Gespräch des Tages

Finanzkrise III - Entweder - oder ...

Die Commerzbank und Martin Blessing haben im Verlauf der Finanzkrise erfahren müssen, wie sich der Status von Staatsbanken anfühlt. Die Auswirkungen auf die Bank reichten von der festgeschriebenen Deckelung der Vorstandsgehälter und der Mitsprache oder Einmischung von berufenen wie unberufenen Politikern über den beißenden Spott der frei gebliebenen Banken sowie heftiger Kritik vieler Medien bis hin zur Sanktion der Märkte über die Kursentwicklung. Deutlicher und häufiger als andere Häuser hat deren Vorstandsvorsitzender in dieser Zeit unter Staatskontrolle öffentlich eine für die Kreditwirtschaft ungewohnte Art der Demut anklingen lassen. Vielen Kollegen aus dem privaten Bankenlager ging sein Verständnis für die Belange der Politik entschieden zu weit.

Nachdem die Commerzbank trotz aller Widrigkeiten der Finanzkrise und Nachwirkungen der Fusion mit der Dresdner Bank im ersten Halbjahr des laufenden Jahres über erfolgreiche Kapitalmaßnahmen die ganz enge Bindung an die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung beziehungsweise den SoFFin abschütteln konnte, nimmt sich Martin Blessing wieder die Freiheit einer eigenständigen und unabhängigen Lagebeurteilung. Er macht zwar auch heute keinen Hehl aus der nach wie vor "unglaublich engen Verknüpfung" zwischen Banken und Staaten. Aber mit Blick auf das weitere Handling der europäischen Schuldenkrise hat er feste Vorstellungen und wählt die entsprechend klare Ansage. Als Befürworter der bestehenden Währungsunion sieht er eine wesentliche Ursache der heutigen Schwierigkeiten in der Verschleppung der notwendigen Anpassungsschritte hin zu einer politischen Union, verlangt aber eine ehrliche Bestandsaufnahme. Nicht zuletzt der Verschiebung der ökonomischen Kräfteverhältnisse nach Asien wegen plädiert er selbst in der jetzigen Situation für ein eindeutiges Bekenntnis zu diesem gemeinsamen europäischen Weg. Er will das freilich mit einer Skizzierung der Zwischenschritte, einem belastbaren Zeitplan und vor allen Dingen einer Einbeziehung der europäischen Bevölkerung verbunden wissen. Sollte sich der eingeschlagene Weg bei den Wählern nicht vermitteln lassen, hält er den geordneten Ausstieg aus der Währungsunion für die einzig richtige Option.

Dass Blessing als verantwortlicher Banker auch angesichts des spürbaren Engagements seines eigenen Hauses in Staatsanleihen (siehe Leitartikel) für Zeitgewinn und ökonomische Überbrückung durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus plädiert, ist naheliegend. Insofern bleibt nicht ganz klar, ob das Entweder-oder-Szenario der Commerzbank letztlich nicht doch eine Drohkulisse ist. Aber es ist zweifellos ein erfreuliches Zeichen, dass auch die zweitgrößte deutsche Bank wieder eindeutig Position bezieht und auf Lösungen drängt. Hoffentlich kann sich die europäische Politik bis zum anberaumten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am 23. Oktober auf ähnlich klare Ansagen einigen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X