Aufsätze

Finanzierungsrisiken mit Equator Principles senken

Seit etwa sieben Jahren nehmen sich immer mehr Banken-Gruppen in die Pflicht, bei Projektfinanzierungen im Ausland auf die Einhaltung besonderer Umwelt- und Sozialstandards zu achten. Dabei sollen potenziell negative Auswirkungen von Finanzierungsprojekten auf Gesellschaft und Umwelt besser eingeschätzt, reduziert beziehungsweise vermieden werden. Durch die Internationalisierung und Verlagerung von Produktionsstätten und die Errichtung komplexer Energietechnologien in Schwellen- oder Entwicklungsländer steigen die Anforderungen, die Finanzierungsrisiken einzustufen. Darüber hinaus gilt es, vor Ort herrschenden Umwelt- und Sozialstandards mit dem Investitionsprojekt in Einklang zu bringen. Derzeit haben 67 Banken weltweit das freiwillige Regelwerk unterschrieben, darunter zwei deutsche Banken - WestLB und KfW Ipex-Bank. Bis Ende 2010 plant auch die DZ Bank ihren Beitritt zu den Equator Principles (EP), wobei die Bank bereits Nachhaltigkeitsaspekte bei der Kreditvergabe und der Projektfinanzierung im Anlagegeschäft auf der Basis des UN Global Compact und der EP berücksichtigt.

Wachstum versus Umweltschutz

Hinzu kommt ein Dilemma: Das zunehmende Bewusstsein für Umwelt- und Ressourcenschutz in Wachstumsregionen wie China kollidiert mit den ökologischen Folgen der immensen Infrastrukturprojekte. Mit Blick auf den Klimagipfel in Kopenhagen hat sich China, einer der größten CO2-Emittenten der Welt, zum Ziel gesetzt, bis 2020 den Kohlendioxidausstoß im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt um bis zu 45 Prozent gegenüber 2005 zu verringern. "Wir brauchen alle zwei Jahre ein Drei-Schluchten-Projekt, wenn wir uns dem Klimawandel stellen wollen", sagt Jia Jinsheng, Präsident der International Commission on Large Dams. Selbst Chinas Zentralregierung hat begonnen, dem Drei-Schluchten-Stausee kritisch gegenüberzustehen: Der steigende Wasserspiegel löse Erdrutsche aus, gefährde Menschen und erfordere Massenumsiedlungen.

An Negativbeispielen mangelt es nicht. Der Bau des umstrittenen Ilisu Staudamms in der Türkei würde dazu führen, dass ein Stausee von über 300 Quadratkilometern entsteht, der die Umsiedlung von rund 40000 Menschen erforderlich machen würde. Dabei wären die archäologisch bedeutende antike Stadt Hasankeyf (700 Jahre vor Christus) und die Höhlen aus der Steinzeit überflutet worden. Nachdem Deutschland, die Schweiz und Österreich aufgrund nicht erfüllten Umwelt- und Kulturgüterschutzauflagen ihre Kreditbürgschaften in Höhe von 450 Millionen Euro zurückgezogen haben, kamen die Planungen in 2009 zum Erliegen. Im Mai dieses Jahres wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen. Finanziert wird das Projekt durch die türkischen Banken Akbank und Garantibank.

Damit sichergestellt werden kann, dass sich Projekte sozialverträglich und umweltgerecht entwickeln, werden bei großen Investitionsvorhaben verstärkt Projektfinanzierungen gemäß den Richtlinien der EP angewendet. Galten die EP früher erst bei Projektfinanzierungen ab 50 Millionen US-Dollar, ist die Grenze seit 2006 auf zehn Millionen US-Dollar abgesenkt worden. Dies hat dazu geführt, dass deutlich mehr Projekte unter Berücksichtigung der EP finanziert werden. Zu den eigenen Risikomanagement-Systemen der Banken, die verstärkt ökonomische, ökologische und soziale Faktoren der Nachhaltigkeit berücksichtigen, sind die branchenspezifischen Kriterienkataloge der EP eine wichtige Ergänzung. Bei großen Finanzierungskonsortien mit Beteiligung von Instituten, die sich den Kriterien der EP verpflichtet haben, steigt der Druck auf die Konsortialpartner, ihre Finanzierungspraxis ebenfalls an den EP-Standards auszurichten.

Hauptkriterien der Equator Principles

Im Mittelpunkt der zehn Prinzipien steht die Überprüfung der Risikoeinstufung des jeweiligen Projekts. Berücksichtigt werden unter anderem die Menschenrechte, die Arbeitssicherheit und die damit verbundenen Sozial- und Umweltstandards. Basis hierfür sind die von der Weltbank-Tochter International Finance Corporation (IFC) erarbeiteten Performance Standards.

Darüber hinaus fließen auch die Standards der International Labour Organization (ILO) in die Prinzipien ein. Weil sich die Kriterien der jeweils zugrunde liegenden Prinzipien auf ein relativ niedriges Mindestmaß an Anforderungen beschränken, sind sie vor allem für Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern relevant. Mittlerweile werden hierbei rund Dreiviertel dieser Finanzierungen auf Grundlage der EP vergeben.

Für Kreditgeber liegt ein wesentliches Risiko darin, dass die Kreditnehmer Umwelt- und Sozialstandards missachten. Daher werden Projekte auf Basis der IFC-Auswahlkriterien hinsichtlich ihrer möglichen ökologischen und sozialen Auswirkungen in drei Kategorien eingeteilt.

Risikokategorisierung und Strategische Umweltprüfung

Die größten Risiken gehen laut EP von Projekten der Kategorie A aus. Sie haben signifikante, oft irreversible Auswirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft. Dazu zählen zum Beispiel Kraftwerks-, Pipeline-, Flughafen- und Bergbauprojekte. Für die A-Kategorie muss eine Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden, in der die Umweltauswirkungen des Projekts untersucht und die Gesetzeskompatibilität mit dem betroffenen Land abgeglichen wird. Gemäß den EP sind beispielsweise Kinder- und Zwangsarbeit verboten. Die Standards und Richtlinien der EP decken auch sensible Themen wie die Umsiedlung von Menschen beim Bau von Staudämmen ab. Zudem werden Umweltaspekte wie Mülltrennung, Bodenkontamination und Schutz von Gesundheit, Kulturgütern und gefährdeten Spezies (Biodiversität) berücksichtigt. Brandschutz, Arbeitssicherheit, Einhaltung der Menschenrechte, Schutz der Gesundheit sowie die Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung gehören ebenfalls zu den geprüften Kriterien.

Zur Operationalisierung und Überprüfung, ob Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden, ist der Kreditnehmer für alle Vorhaben der Kategorie A nach den EP verpflichtet, auf Grundlage der Strategischen Umweltprüfung (SUP) einen Umweltmanagementplan zu erstellen. Darin wird beschrieben, wie die festgestellten ökologischen und sozialen Risiken abgemildert, gehandhabt und überwacht werden können. Mit Hilfe eines Managementsystems werden die Auswirkungen, Risiken und Korrektivmaßnahmen des Projektes so gesteuert, dass die maßgebenden Gesetze des Gastlandes erfüllt werden.

Im Unterschied zur Kategorie A umfasst die Risikostufe B Projekte, bei denen Umwelt- und soziale Wirkungen auftreten können, die aber normalerweise nach dem Stand der Technik beziehungsweise mit Standardlösungen durch geeignete Maßnahmen abgemildert werden können. Die Anforderungen an den Darlehensnehmer sind demnach weniger streng. Beispiele für Projekte dieser Kategorie sind etwa Entsorgungseinrichtungen für Abwasser und Abfall sowie Vorhaben, die zum Beispiel Holzverarbeitung, Metallverarbeitung und Textilproduktion betreffen.

In der Kategorie C sind keine oder nur minimale gesellschaftliche oder Umweltauswirkungen zu erwarten, etwa Lieferungen von Investitionsgütern wie Maschinen und elektrotechnische Erzeugnisse, deren Einsatz nicht mit besonderen Umweltbeeinträchtigungen verbunden ist.

Auswirkungen auf das Risikomanagementsystem

Mit Anerkennung der EP verpflichten sich die beteiligten Finanzinstitute, ökologische und soziale Belange in ihre Geschäfts- und Risikosteuerungsprozesse zu integrieren. Projekte, die mit einem hohen Risiko eingestuft wurden, sind unabhängig zu begutachten. Damit kann die frühzeitige und von einer unabhängigen Institution durchgeführte Bewertung der Umwelt- und Sozialschutzmaßnahmen einen wirkungsvollen Beitrag zum Risikomanagement leisten.

Als Beispiel für projektspezifische Prüfkriterien auf Basis der EP dienen die 189 Kfz-Prüfstellen, die TÜV Türk in der Türkei errichtet hat. Die TÜV Süd Industrie Service GmbH hat im Auftrag der Hypovereinsbank stichprobenartig bei acht dieser Prüfstellen eine Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den EP durchgeführt. Risiken für die Umwelt, die aus dem Bauvorhaben und dem geplanten Technikeinsatz entstehen können, sind umfassend eingeschätzt und damit das Kreditausfallrisiko in allen Phasen des Projekts minimiert worden. Basierend auf den EP wurde eine Checkliste mit 140 Kriterien erstellt, die im Rahmen eines Vor-Ort-Audits abgeprüft wurden.

Ein wesentliches Element der Anforderungen war die Einhaltung der Performance- und Sicherheitsstandards der IFC. Darüber hinaus wurden zusätzliche Umweltstandards berücksichtigt, die bisher noch nicht in vollem Umfang von den EP abgedeckt werden, die jedoch einen zusätzlichen Nutzen für den Betreiber in Form einer Risikoreduktion haben. Hierfür wurden auch technische, betriebwirtschaftliche und juristische Kriterien aus den umfangreichen Erfahrungen mit Environmental Due Diligence Untersuchungen von TÜV Süd herangezogen.

Risikoeinschätzung in der Praxis

Vor Baubeginn der Prüfstellen wurde sichergestellt, dass die ausgewählten Grundstücke bestehende Natur- oder Wasserschutzgebiete nicht beeinträchtigen und Konformität mit türkischen Gesetzen besteht. Über das Einhalten von Lärmschutzbestimmungen in der Bau- und Betriebsphase hinaus sind auch Entsorgungslösungen für umweltgefährdende Stoffe geplant und umgesetzt worden. Zudem wurden an die Ausstattung der Prüfstellen besondere Anforderungen hinsichtlich der Energieeffizienz gestellt.

Zur Risikoeinschätzung der Bauvorhaben in der Türkei war es außerdem unerlässlich, die Erdbebengefahr in den einzelnen Regionen abzuklären, was sowohl in der Bauplanung, in der Bauausführung und in der Schulung des Personals berücksichtigt wurde: Für jede einzelne Prüfstelle sind neben den üblichen Arbeitsschutzmaßnahmen Notfallpläne für Erdbeben und Feuer ausgearbeitet worden. Alle Mitarbeiter wurden in umweltfreundliche Verhaltensweisen eingeschult.

Sämtliche Maßnahmen wurden in den Vor-Ort-Audits dokumentiert. Damit auch am Ende der Lebenszeiten beim Rückbau der Prüfstellen keine erhöhten Entsorgungskosten für Bauschutt anfallen, haben die Gutachter von TÜV Süd zudem sichergestellt, dass keine schadstoffhaltigen Baumaterialien wie Asbest oder PCB verwendet wurden.

Nachhaltige Kreditvergabe

Die Erfahrung zeigt, dass die EP eine wichtige Funktion im nachhaltigen Risikomanagement einnehmen. Sensible Themen wie Umwelt, ethische sowie soziale Aspekte können rasch eine kritische Öffentlichkeit und kontroverse Debatten auslösen, mit entsprechend hohen Reputationsrisiken für Kreditnehmer und Kreditgeber und eventuellen Schadensersatzansprüchen.

Trotz der positiven Effekte gerät die freiwillige Selbstverpflichtung oft in die Kritik von Nichtregierungsorganisationen. Der vorgebrachte Einwand lautet meist, dass mit dem Fehlen eines zentralen Gover-nance-Organs Kontrolle und Transparenz nur mangelhaft ausgeprägt seien. Aus der Unterzeichnung resultiere keine öffentliche Rechenschaftspflicht, noch würden Verstöße sanktioniert. Abhilfe kann eine externe Qualitätskontrolle mit unabhängigen Sachverständigen, ähnlich eines Peer Reviews, leisten.

Zusätzlich steigern neutral validierte Maßnahmen- und Umweltmanagementpläne nicht nur die Transparenz und Wirksamkeit der EP, sondern auch die Investitionssicherheit. Dies gilt vor allem bei technisch komplexen Investitionsobjekten mit einer Vielzahl umweltrelevanter Fragestellungen, die in ihren Wechselwirkungen kaum pauschal zu überblicken sind. Entscheidend ist daher die projektspezifische Anwendung der EP. Hinzu kommt die Kompetenz von Dritten, Verbesserungsvorschläge bei Defiziten aufzuzeigen. Eine solche Praxis steigert zweifelsohne die Reputation der beteiligten Transaktionspartner und minimiert das Finanzierungsrisiko. Darüber hinaus trägt die unabhängige neutrale Begutachtung der Projekte durch Prüforganisationen dazu bei, den freiwilligen Regelungsmechanismus der Kreditwirtschaft weiter zu stärken.

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