Gespräch des Tages

Europäische Währungsunion - You can't have it all

Es waren klare Botschaften, die Jörg Asmussen vor der versammelten Journalistenrunde des Internatio nalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten so kurz vor Weihnachten sendete. "Die Wirtschafts- und Währungsunion ist ein unvollendetes Projekt, das es zu vollenden gilt." "Die Verpflichtung zu Strukturreformen in einzelnen Ländern muss verbindlicher gemacht werden und in einem mehrere Jahre laufenden Vertrag festgehalten werden." "Es macht keinen Sinn, zwischen guten und schlechten Defiziten zu unterscheiden." "Souveränität muss geteilt werden." "Für das Gelingen müssen Verträge geändert werden, auf EU-Ebene und in den Mitgliedsländern." "Kontrolle und Monitoring müssen bei europäischen Institutionen angesiedelt werden." "Die Rolle des EU-Parlamentes muss gestärkt werden.""Wer 2013 auf den Austritt eines Eurolandes aus der Währungsunion setzt, wird wieder falsch liegen." "Ich bin dagegen, die Anleihekäufe fortzusetzen, wenn ein Land die Auflagen nicht erfüllt." "Die EZB muss politischer argumentieren und politischer agieren, denn sie muss Bürgern und Investoren Orientierung in Bezug auf die künftige Entwicklung des Euroraums geben."

So ganz neu ist das alles im Kern natürlich nicht, man hat ähnlich Grundsätzliches schon von Helmut Kohl, von Wim Duisenberg und anderen hochrangigen Notenbankern und Politikern in der Vergangenheit gehört. Aber in den Worten des deutschen EZB-Direktoriumsmitglieds schwang eine erfrischende Deutlichkeit und eine beruhigende Überzeugung mit. Das mag auch daran liegen, dass der langwierige Prozess auf dem Weg von einer Währungsunion hin zu einer politischen Union durch den Gipfel Mitte Dezember 2012 neuen Schwung bekommen hat, auch wenn die Schlussfolgerungen sicherlich nicht die endgültige Vision für das künftige Europa sind.

Aber es klingt bei Asmussen doch durch, dass die Bereitschaft der Staats- und Regierungschefs gewachsen sei, zugunsten Europas auf nationale Rechte zu verzichten. Gleich zeitig warnt der EZB-Direktor vor überzogenen Erwartungen. Der Weg sei langwierig und ein mehrstufiger Prozess. Unabdingbar sind dafür einerseits die Schaffung eines funktionierenden Bankensystems sowie die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder als Basis eines funktionierenden Binnenmarktes. Letzteres in der Vergangenheit ausgeklammert zu wissen, ist für Asmussen einer der entscheidenden Konstruktionsfehler der bisherigen Währungsunion.

Um eine Stabilisierung des Bankensystems zu erreichen, plädiert der Notenbanker für direkte Hilfen für die systemrelevanten Institute durch den ESM, allerdings erst am Ende eines mehrstufigen Prozesses. Nachdem der tatsächliche Kapitalbedarf von einer unabhängigen Stelle ermittelt und die Aussicht auf Überlebensfähigkeit geprüft worden sei, müssten zunächst alle Mittel des privaten Sektors ausgeschöpft werden. Reicht das nicht aus, müssten Mittel aus einem durch Beiträge der Banken finanzierten Abwicklungsfonds herangezogen werden. In der dritten Stufe sieht Asmussen das Heimatland des betroffenen Instituts in der Pflicht, und nur als Ultima Ratio würden Mittel des ESM fließen. In diesem Zusammenhang mache auch die Ansiedlung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und des Restruktierungsfonds beim ESM Sinn.

Dass nicht alle zu den Gewinnern auf dem Weg zu einem neuen Europa gehören können, dass nationale Parlamente auf Souveränitäten ebenso verzichten müssen wie Menschen auf erworbene und verdiente Annehmlichkeiten, dass Versicherungen als Anteilseigner von Banken im Insolvenzfalle ebenso herangezogen werden wie Eigentümer "gewöhnlicher" Betriebe und damit natürlich auch ein Großteil der Bundesbürger von Bankpleiten auch in Zukunft betroffen sein kann, all das darf die Erbauer des großen Ganzen nicht vom Weg abbringen. You can't have it all!

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