einfach zu strukturieren und ohne Einsatz von hohen Vermögensanteilen umsetzbar. Dementsprechend wird ein Subsegment beziehungsweise Teilvermögen für das Risiko-Overlay eröffnet. Das hierfür notwendige Volumen von rund fünf Prozent des Vermögens reicht aus, um das Gesamtrisiko des Portfolios durch liquide Finanzinstrumente wie etwa Futures zu steuern und gegebenenfalls auch zu 100 Prozent abzusichern. In diesem Kontext handelt es sich bei den Future-Positionen nicht um Spekulations-, sondern um aufsichtsrechtlich anerkannte Absicherungsinstrumente.

Die wichtigste Voraussetzung für eine effiziente Umsetzung des Risiko-Overlays ist die exakte Erfassung aller relevanten Risiken im Gesamtportfolio sowie deren laufende Kontrolle und Anpassung. Hierzu soll der Risikomanager gemeinsam mit dem Investor ein Risikomapping vornehmen und die Abläufe unter Berücksichtigung von möglichen operationellen Risiken detailliert definieren. Dem Investor obliegt es, eine angemessene Wertuntergrenze gemeinsam mit dem Risikomanager zu definieren. Zudem soll festgelegt werden, ob und in welcher Form eine Gewinnsicherung - zum Beispiel in Form von regelmäßigem Anheben der Wertuntergrenzen - eingebaut werden soll.

Risikoabsicherung durch taktisches Regelwerk

Die tägliche Arbeit und Fähigkeit des Risikomanagers zeigt sich in der dynamischen Steuerung des Absicherungsgrades. In Marktaufwärtstrends sollte die Absicherung möglichst selten und gering sein, damit Wertsteigerungen voll wirksam werden. In Marktabwärtstrends sollte sie dagegen möglichst zügig und hoch sein, um mögliche Kursverlusten zu vermeiden. Eine dynamische Risikosteuerung muss jederzeit auf die Vereinbarkeit beider Hauptziele institutioneller Investoren (Rentabilität und Sicherheit) abgestimmt sein. Gute Risikomanager unterscheiden sich von den weniger guten durch die Qualität ihres Regelwerks. Dieses lässt sich nicht einfach errechnen, sondern basiert auf Erfahrung im Umgang mit Risiken und sollte auch Handlungsvarianten für Stressszenarien sowie antizyklische Elemente beinhalten.

Antizyklik und Budgettrennung

Gängige dynamische Wertsicherungsansätze wie das CPPI oder Value-at-Risk-Ansätze sind grundsätzlich prozyklischer Natur und entfalten ihre Stärken in trendbehafteten Märkten. In ausgeprägten Korrekturphasen schaffen diese Ansätze einen Mehrwert durch die Reduzierung von Intensität und Dauer von Verlustphasen im Vergleich zu ungesicherten Vermögen. Dadurch sorgen sie für einen substanziellen Vermögenserhalt.

Bei schnellen Trendwechseln haben diese Ansätze dagegen aufgrund ihres zyklischen Charakters Probleme und verharren zu lange in der Absicherung. Besonders ungünstig ist es, wenn das Portfolio durch den Verbrauch des gesamten Risikobudgets vor einem Kursanstieg - wie zum Beispiel im März 2003 oder März 2009 - voll abgesichert ist. Einige Risikomanager waren so im Jahr 2009 in die "Absicherungsfalle" gelaufen und konnten daher nicht mehr am Kursanstieg partizipieren.

Diese Schwachstellen muss ein moderner und dynamischer Risikosteuerungsansatz aufgreifen, indem der Prozess um antizyklische Elemente erweitert und so der Marktwiedereintritt sichergestellt wird. Elementar für den Einsatz antizyklischer Elemente ist ein intelligenter Umgang mit dem durch den Investor vorgegebenen Risikobudget. Einen Zustand des vollständigen Budgetverbrauchs - auch ein Problem traditioneller Systeme - gilt es unbedingt zu vermeiden. Dies lässt sich innerhalb des Gesamtprozesses über eine systematische Budgettrennung lösen. Hierbei wird das Risikobudget nicht dem gesamten Portfolio zugeteilt, sondern das Risikopotenzial jeder Assetklasse einzeln überwacht, gemanagt und entsprechende Absicherungsentscheidungen getroffen.

Im Stressfall müssen demzufolge nicht alle Assetklassen abgesichert werden, sondern nur die wirklich gefährdeten. Dies vermeidet Kosten unnötiger Absicherungen und verbaut darüber hinaus nicht den Weg für die Nutzung von Chancen in den übrigen Assetklassen. Beispielsweise konnten erfolgreiche Risiko-Overlay-Modelle im Jahr 2008 von den positiven Entwicklungen im Bereich der Staatsanleihen profitieren (Abbildung 2 und Tabelle).

Handlungsmöglichkeiten zum Wiedereinstieg sicherstellen

Als Erweiterung kann ein Budgettransfermechanismus eingebaut werden, um in einer abgesicherten Assetklasse - wie zum Beispiel Aktien Euroland im Jahr 2009 - einen selbstständigen Wiedereinstieg in den Markt zu erleichtern. Damit wird sichergestellt, dass der Investor nicht zu lange in der Sicherung gefangen bleibt und somit schnell neue Chancen nutzen kann.

Angesichts zunehmend schwankungsanfälliger und nervöser Märkte ist der Einsatz eines spezialisierten Risikomanagers sinnvoll. Ein dynamischer Absicherungsansatz hat den Vorteil, das Vermögen mit einem faradayschen Käfig zu ummanteln, bevor der Blitz einschlägt. Aber nur in der Kombination mit Handlungsmöglichkeiten zum Wiedereinstieg lassen sich anspruchsvolle Renditeziele und Risikovorgaben gleichzeitig erreichen.

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