Aufsätze

Die Geschichte der Deutschen Bundesbank in der geldpolitischen Verantwortung

Im Sommer 1957 übernahm die Deutsche Bundesbank die geldpolitische Verantwortung in Westdeutschland. Damit trat sie die Nachfolge der Bank deutscher Länder (BdL) an, die seit ihrer Gründung im März 1948 für diese Aufgabe zuständig gewesen war und sie höchst erfolgreich bewältigt hatte. Jedenfalls lag die durchschnittliche jährliche Steigerungsrate des Lebenshaltungskostenindexes zwischen 1949 und 1957 nur bei etwa einem Prozent.1)

Es überrascht daher nicht, dass dies der BdL bei der durch die zweimalige Geldentwertung innerhalb einer Generation sehr inflationsavers gewordenen deutschen Öffentlichkeit eine hohe Reputation einbrachte, ein Erbe, was nun die Bundesbank antrat und dem sie bis zum Übergang der Zuständigkeit für die Geldpolitik auf die Europäische Zentralbank im Wesentlichen auch gerecht geworden ist. Im internationalen Vergleich erfreute sich die Bundesrepublik nämlich im Durchschnitt der gesamten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der niedrigsten Inflationsraten weltweit, und dementsprechend war die D-Mark eine starke Währung.

Neuaufbau des Notenbanksystems

Die wissenschaftliche Forschung ist sich heute darin einig, dass Geldwertstabilität im Papierstandard nicht zuletzt abhängig ist von bestimmten institutionellen Bedingungen. Dazu gehört in erster Linie die Verpflichtung der Notenbank auf eine antiinflationäre Politik, ihre politische Weisungsungebundenheit sowie eine weitgehende personelle Unabhängigkeit von der Regierung. Alles das traf sowohl auf die Verfassung der Bundesbank als auch bereits auf die ihrer Vorläuferinstitution zu.

Der Neuaufbau des Notenbanksystems in Westdeutschland nach dem Krieg brach zunächst einmal mit deutschen Traditionen.2) Insbesondere die USA sahen in der übermäßigen Zentralisierung des deutschen politischen Systems, aber auch der deutschen Wirtschaft einen wichtigen Grund dafür, dass Deutschland 1939 den Krieg begonnen hatte. Dezentralisierung wurde somit zu einem Postulat der Behandlung Deutschlands durch die amerikanische Besatzungsmacht, und diese hatte sich auch auf das deutsche Bankwesen zu erstrecken. Dementsprechend wurden die Großbanken zerschlagen; und anstelle der hierarchisch aufgebauten Reichsbank wurde ein zweistufiges Zentralbanksystem etabliert mit selbstständigen Landeszentralbanken als erster und der BdL als zweiter Stufe. Die BdL, rechtlich eine Tochtergesellschaft der Landeszentralbanken, die für deren Zahlungsausgleich zuständig war und ihre Refinanzierung sicherte, durfte keine Geschäfte mit anderen Kreditinstituten treiben; das blieb den Landeszentralbanken vorbehalten. Jedoch waren Letztere hierbei abhängig von den Vorgaben der BdL bezüglich Zinsen und Mindestreserven, sodass sie faktisch doch zu ausführenden Organen der Geldpolitik der BdL wurden. Als Gegengewicht bestanden die Amerikaner allerdings darauf, dass im Leitungsgremium der BdL, dem Zentralbankrat, alle Landeszentralbank-Präsidenten saßen; dazu kamen lediglich noch ein separater Vorsitzender des Zentralbankrats sowie der Präsident des Direktoriums der BdL, die beide jedoch von den Landeszentralbankpräsidenten zu wählen waren.

Unabhängig von Regierungen und Interessengruppen

Damit war die Leitung der BdL personell in der Tat weitgehend von Regierungen und Interessengruppen unabhängig. Demgegenüber hatten die britische Militärregierung und deutsche Experten und Politiker für eine andere Zusammensetzung des Zentralbankrats plädiert, sei es, dass auch Vertreter von deutschen Regierungsstellen in ihn entsandt werden sollten oder dass Repräsentanten von wirtschaftlichen Interessengruppen beteiligt würden, womit sie sich jedoch nicht durchsetzen konnten.

Neben der personellen Unabhängigkeit wurde durch das Militärregierungsgesetz über die Errichtung der Bank deutscher Länder auch, wiederum gegen den fast einhelligen Widerstand deutscher Sachverständiger einschließlich Ludwig Erhards, ihre politische Weisungsungebundenheit verankert, eine Bestimmung, an der den Amerikanern im Hinblick auf die Vermeidung von Machtkonzentration ebenfalls viel gelegen war. In der damaligen Welt der Zentralbanken war das jedoch ziemlich außergewöhnlich. Denn nach den schlimmen Erfahrungen, die man in der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre mit einer von der allgemeinen Wirtschaftspolitik unabhängigen - und deflationären - Geldpolitik gemacht hatte, sicherten sich in der Nachkriegszeit die meisten Regierungen erheblichen Einfluss auf ihre Notenbanken. Das war der Fall, obwohl natürlich weniger die politische Unabhängigkeit der Zentralbanken als deren Bindung an den Goldstandard für die Deflation verantwortlich gewesen war.

Währungsreform vom Juni 1948

Die Währungsreform vom Juni 1948 brachte die eben gegründete Notenbank in Westdeutschland erst einmal in große Verlegenheit. Denn die relativ großzügige Erstausstattung der Geschäftsbanken mit neuem Geld und der lang aufgestaute, ungedeckte Güterbedarf von Bevölkerung und Wirtschaft führten zu einem Nachfrageboom, der seinerseits eine Welle der Inflation auslöste.

Die Unruhe in der Bevölkerung war groß, die Wirtschaftspolitik Erhards dem Scheitern nahe, jedoch der BdL waren zunächst weitgehend die Hände gebunden, da zusätzliche Liquidität infolge hoheitlicher Geldschöpfungsakte zur Verfügung gestellt wurde. Erst nachdem Letzteres ausgelaufen war, konnten restriktive geldpolitische Maßnahmen, zusammen mit anderen Faktoren, vor allem den nun anlaufenden Marshallplan-Einfuhren, Ende 1948 die Preisentwicklung umkehren und damit das Vertrauen in die D-Mark und die BdL allmählich festigen.

Wiederholte Proben

Im Verlauf der fünfziger Jahre wurde die Bank dann noch wiederholt auf die Probe gestellt, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Koreaboom und der daraus resultierenden Zahlungsbilanzkrise 1950/51 oder während der Phase überschäumender Konjunktur 1955/56. In beiden Fällen erwies sie sich als stabilitätsbewusster Akteur und setzte, gegen den erklärten Willen Bundeskanzler Adenauers, der die Bank in seiner berühmten Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie im Kölner Gürzenich am 23. Mai 1956 in scharfer Form auch öffentlich angriff, auf geldpolitische Restriktionen, was ihren Ruf als Hüterin der Währung in der Öffentlichkeit festigte.3)

Letzteres war mitentscheidend dafür, dass die Unabhängigkeit, die die BdL genoss, praktisch unverändert auf die Bundesbank überging. Denn sowohl Adenauer als auch Finanzminister Fritz Schäffer, dessen Kreditwünschen die BdL wiederholt nicht nachgekommen war, forderten in Bezug auf die laut Artikel 88 des Grundgesetzes vom Bund zu errichtende endgültige Notenbank einen starken Einfluss der Bundesregierung.

Unabhängigkeit nicht angetastet

Adenauer äußerte sich Mitte 1950 in einem Brief an seinen Finanzminister in dieser Hinsicht völlig eindeutig, wenn er schrieb: "Der Bundeskanzler ist nach dem Grundgesetz verantwortlich für die Richtlinien der Politik. Die Wirtschaftspolitik ist naturgemäß von entscheidender Bedeutung für die allgemeinen politischen Richtlinien. Im Rahmen der Wirtschaftspolitik ist wiederum heute und noch für unabsehbare Zeit die Währungs- und Geldpolitik der maßgebliche Faktor. Der Bundeskanzler kann daher keinesfalls auf eine entscheidende Einflussnahme auf die Währungs- und Geldpolitik über das Instrument der Notenbank verzichten."4)

Wenn es dennoch dazu nicht gekommen ist, so lag dies an der massiven öffentlichen Unterstützung in dieser Frage für die BdL und gegen die Bundesregierung, die ihrerseits eine Folge der geldpolitischen Reputation der Bank war. Das Bundesbankgesetz, das nach langen Auseinandersetzungen zwischen der BdL, dem Bund, den Ländern und innerhalb der Regierungsfraktionen,5) unter anderem auch über die Organisationsform der neuen Zentralbank, erst am Ende der zweiten Legislaturperiode verabschiedet wurde, änderte dann zwar die Struktur der Bank, indem die Landeszentralbanken zu Hauptverwaltungen der Bundesbank wurden und der Zentralbankrat eine Erweiterung um das gesamte Direktorium erfuhr, tastete ihre Unabhängigkeit aber nicht an.

Im Dilemma

Seit 1959 waren die meisten westeuropäischen Länder, darunter auch die Bundesrepublik, was ihre äußere Währungspolitik anging, faktisch dem System von Bretton Woods unterworfen.6) Das bedeutete, die D-Mark hatte für Außenwirtschaftstransaktionen, die die Leistungsbilanz berührten, frei konvertibel zu sein; das galt jedoch nicht für den Kapitalverkehr, denn Kapitalverkehrskontrollen waren ein integraler Bestandteil des Systems. Grundsätzlich war darüber hinaus der Wechselkurs gegenüber dem Dollar fixiert. Allerdings konnte er bei Vorliegen eines fundamentalen Zahlungsbilanzungleichgewichts in Absprache mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) angepasst werden (Stufenflexibilität).7)

Von dieser Möglichkeit machte Deutschland tatsächlich auch schon sehr bald Gebrauch. Denn hohe Exportüberschüsse, die über die Einwechslung der so verdienten Devisen zu festen Kursen in D-Mark mitten in einer Phase erneuter Hochkonjunktur zu einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Liquidität beitrugen, stürzten die Bundesbank, kaum dass sie gegründet war, in ein Dilemma. Als sie nämlich versuchte, die geldpolitischen Zügel anzuziehen, ging die deutsche Wirtschaft dazu über, größere Teile ihres Finanzbedarfs zu niedrigeren Zinsen im Ausland zu decken.

Zudem kam es, je länger desto stärker, zur Aufwertungsspekulation bezüglich der D-Mark. Beides jedoch erhöhte die Devisenzuflüsse noch zusätzlich, die restriktive Geldpolitik der Bundesbank wurde konterkariert und das Preisniveau begann zu steigen. Jedoch stemmten sich sowohl die Bundesregierung als auch der Zentralbankrat, unterstützt vom Bundesverband der Deutschen Industrie, mehrheitlich lange gegen eine Änderung des Wechselkurses. Erst nachdem die Bundesbank kapituliert und, um die Devisenzuflüsse zu bremsen, in einem bereits inflationären Umfeld die Zinsen und die Mindestreserven gesenkt hatte, erfolgte im März 1961 eine erste DM-Aufwertung um fünf Prozent.8)

Potenzielle Gefährdung des internationalen Währungssystems

Die Episode hatte dreierlei gezeigt. Erstens: Zielkonflikte zwischen Währungskonvertibilität bei festen Wechselkursen und innere Preisstabilität waren möglich. Es konnte also zu Situationen kommen, wo nicht mehr beide Ziele gleichzeitig zu sichern waren.

Zweitens: Das war besonders dann der Fall, wenn entgegen den Vorgaben des Systems von Bretton Woods auch der internationale Kapitalverkehr liberalisiert wurde. Und tatsächlich war die Bundesrepublik Anfang der sechziger Jahre in dieser Hinsicht einer der Vorreiter in Europa.

Drittens: Bei Währungskonvertibilität mit festen Wechselkursen und weitgehend freiem internationalen Kapitalverkehr gibt es im Falle sich abzeichnender Zahlungsbilanzungleichgewichte die Möglichkeit praktisch risikoloser Spekulation auf eine Wechselkursänderung, die geeignet ist, die Ungleichgewichte noch zu verschärfen und auf diese Weise die Herbeiführung des spekulativ erwarteten Ergebnisses zu beschleunigen.

Zwar brach die aus diesen Eigenschaften resultierende potenzielle Gefährdung des existierenden internationalen Währungssystems im weiteren Verlauf der sechziger Jahre zunächst nicht auf; ja, dieses Jahrzehnt war sogar von ausgesprochener Wechselkursstabilität gekennzeichnet. Jedoch hatte das einen Preis: Keynesianische Vollbeschäftigungspolitik in den meisten westlichen Ländern, Nominallohnrigidität nach unten und teuere Stützungsaktionen für einzelne Währungen zur Verhinderung von deren Abwertung erhöhten weltweit die Basisinflation.9) Nur infolge relativ geringer Überschüsse, zeitweise sogar von Defiziten in der Leistungsbilanz und der Tolerierung einer etwas höheren Geldentwertungsrate wurde die Bundesrepublik nicht bald erneut vor die Wahl zwischen massiver Anpassungsinflation und Wechselkursänderung gestellt.10)

Jedoch 1969 war es dann doch wieder soweit. Wie zu Beginn der sechziger Jahre wandte sich die Industrie gegen eine Aufwertung, unterstützt von den Unionsparteien innerhalb der regierenden ersten Großen Koalition. Die Bundesbank war diesmal dafür, die SPD ebenfalls. Der erstaunliche Fall trat ein, dass die ziemlich abstrakte Frage einer Wechselkursänderung sogar im Wahlkampf jenes Jahres eine wichtige Rolle spielte. Kurz nach Antritt der sozialliberalen Regierungskoalition wurde die D-Mark dann erneut aufgewertet, dieses Mal um fast zehn Prozent; ein Dollar kostete jetzt statt vier nur noch 3,66 DM.11)

Öffnung der Zinsschere

Der die Situation beruhigende Effekt jener zweiten Aufwertung hielt jedoch nicht lange an. Seit Ende der sechziger Jahre stiegen, nicht zuletzt im Zeichen des Vietnamkriegs, die Budgetdefizite und Inflationsraten in den USA sprunghaft an, während sich deren Leistungsbilanz massiv verschlechterte. Das amerikanische Zahlungsbilanzdefizit erreichte enorme Proportionen. Das führte jedoch nicht zu einer Änderung der Haltung des 'benign neglect' der US-Administration in Bezug auf den Dollar, was im Blick auf dessen Leitwährungsfunktion zwar möglich, aber für die Stabilität des Weltwährungssystems verhängnisvoll war.

Auf der anderen Seite fuhr die Bundesbank nach der DM-Aufwertung seit Ende 1969, um einer drohenden Überhitzung der Konjunktur vorzubeugen, einen stark restriktiven Kurs in der Geldpolitik. Infolgedessen öffnete sich eine Zinsschere zwischen Deutschland und den USA, und amerikanisches Geld floss in großen Mengen in die Bundesrepublik.

Übergang zum Floating

Auch eine Lockerung der deutschen Geldpolitik in der zweiten Hälfte des Jahres 1970 konnte hieran nichts ändern, zumal nun erneut viel Kapital in spekulativer Absicht in Deutschland angelegt wurde; allein im April 1971 überschwemmten drei Milliarden Dollar die Bundesbank. Das Geldmengenwachstum in Deutschland explodierte, die Inflationsrate stieg sehr schnell an und erreichte 1971 über fünf Prozent. Gegen diesen Inflationsimport erwies sich die Bundesbank machtlos, und man sprach von 'monetärer Nebenregierung' durch die internationalen Geldmärkte. Daraufhin beschloss die Bundesregierung Anfang Mai 1971, die Notenbank von ihrer Interventionspflicht an den Devisenmärkten zu befreien. Die D-Mark ging damit also zum Floating über.

Zwar kam es im Dezember 1971 im sogenannten Smithsonian Agreement noch einmal zur Rückkehr der deutschen Währung in das Fixkurssystem und zu einer umfangreichen Neufestsetzung von Wechselkursen, wobei auch erstmals der Dollar abgewertet wurde. Jedoch änderte sich nichts an der Grundkonstellation, die USA orientierten sich bei ihrer Geldpolitik weiterhin nur an binnenwirtschaftlichen Erfordernissen, das Inflationsniveau, das einzelne Länder zu tolerieren gewillt waren, war nach wie vor sehr unterschiedlich und Wechselkursänderungsspekulationen immer noch risikolos. Eine erneute gigantische Dollarschwemme, gegenüber der die Bundesbank wieder total machtlos war, fegte daher das internationale Fixkurssystem im Frühjahr 1973 endgültig hinweg. Allgemeines Floating mit Ausnahme des Wechselkursverbundes der Europäischen Währungsschlange trat an seine Stelle.12) Andere Elemente von Bretton Woods, vor allem die Konvertibilität der Währungen und der Währungsfonds, blieben jedoch bestehen.

Neuorientierung der Bundesbankpolitik

Floating bedeutet seither, wie das Diagramm zeigt, eine gewaltige kurzfristige Volatilität der Wechselkurse und mittelfristige kumulative Abweichungen von den Kaufkraftparitäten, was zweifellos den Außenhandel erschwert, und zwar besonders von Ländern, deren Exporte stark preisabhängig sind (siehe Abbildung). Auf der anderen Seite befreiten flexible Kurse die Zentralbanken stabilitätsbewusster Länder aus ihrem Dilemma bei der Inflationsbekämpfung. Da die Geldentwertungsrate sieben Prozent erreicht hatte, zögerte die Bundesbank nach dem Übergang zu flexiblen Kursen nicht lange und schwenkte noch im März auf eine scharf kontraktive Geldpolitik ein, womit sie die Rezession von 1974/75 auslöste, die durch den ersten Ölpreisschock Ende 1973 und enorme Tariflohnsteigerungen vertieft wurde.

Das Geldmengenwachstum sank auf null, die Arbeitslosenquote stieg auf für die damaligen Verhältnisse unerhörte 4,7 Prozent.13) Diese Erfahrungen mit einer abrupten Änderung des geldpolitischen Kurses führten zu einer grundlegenden Neuorientierung der Politik der Bundesbank, die in den folgenden vier Punkten zusammengefasst werden kann:

1. Innerhalb des Zentralbankrats wuchs die Überzeugung, dass die Bundesbank ausschließlich dem Ziel längerfristiger Preisstabilität zu dienen habe. Bis zu den siebziger Jahren dagegen war die Geldpolitik nicht nur als Instrument zur Inflationsbekämpfung gesehen worden; vielmehr spielte bei den diesbezüglichen Entscheidungen stets auch der Aspekt der Glättung der realen Konjunkturentwicklung eine Rolle.

2. Damit rückte die Geldmenge in den Mittelpunkt des Interesses, da die Annahme nahe liegend war, dass die Preisniveauentwicklung jedenfalls auf mittlere Sicht abhängig vom Geldmengenwachstum ist.

3. Die somit anzustrebende Verstetigung der Geldpolitik und der Wunsch, etwa bei den Tarifparteien, keine falschen Erwartungen bezüglich der gesamtwirtschaftlichen Liquiditätssituation aufkommen zu lassen, hatten zur Folge, dass die Bundesbank, beginnend 1975, jährlich ein Ziel für das von ihr angestrebte Geldmengenwachstum öffentlich bekannt gab.

4. Die herkömmliche Diskontpolitik der Zentralbank eignete sich wenig für eine präzise Steuerung der Geldmenge, da sie den Kreditinstituten zu sehr die Initiative überließ und zu schwerfällig war. Deshalb wurde von nun an die Offenmarktpolitik, vor allem in Form des Wertpapierpensionsgeschäfts, das geldpolitische Hauptinstrument der Bundesbank.14)

Geldmengenziel als Selbstbindungsmechanismus

Zwar verfolgte die Bundesbank erst seit Ende der siebziger Jahre konsequent diese neue, an monetaristische Konzepte angelehnte Politik, dann jedoch mit beträchtlichem Erfolg. Dabei diente ihr das Geldmengenziel als Selbstbindungsmechanismus mit der Konsequenz, dass Abweichungen davon vor der Öffentlichkeit gerechtfertigt werden mussten. Dies sicherte die Unabhängigkeit der Bank zusätzlich ab, indem es sie vor Pressionen der Bundesregierung, ihre Geldpolitik expansiver zu gestalten, schützte.

So gelang es, allerdings verbunden mit erheblichen Kosten in Form lang anhaltender hoher Arbeitslosigkeit (zirka neun Prozent), die Inflationserwartungen zu brechen, eine neue Stabilitätskultur zu verankern und die Geldentwertungsrate zwischen 1985 und 1987 auf null zu drücken. Vor allem in dem die Wiedervereinigung begleitenden Boom flackerte die Inflation zwar nochmals auf. Das führte jedoch aufgrund der zielbewussten Geldpolitik dieses Mal nicht erneut zu verfestigten Inflationserwartungen, sodass die Preisniveausteigerungen sich schnell wieder abschwächten. Die Bundesbank konnte so eine Führungsrolle auf dem Weg zur Europäischen Währungsunion und zu einem stabilen Euro übernehmen.

Fußnoten

1) Deutsche Bundesbank (Hg.), 50 Jahre Deutsche Mark. Monetäre Statistiken 1948 bis 1997 auf CD-ROM, München 1998

2) Vgl., auch für das Folgende, Christoph Buchheim, Die Errichtung der Bank deutscher Länder und die Währungsreform in Westdeutschland, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Fünfzig Jahre Deutsche Mark. Notenbank und Währung in Deutschland seit 1948, München 1998, Seiten 91 bis 138; ders., Die Unabhängigkeit der Bundesbank. Folge eines amerikanischen Oktrois?, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 48, 2001, Seite 1 bis 30

3) Helge Berger, Konjunkturpolitik im Wirtschaftswunder. Handlungsspielräume und Verhaltensmuster von Bundesbank und Regierung in den 1950er Jahren, Tübingen 1997

4) Buchheim, Unabhängigkeit, Seite 18

5) Volker Hentschel, Die Entstehung des Bundesbankgesetzes 1949 bis 1957. Politische Kontroversen und Konflikte, in: Bankhistorisches Archiv 14, 1988, Seiten 3 bis 31, 79 bis 115

6) Christoph Buchheim, Die Wiedereingliederung Westdeutschlands in die Weltwirtschaft 1945 bis 1958, München 1990, Seiten 166 bis 170

7) Michael D. Bordo, The Bretton Woods International Monetary System. A Historical Overview, in: ders., The Gold Standard and Related Regimes. Collected Essays, Cambridge 1999, Seiten 429 bis 432

8) Otmar Emminger, Deutsche Geld- und Währungspolitik im Spannungsfeld zwischen innerem und äußerem Gleichgewicht 1948 bis 1973, in: Die Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 bis 1975, Frankfurt am Main 1976, Seiten 500 bis 507

9) OECD, Historical Statistics 1960-1988, Paris 1990, S. 82; siehe auch Barry Eichengreen, Globalizing Capital. A History of the International Monetary System, Princeton 1996, Seiten 121 bis 124

10) Carl-Ludwig Holtfrerich, Geldpolitik bei festen Wechselkursen (1948 bis 1970), in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Fünfzig Jahre Deutsche Mark, Seite 413 bis 421

11)Ebd., Seiten 423 bis 427

12) Bordo, Bretton Woods, Seiten 473 bis 480; Emminger, Geld- und Währungspolitik, Seiten 520 bis 533

13) Herbert Giersch/Karl-Heinz Paqué/Volker Schmieding, The Fading Miracle. Four Decades of Market Economy in Germany, Cambridge 1992, Seiten 186 bis 189

14) Vgl. zum Vorangegangenen Jürgen von Hagen, Geldpolitik auf neuen Wegen (1971-1978), in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Fünfzig Jahre Deutsche Mark, Seiten 439 bis 473

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