Leitartikel

Anmerkungen zur Bundesbank

Mit dem Erscheinungstermin dieser Ausgabe, dem 1. Mai 2011, endet eine Amtszeit vorzeitig. Wieder mal, möchte man angesichts der zahlreichen Wechsel in höchst verantwortungsvollen Positionen in den vergangenen Monaten fast sagen. Diesmal betrifft es Axel Weber an der Spitze der Deutschen Bundesbank. Eine kurze Bilanz seines Wirkens zog der scheidende Bundes-bank-Präsident anlässlich der jüngsten

Bilanzpressekonferenz selbst, wobei es gar nicht so einfach ist, hierfür die geeignete Messlatte zu finden. Ob zu vielen Abhängigkeiten der Notenbanken von Zinsen und anderen Dingen wie beispielsweise Rückstellungen für Sonderprogramme der Notenbankpolitik kann der Gewinn anders als bei Geschäftsbanken zur Beurteilung nicht herhalten. Bleibt als operativer Maßstab die Aufbauorganisation, Effizienz und Zukunftsfähigkeit der Bundesbank. Die Anzahl der Beschäftigten sank auf gut 9700, die Zahl der Filialen hat sich auf noch 41 fast gedrittelt, der Bestand an Dienstgebäuden sank von 160 auf rund 60 und die Anzahl an Wohnungen reduzierte sich von 5000 auf unter 3000. All das macht sich bemerkbar: Die Kosten sanken um nahezu 300Millionen Euro auf noch gut eine Milliarde Euro. Das kann man Axel Weber aber nicht allein zugutehalten, denn das ist nur die stringente Umsetzung von Plänen, die vor seinem Amtsantritt festgelegt wurden.

Wohl aber die Aufstellung der Bundesbank in fünf klar abgegrenzten Geschäftsbereichen mit klaren Verantwortlichkeiten. Der forcierte Rückzug aus arbeitsintensiven Bereichen wie dem baren wie unbaren Zahlungsverkehr trägt ebenso die Handschrift des Professors aus Überzeugung und Leidenschaft wie die stärkere Hinwendung zu zukunftsgerichteten Forschungsarbeiten, die die Grundlage für weitere Entscheidungen beispielsweise in Sachen Bankenaufsicht und Finanzstabilität sein sollen. Bei all dem war und ist der Bundesbank eines immer wichtig: mit ihrem Wirken, Stabilität zu sichern. Bleibt die Rolle des Präsidenten als öffentlicher Vertreter der Deutschen Bundesbank. Weber war stets präsent, manchmal gar omnipräsent. Er ist ein brillianter Rhetoriker und ein erstklassiger Geld- und Stabilitätstheoretiker. Sein Gewicht im EZB-Rat war groß. Er war in der Bankenkrise ein tauglicher Feuerwehrmann und der Politik bei allen Überlegungen zur Stabilisierung des Wirtschafts- und Finanzsystems ein nützlicher und geschätzter Ratgeber. Er war aber auch ein Überzeugungstäter, der sich selbst dann noch eine eigene Meinung leistete, wenn der Mehrheitsbeschluss eher zum Schweigen geraten hätte. Intern, so die kritischen Stimmen, galt Weber als Präsident, der sich um die Alltagsdinge nicht kümmern wollte, als strikt hierarchisch, und er hat nicht zuletzt durch seinen Umgang mit der Affäre Sarrazin Zweifel an seiner Führungsqualität aufkommen lassen.

Gleichwohl: Weber selbst spricht zufrieden von einem gut aufgestellten Haus, was durch die Wahrnehmung der Bundesbürger bestätigt wird. Jacques Delors, Präsident der Europäischen Kommission, drückte es 1992 folgendermaßen aus: "Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle (glauben) an die Bundesbank".

Was bleibt also zu tun für Jens Weidmann und die Kollegen? Natürlich auch weiterhin alle der Bundesbank übertragenen Aufgaben mit größtmöglicher Sorgfalt zu erfüllen und sie dabei weitestgehend frei von politischen Einfluss zu halten. Ist die Bewältigung all dessen schwerer geworden? Trotz den Herausforderungen der aktuellen Finanzkrise wohl kaum. Gleich in der Anfangsphase ihres Bestehens beispielsweise forderten die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft mit permanenten Leistungsbilanzüberschüssen die Zentralbank, die in einem System fester Wechselkurse ständig D-Mark verkaufen und US-Dollar ankaufen musste, um den Wechselkurs stabil zu halten. Dadurch dehnte sich die DM-Geldmenge aus, sodass Inflationsgefahren entstanden, die eigentlich eine restriktivere Geldpolitik erfordert hätte. Das hätte den Aufschwung gefährdet.

1961 kam es dann fast zum Eklat zwischen Bundesregierung und Bundesbank. Wirtschaftsminister Ludwig Erhard und Finanzminister Franz Etzel drohten mit einem öffentlichen Veto, sollte der Zentralbankrat sein Vorhaben wahrmachen und die Zinsen weiter senken. Es kam zu einem Kabinettsbeschluss für die Aufwertung der D-Mark gegenüber dem Dollar, dem sich Bundesbank-Präsident Karl Blessing und der Zentralbankrat "schweren Herzens und widerstrebend" anschlossen. Das Scheitern von Bretton Woods mit seinem System fester Wechselkurse, die deutsche Wiedervereinigung, die Geburt des Euro, die Zusammenführung der Notenbanken des Eurosystems im ESZB und die Errichtung der EZB stellten weitere Herausforderungen dar. Nie war der politische Druck klein. "Als Bundeskanzler habe ich manchmal Probleme mit der Bundesbank. Als Bürger bin ich froh, dass es sie gibt", so Altkanzler Helmut Kohl. Die Bundesbank beugte sich nur selten, was ihr weltweit Anerkennung einbrachte. So formulierte der spätere EZB-Präsident Wilhelm Duisenberg 1996 den schönen Vergleich: "Mit der Bundesbank ist es wie mit Schlagsahne - je mehr man sie schlägt, desto fester wird sie." Jetzt und künftig gilt es für die Vertreter der Deutschen Bundesbank im EZB-Direktorium, in Brüssel, Basel und Berlin immer wieder abzuwägen, inwieweit Fragen der europäischen Finanzstabilität das primäre Notenbankziel Preisstabilität beeinflussen, wenn nicht gar gefährden. Stressen wird auch das deutsche Kreditgewerbe die Notenbank weiterhin. Noch längst sind nicht alle Geschäftsmodelle zukunftsfähig, alle Liquiditäts- und Eigenmittelbestände beruhigend und alle aus Sicht der Aufseher notwendigen Zusammenschlüsse vollzogen. Von daher ist es absolut richtig, wenn sich die Bundesbank diesem Sektor im Rahmen der Bankenaufsicht verstärkt widmet und vor Ort in den Instituten operativ noch sehr viel stärker präsent sein will. In der Zusammenarbeit der beiden deutschen Aufsichtsbehörden, Bundesbank und BaFin, gilt es auch, vor dem Hintergrund einer nach Profil und Profilierung suchenden europäischen EBA die gegebenen Verantwortlichkeiten besser zu optimieren und das "Ping-Pong in Zuständigkeiten" abzukürzen. Man darf davon ausgehen, dass dies künftig vielleicht ein bisschen einfacher wird, da mit Sabine Lautenschläger-Peiter eine Vizepräsidentin die Bankenaufsicht in der Bundesbank übernimmt, die die BaFin zur Genüge kennt.

Eines hat die Vergangenheit für die Zukunft gelehrt. Die Bundesbank muss weiterhin bleiben, was sie immer war: eine moralische Institution.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X