Aufsätze

Gefahren für die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft

Täglich ist das Thema Kreditklemme in der Presse vertreten. Der Mittelstand und seine Verbände sorgen sich um eine Kreditklemme, die Banken bestreiten eine Kreditklemme, die Bundesbank findet bislang keine Anhaltspunkte und die Regierung setzt sogar einen Mediator zum Kampf gegen eine Kreditklemme ein. Das Thema bewegt die Öffentlichkeit. Aber was eigentlich ist eine Kreditklemme? Eine Kreditklemme ist eine Situation, in der es für Unternehmen aber auch für Banken und Institutionen schwierig oder unmöglich ist, ihre Geschäftsaktivitäten über Fremdkapitalgeber zu refinanzieren.

Nachhaltiger Strukturbruch in der Kreditversorgung

Eine Kreditklemme kann bezogen auf ein einzelnes Unternehmen bestehen, weil dieses keine ausreichende Bonität besitzt. Bei strukturellen Problemen kann eine Kreditklemme branchenweit auftreten, da Banken ihre Kreditbereitschaft gegenüber der gesamten Branche und besonders deren schwächeren Firmen einschränken (zum Beispiel Baugewerbe in den vergangenen zehn Jahren oder Automobilhandel). In nationalen oder globalen Konjunkturabschwüngen kann eine Kreditklemme auch für die gesamte Wirtschaft entstehen, weil Fremdkapitalgeber nicht nur keine zusätzlichen Risiken übernehmen, sondern bestehende Risiken verstärkt abbauen werden. Kreditklemmen gibt es auch für Staaten, wenn deren wirtschaftliche Situation beunruhigend ist, wie zurzeit in Griechenland, Portugal und Spanien zu sehen ist. Hier wird die Kreditbereitschaft der Kapitalgeber meist über den Preis geregelt (Ausweitung der Finanzierungs-Spreads).

Derartige Kreditklemmen hat es immer wieder in der Vergangenheit gegeben und sie haben zum Teil sogar positiv auf notwendige Strukturbereinigungen gewirkt. Der Terminus Kreditklemme impliziert zugleich, dass die Situation einer geringen Kreditbereitschaft von Banken vorübergehend wäre und sich mit der Konjunkturerholung auflösen werde. Tatsächlich geht es jedoch nicht vorrangig um eine geringere Kreditvergabebereitschaft. Hinzu tritt vielmehr eine dramatisch verringerte Kreditvergabefähigkeit der Banken.

Dieses zeitliche Zusammentreffen begründet das tragische Ausmaß der Situation. Es handelt sich nicht um eine vorübergehende Kreditklemme, sondern vielmehr um einen nachhaltigen Strukturbruch in der Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft. Die folgenden Wirkungsmechanismen beschreiben diese Einschätzung:

Die Finanzmarktkrise hat zu erheblichen Verlusten und Wertberichtigungen in den Handels- und Anlagebüchern der Banken geführt. Auch wenn es Wiederaufholungsgewinne geben wird und nicht alle Wertberichtigungen zu Ausfällen führen werden, so sind die Krisenherde nicht beseitigt, vielmehr treten, wie man an den derzeit zunehmenden Länderrisiken sieht, neue hinzu. Kapital wird zur Absorption von Verlusten oder zur Unterlegung von ausfallgefährdeten Forderungen verbraucht und steht somit nicht mehr für Kundenkreditgeschäft zur Verfügung. Noch nie zuvor wurde im gesamten Bankensektor Kapital als das kostbarste "Bilanzgut" so stark beansprucht. Zum Teil wurden diese Wertverluste durch Umklassifizierung von Handels- in Anlagebestände noch nicht einmal ertrags- beziehungsweise kapitalmäßig verarbeitet und ticken unverändert wie Zeitbomben.

Insolvenzwelle - Abschreibungsbedarf

Die jetzt einsetzende Insolvenzwelle wird bei den Banken zu hohem Abschreibungsbedarf führen. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet aktuell mit 38 000 bis 40 000 Firmeninsolvenzen in Deutschland. Die Bundesbank geht für 2010 von mindestens 50 bis 75 Milliarden Euro Wertberichtigungsbedarf bei Buchkrediten aus (und prognostiziert weitere bis zu 15 Milliarden Euro Abschreibungen bei Verbriefungen). Dies ist ein klassisches zyklisches Phänomen: Wenn die Wirtschaft wieder "anspringt" bleiben Strukturopfer (zu wenig Eigenkapital, keine nachhaltige Marktposition) "auf der Strecke". Die sinkende Bonität des Kunden führt zu sinkenden Ratings und damit für die Banken zu steigender Eigenkapitalunterlegungspflicht.

Sonderphänomene wie die Schifffahrtskrise treten hinzu. Hier werden stärker in der Schiffsfinanzierung engagierte Banken noch erheblichen Risikovorsorgebedarf haben, der deutlich über das derzeitige Niveau hinausgeht. In jedem Fall gilt: Banken werden ihre Kreditbereitschaft überdenken, gegebenenfalls Nachbesicherung oder Mitteleinschüsse verlangen und die Kreditmarge anheben. Insgesamt werden steigende Insolvenzzahlen sich also sehr negativ auf Kreditvergabespielräume auswirken. Und welche Banken wollten sich durch Kreditwachstum in solch einer Situation weitere Risikoflanken öffnen?

Verschärfte Regulierungsmaßnahmen

Verschärfte Regulierungsmaßnahmen werden erhebliche zusätzliche Kapitalanforderungen an Banken stellen und eine Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle bewirken. Die Regierungen und Regulatoren überbieten sich derzeit in ihren verständlichen Bemühungen, eine Finanzmarktarchitektur zu schneidern, die künftige Krisen deutlich zu reduzieren vermag. Für deutsche Banken zum Beispiel wäre es verheerend, wenn Hybrid- oder Nachrangkapital nicht mehr angerechnet werden dürfte.

Die Aufnahme von sogenanntem Ergänzungskapital hat sich bewährt, zumal sie angesichts des begrenzten Kapitalmarktzugangs zum Beispiel des Genossenschafts- und Sparkassensektors eine verbesserte Kapitalisierung durch unterschiedliche Kapitalquellen erlaubt. Auch wären diese Kapitalteile in der aktuellen Marktsituation nur sehr eingeschränkt durch Kapitalerhöhungen zu ersetzen. Damit müssten die Banken ihr Geschäftsvolumen weiter schrumpfen und die Kreditversorgung würde zusätzlich reduziert.

Allzu populistische Ankündigungen einer drastischen Regulierung der Banken wie sie jetzt aus Washington (Trennbankensystem) oder London (Sondersteuer für Boni) kommen, machen Bankaktien für Investoren deutlich unattraktiver und erschweren es den Banken, zusätzliches Kapital für künftiges Kreditgeschäft aufzunehmen.

Sollten sich die jüngsten Forderungen jedoch strukturell durchsetzen lassen, so würden unweigerlich Kreditvergabespielräume weiter eingeengt. Insbesondere die Wiedereinführung eines Trennbankensystems würde das Mittelstandsgeschäft bedrohen: Seit Jahren nehmen die Banken Defizite im mittelständischen Kreditgeschäft und in Teilen des Privatkundengeschäfts hin, weil sie diese durch Gewinne in anderen Bereichen quersubventionieren können. Dies gilt für alle drei Säulen der Kreditwirtschaft. In einem Trennbankensystem müsste eine im Mittelstandsgeschäft tätige Bank die Preise der Kreditprodukte deutlich anheben, um den Investoren marktadäquate Rentabilität nachweisen zu können. Andernfalls würde die Bank Liquiditätsprobleme auf der Refinanzierungsseite bekommen und unwirtschaftlich hohe Refinanzierungskosten haben.

Als Folge der Regulierung passen die Banken ihre Geschäftsmodelle an. Zu erwarten ist, dass nicht nur - wie bereits zu sehen die Bilanzsummen deutlich reduziert werden (erfolgreiches Beispiel ist die Deutsche Bank mit 300 Milliarden Euro allein im vergangenen Jahr). Auch werden viele Banken ihre Beteiligungsportfolios überprüfen und Geschäftsfelder verkaufen. Dies wird auch von Brüssel gefordert. Wie sonst ließen sich die teilweise erheblichen staatlichen Stützungsmaßnahmen zurückführen? Vor allem aber muss die Kapitalkostenlogik diszipliniert auf alle Geschäftsbereiche angewandt werden. Nach dem Prinzip "Earn your right to exist or grow" müssen Geschäftsbereiche konsequenter als zuvor ihre Profitabilität nachweisen, denn nur dann erhalten sie das erforderliche Kapital.

Ausgetrocknete Märkte zur Eigenkapitalbeschaffung

Wenig aufnahmefähige Eigenkapitalmärkte und funktionsunfähige Verbriefungsmärkte, aber auch die Belastungen aus den staatlichen Stützungsprogrammen erschweren es den Banken, ihren erhöhten Kapitalanforderungen nachzukommen. Die Märkte zur Eigenkapitalbeschaffung sind ausgetrocknet. Kapitalerhöhungen im Markt erfolgreich zu platzieren, erweist sich für viele Banken als teuer oder unmöglich. Zudem sind die Belastungen aus den marktadäquat zu verzinsenden staatlichen Garantie- und Kapitalstützungsprogrammen erheblich. Angesichts einer insgesamt unbefriedigenden Ertragskraft fällt es den meisten Banken schwer, notwendiges Kapital neu zu bilden oder die teuren öffentlichen Mittel zurückzuführen.

Mit dem Zusammenbruch der (vielgescholtenen) Verbriefungsmärkte können Banken sich nur noch sehr begrenzt und aus eigener Kraft Kreditvergabefreiräume schaffen, weil sie Forderungen nicht mehr an den Markt weiterverkaufen können, um damit Eigenkapital für Neugeschäft freizusetzen. Soweit die Bank das sogenannte "first-loss-piece" allerdings nicht mitverkaufen kann, ist die Entlastung ohnehin sehr begrenzt. Insofern werden Verbriefungsmärkte in ihrer Wirkung oft überschätzt.

Wesentliches Handicap für Verbriefungen von Mittelstandsportfolios in Deutschland war in der Vergangenheit die "Fehlbepreisung" der Kredite: Die Attraktivität der Portfolios für den Investor war oft zu gering. Die Verbriefung und damit die Schaffung von Kreditvergabespielräumen scheiterten. Besonders bei diesem Instrument der Risikotransformation werden die zwingenden Kausalzusammenhänge der Marktmechanismen deutlich: Unzureichende Kreditmargen führen dazu, dass der Markt sich verweigert.

Überfällige Strukturbereinigung im Bankensektor

Eine Konzentration im Bankensektor ist überfällig, führt jedoch zu eingeschränkter Kreditbereitschaft bei sich überschneidenden Kundenportfolios. Seit Jahren gibt es in Deutschland zu viele Banken und damit strukturelle Probleme, die lange erkannt sind ("Die Banken sind die Stahlindustrie der neunziger Jahre", Ulrich Cartellieri, Deutsche Bank, 1990). Eine tatsächliche Strukturbereinigung - wenige positive Beispiele ausgenommen - hat aber nicht stattgefunden (gescheiterte Fusionen Deutsche Bank/Dresdner Bank 2000, Landesbanken 2006 bis 2008, DZ Bank/WGZ Bank viermal zwischen 2004 und 2009). In Deutschland wurde selten aus einer Position der Stärke heraus fusioniert. Zumeist waren Fusionen Rettungserwerbe.

Es ist paradox: Ausgerechnet in die Krise hinein fusionieren 2009 nun Commerzbank und Dresdner Bank. Ein richtiger Schritt zur falschen Zeit und daher nur durch den Staat finanzierbar. Gerade jetzt wären längst überfällige Fusionen wünschenswert, wie zum Beispiel im Landesbankensektor. Solche Projekte sind aber derzeit vollkommen unrealistisch, weil die einzigen drei weniger belasteten Landesbanken sich nicht infizieren lassen können von den vier nur durch staatliche Rettung überlebenden Banken, deren Probleme noch lange nicht ausgestanden sind. Anstatt weiter die Konsolidierung anzustreben, kauft sich jetzt sogar noch ein kleines Bundesland eine eigene Landesbank (Saarland). Ordnungspolitisch ist das völlig unverständlich und spiegelt die Strukturschwäche des gesamten Sektors wider. Dabei hat der öffent-lich-rechtliche Verbund seine Strukturen in der Primärstufe - also bei den Sparkassen - im Gegensatz zum Genossenschaftssektor schon gut im Griff. Anders als bei den Genossen ist aber die Zentralebene noch viel zu fragmentiert und weist unproduktive Überschneidungen auf.

Erstaunlich ist, wie sehr sich die Eigentümer über Jahre zu risikogeneigte, zu teure und per saldo kaum rentable Strukturen in den einzelnen Sektoren leisten. Die jetzt in der Krise praktizierten staatlichen Rettungsaktionen zeigen den Eigentümern allerdings auch, dass sie nur begrenzt Anreiz haben, sich um "ihre" Bank zu kümmern, solange diese als systemrelevant eingestuft und damit vom Staat gerettet wird. Die als richtig angesehene Konsolidierung des Sektors bleibt ein Umsetzungs-, aber kein Erkenntnisproblem. Damit hat sich aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Finanzindustrie insgesamt sowohl im europäischen wie auch im globalen Maßstab verschlechtert. In den meisten Nachbarländern ist die Konsolidierung des Finanzsektors weiter fortgeschritten. Das kann nicht im Interesse der Kunden sein, die auf starke und kreditvergabefähige Intermediäre angewiesen sind.

Mit Blick auf die Kreditversorgung wird sich eine überfällige Konzentration im Bankensektor allerdings negativ auswirken. Die fusionierte Bank wird weder die Kreditportfolios der Fusionspartner eins zu eins addieren noch bezogen auf das einzelne Kreditengagement zu große Klumpen entstehen lassen. Die Notwendigkeit zur Konzentration der nationalen Institute kommt jetzt zur Unzeit. Die reduzierte Aufnahmefähigkeit von fusionierten Banken wird durch den strategischen Rückzug vieler Auslandsbanken und derzeit sehr schwache Syndizierungsmärkte noch verstärkt. Den Unternehmen droht, dass sie keinen neuen beziehungsweise zusätzlichen Kreditgeber mehr finden. Insofern kann man von der verpassten Strukturreform sprechen. Die Folgen tragen heute die gesamte Branche und die Volkswirtschaft.

Geschäftsmodell seit Jahren durch Mindermargen belastet

Seit Jahren unzureichende Kreditmargen im Mittelstandsgeschäft reduzieren die Attraktivität des Geschäftsfeldes und die Kreditvergabebereitschaft der Banken. Ein einfaches Beispiel: Wenn ein Kredit schon bislang eine Eigenkapitalunterlegung von acht Prozent verlangt hat, dieses Kapital mit Renditeansprüchen beziehungsweise Kosten zwischen 15 und 25 Prozent vor Steuern zu bedienen war (also zwischen 1,2 und zwei Prozent Marge erfordert hätte), dann hat die in Deutschland übliche durchschnittliche Bankmarge von zwischen einem und 1,5 Prozent selten gereicht (selbst wenn man die Verzinsung des unterlegten Eigenkapitals korrekterweise gegenrechnen würde), um nur die Kapitalkosten abzudecken. Darüber hinaus muss die Marge aber auch noch die Risikoprämien und die operativen Handlungskosten des Bankbetriebs erwirtschaften. Wenn man dann noch eine mit sich verschlechterndem Rating einhergehende Steigerung der Ausfallwahrscheinlichkeiten und damit der erforderlichen Risikoprämien für Kundenkredite vor Augen führt, dann tritt die Dramatik einer wettbewerbsbedingt fehlenden Margenelastizität deutlich zutage.

Ausreichende Margen waren in der Vergangenheit in Deutschland in der Regel zu oft nicht durchzuholen. Die Mindermarge musste über Zusatzgeschäfte mit dem Kunden ausgeglichen werden, um das Kreditgeschäft zu rechtfertigen. Diese Kalkulation ging bei den meisten Banken nur selten auf. Hier liegt ein gravierendes strukturelles Problem des Sektors, das die Bereitschaft der Banken in das Mittelstandsgeschäft zu investieren, das heißt Kapital zu allokieren und damit die Basis für Unternehmens- und Wachstumsfinanzierung zu schaffen, deutlich begrenzt. Es hilft daher nicht, wenn Mittelständler oder ihre Verbände oft viel zu undifferenziert bezüglich der Margen von einer Wegelagerermentalität der Banken sprechen. Derzeit sind die Kreditkosten aufgrund des niedrigen Zinsniveaus noch historisch gering. Auch die Bundesbank stellt fest, dass bislang die Margenerhöhungen von den Leitzinssenkungen überkompensiert wurden.

Die obigen Annahmen zeigen jedoch, wie schnell die Kreditkosten für den einzelnen Kreditnehmer explodieren können. Dies auch, weil bei Banken während der Krise Liquidität zu einem knappen Gut und damit zu einem nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor geworden ist, der in die Kreditmarge zukünftig konsequent eingepreist werden wird. Die Unternehmen werden sich auf harte Zeiten einstellen müssen.

Warum engagieren sich Banken also im mittelständischen Kreditgeschäft, wenn doch diese offensichtliche Falle dem Geschäftsmodell immanent erscheint? Zunächst einmal sind breit aufgestellte Universalbanken in Deutschland im Markt flächendeckend unterwegs und können es sich - politisch und geschäftspolitisch nicht leisten dieses Geschäft einzustellen.

Außerdem werden Kundenverbindungen als Ganzes betrachtet. Sowohl das Einlagengeschäft, das Zahlungsverkehrs- und das Auslandsgeschäft wie auch Erträge aus dem Verkauf von Risikomanagementprodukten fließen in die Kundenkalkulation mit ein. Der einzelne Kunde bietet jedoch selten ausreichende Zusatzerträge, die die Mindermargen im Kreditgeschäft bei allen seinen kreditgebenden Banken ausgleichen könnten. Der Wettbewerb im inländischen Firmenkundengeschäft erlaubt es nur wenigen Teilnehmern hier nachhaltig stabile Erträge zu produzieren. Damit befindet sich das Firmenkundenkreditgeschäft ständig in einer grundsätzlichen Rechtfertigungskrise, die in den Vorstandsdiskussionen über Kapitalallokation seit Jahren zu harten Auseinandersetzungen führt.

Für die Überprüfung der Geschäftsmodelle bedeutet dies in Zukunft aber, dass ein kapitalkostenadäquates und risikoadäquates Pricing die Regel und nicht die Ausnahme sein muss. Strukturell und kalkulatorisch würden sonst viele Banken gezwungen sein, die Mittelstandsfinanzierung aufzugeben.

Unzureichende Kapitalausstattung im Mittelstand

Aufgrund des Wettbewerbs der Banken im Firmenkundengeschäft gab es nahezu unbegrenzt Kredit. Wenn die eine Bank ablehnte, war die nächste Bank zur Kreditvergabe bereit. Viele Mittelständler sind dem "süßen Gift" der einfachen und vergleichsweise billigen Aufnahme von Fremdkapital erlegen. Ein wichtiger Anreiz, Eigenkapital zu bilden, fehlte. Auch wenn sich die Eigenkapitalausstattung der mittelständischen Unternehmen in den vergangenen Jahren etwas verbessert hat, so reicht sie noch immer nicht aus.

So sind Eigenkapitalquoten von 15 bis 20 Prozent (und häufig darunter) in einer Krise unzureichend, um Kreditaufnahmespielräume zu öffnen. Gerade in der Krise ist aber die Kapitalbildung deutlich erschwert oder unmöglich. Dies ist die Falle des Mittelstands. Der Kunde gerät damit in die völlige Abhängigkeit von der Bankenfinanzierung und seiner Banken.

Bankengewinne - bester Schutz vor Krisen

Der beste Schutz vor Krisen von Banken und die nachhaltigste Basis für eine funktionierende Kreditversorgung bleibt die Gewinnerzielung. Banken, die mittelständisches Kreditgeschäft nicht profitabel betreiben können, werden ihren Eigentümern gegenüber nicht rechtfertigen können, dass sie das zunehmend knappe und teure Kapital gerade diesem Geschäftsfeld zuordnen. Und diese Aussage gilt umso mehr, wenn man sich die europäische und globale Bankenlandschaft ansieht und feststellen muss, dass deutsche Banken nur bedingt wettbewerbsfähig sind. Insbesondere die Eigenkapitalausstattung und die noch nicht immer hinreichende Vorsorge für die bilanziellen Risiken sind hier zu nennen. Banken werden ihre Geschäftsmodelle also grundsätzlich überprüfen und der Konzentrationsgrad der Branche wird sich erhöhen.

Die Appelle der Politik vermitteln derweil den Eindruck, dass Kredite für den Mittelstand nahezu nichts kosten dürfen. Es scheint die Vorstellung zu geben, dass, wann immer es sich um den Mittelstand handelt, dieser "gefördert" werden muss. Bezüglich der Bankkredite wird aber vollkommen übersehen, dass es auch die fehlende Rentabilität des Kreditgeschäfts mit Firmenkunden war und ist, die die Banken veranlasst hat, ihr Kapital anderen Verwendungen zuzuführen (bis hin zu den spekulativen verlustbringenden Kreditersatzgeschäften) und damit die Kreditbereitschaft eingeschränkt wurde. Die Haltung der Politik muss sich hier ändern, wenn man auch sicher nicht erwarten kann, dass als unangemessen hoch geltende Renditeerwartungen akzeptiert werden können.

Die vom Wirtschaftsministerium eingesetzte Mediationsstelle wird keine Bedeutung erlangen. Hier wird zunächst nur ein Apparat aufgebaut, der Evidenzen liefern wird, die bei den Bankenverbänden und der Bundesbank statistisch längst erfasst sind. Und wie will man es sich vorstellen: Soll der Mediator Hunderte oder Tausende von Beschwerdefällen nacharbeiten, die von den Banken längst geprüft wurden? Wie sollte der Mediator dann bei einer Bank durchsetzen, dass ein Kredit dennoch genehmigt wird, obwohl die Bank gute Gründe für die Ablehnung hatte? Oder wird der Mediator den Vorständen den moralischen Finger zeigen und appellieren, das Neugeschäftsvolumen im Mittelstand um bestimmte Prozentsätze zu erhöhen? Die Mediatoren-Initiative kann allenfalls einen Dialog zwischen Regierung und Banken etablieren, der zu allgemeinen Selbstverpflichtungsankündigungen führt.

Auch das Umfeld wird schwieriger: Es ist zu erwarten, dass die Bundesbank die Zeit des billigen Geldes und der Refinanzierung sukzessive beenden wird, indem sie Zuteilungsverfahren wieder einführt und Laufzeiten verkürzt. Zugleich wird die Erwartung zunehmen, dass Banken die Rettungsprogramme zurückführen. Die Liquiditätsbereitstellung unter Banken, die in den vergangenen Jahren ihre gegenseitigen Refinanzierungslinien deutlich gekürzt haben, wird enger und teurer. Dies gilt auch für Staaten: Insbesondere wenn die hohen Haushaltsdefizite in der EU finanziert werden müssen, werden Liquidität knapper (crowding-out-Effekt) und Zinsen steigen.

Beteiligungskapitalprogramme

Für Banken wie für Unternehmen sind die Herausforderungen groß: In der Kunde-Bank-Beziehung können Probleme nur partnerschaftlich gelöst werden. Unternehmer sind keine Ratingopfer, sondern Bonitätslenker. Transparenz, Klarheit und Offenheit sind auch zukünftig die wichtigsten Gebote in der Partnerschaft. Aber keine Einbahnstraße: Der Kunde schafft frühzeitig völlige Transparenz bezüglich seiner Zukunftsentwicklung und die Bank bezüglich ihrer Entscheidungskriterien und Kreditbereitschaft. Ein besonderer Test für die Beziehung wird sich aus den Margenanpassungserfordernissen der Bank ergeben.

Der Mittelständler kann jedoch selbst etwas für seine Eigenkapitalquote und damit für die Unabhängigkeit des Unternehmens tun: zum Beispiel über die Aufnahme von Partnern, also entweder Finanzinvestoren oder strategischen Investoren. Derzeit arbeiten alle Banksektoren an Beteiligungskapitalprogrammen für kleinere bis mittlere Mittelständler. Die Deutsche Bank hat soeben ein Genussscheinprogramm über 300 Millionen Euro vorgestellt, das Mittelständlern bis 100 Millionen Euro Umsatz helfen soll, ihre Eigenkapitalbasis zu verbessern. Höchstgrenze soll hier zehn Millionen Euro pro Einzelfall sein. Diese Initiative ist im Grundsatz zu begrüßen, aber natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In der Größenklasse zwischen fünf und 100 Millionen Euro Jahresumsatz gibt es in Deutschland 76 000 Unternehmen (Quelle: Umsatzsteuerstatistik 2006). Bei einer Durchschnittsbeteiligung des Deut-sche-Bank-Fonds von drei Millionen werden gerade einmal 100 Unternehmen erreicht - und die Investitionszeit wird sicher einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren in Anspruch nehmen.

Eigenkapital hat andere Risikoqualität

Am besten geeignet, die Kapitalprobleme im Mittelstand zu reduzieren, scheinen jedoch die seit Jahren etablierten mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer, an denen alle drei Banksektoren auch finanziell beteiligt sind. Hier könnte sehr viel schneller und effizienter eine Bündelung der Initiative erfolgen, in dem die Gesellschaften substanziell von ihren Gesellschaftern mit zusätzlichem Kapital ausgestattet werden. Personelle Kapazitätsprobleme lassen sich angesichts des Mitarbeiterabbaus in den Banken gewiss pragmatisch lösen. Und die Banken, die in den Aufsichtsgremien bereits vertreten sind, wären weiter an den Entscheidungen und Prozessen beteiligt. Dabei könnten diese Kapitaleinschüsse in Form von Nachrangdarlehen strukturiert werden, damit keine dividendenlosen Anteile gehalten werden müssen, sondern eine marktadäquate Verzinsung ermöglicht wird. Hierdurch würde auch die Disziplin bei den Beteiligungsentscheidungen gefördert.

Dies heißt dann aber: Der Mittelständler muss akzeptieren, dass für einen Investoren Eigenkapital eine andere Risikoqualität hat als ein Bankkredit. Entsprechend wird die Verzinsung deutlich über dem Niveau des Kredits liegen. Die Hybridkapital-Programme mancher Banken haben sich in der Vergangenheit einen sinnlosen Wettbewerb geleistet und am Ende war nicht eine risikoadäquate Verzinsung von rund zwölf Prozent, sondern von unter sieben Prozent für den Mittelständler erreichbar. Wenn diese Fehler von den Banken wiederholt werden, entwickelt sich kein nachhaltig effizienter Beteiligungskapitalmarkt. Und auch eine den Standort Deutschland und dessen Wettbewerbsfähigkeit fördernde Risikokultur würde dann nicht entstehen.

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