Aufsätze

Infrastruktur: eine neue Assetklasse als Verlockung für Anleger

Die allgegenwärtigen Finanznöte der öffentlichen Hand treiben das Wachstum einer Anlageklasse voran, die bei deutschen Investoren bisher nur als Randthema von Interesse war: Infrastruktur. Ob Straßen, Brücken oder Flughäfen, Pipelines für Wasser und Gas oder Abwassersysteme, Kommunikationsanlagen, Krankenhäuser, Schulen oder Gerichtsgebäude - es bieten sich hier für Anleger schier unzählige Möglichkeiten. In den nächsten Jahren sind Reparatur- und Modernisierungskosten in Billionenhöhe zu erwarten. Weiteres Potenzial bietet nicht nur der Bedarf an Infrastruktur in den aufstrebenden Schwellenländern wie Indien oder China. Auch in Industrienationen wie den USA oder Europa sind zahlreiche neue Projekte zum Ausbau der Infrastruktur geplant.

Weltweiter Infrastrukturboom

Aufgrund ihrer Attraktivität hat die Investition in Infrastruktur in einigen Ländern bereits lange Tradition. Schon in den siebziger Jahren investierten Versicherungsunternehmen in Public-Private-Partnerships (PPP), in den achtziger Jahren wurden in Großbritannien viele Privatisierungen vorgenommen. Seit Mitte der neunziger Jahre nehmen vor allem Australien und Kanada eine Vorreiterrolle bei Infrastrukturinvestments ein. Australische Pensionskassen sind bis zu 20 Prozent in Infrastruktur investiert.

In den USA steckt dieser Markt noch in den Kinderschuhen, wodurch sich in naher Zukunft einige besonders attraktive Investmentmöglichkeiten ergeben. Allein im Straßenbau müsste die USA bis 2020 jährlich 92 Milliarden US-Dollar investieren, nur um ein Fortbestehen der momentanen Bedingungen zu gewährleisten. Und diese lassen zum Teil schon zu wünschen übrig: In den letzten 20 Jahren ist das Verkehrsaufkommen um 80 Prozent gewachsen, während die Kapazität der Straßen nur um zwei Prozent aufgestockt wurde. Das führt zu erhöhtem Stauaufkommen. In 2003 führten die Staus in den 75 Regionen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen zur Verschwendung von mehr als 21 Milliarden Liter Benzin und 3,5 Milliarden Stunden Verspätung.

Der öffentlichen Hand gelingt es aufgrund schrumpfender Ressourcen für Straßenbau und anderen Revitalisierungsmaßnahmen nicht, die nötigen Mittel aufzubringen, um dagegen vorzugehen. Da parallel das Interesse internationaler Investoren an entsprechenden Projekten steigt, setzen die lokalen Gebietskörperschaften verstärkt auf PPP zur Finanzierung ihrer Projekte. Schon jetzt befinden sich Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 100 Milliarden US-Dollar in der Planungsphase.

Chancen in Deutschland und Europa

Auch in Deutschland bedarf die Infrastruktur an vielen Stellen einer Generalüberholung oder Erweiterung. Nicht umsonst hält Vizekanzler Franz Müntefering den Zustand der Infrastruktur in Deutschland für "oft erbärmlich". Die Beschaffenheit der Straßen verschlechtert sich rapide und erhöht die Unfallgefahr. In 200 000 Staus pro Jahr verpuffen mehr als 14 Milliarden Liter Kraftstoff und es entstehen Kosten von 100 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 werden jährlich 256 Millionen Passagiere auf deutschen Flughäfen erwartet - heute sind es noch 145 Millionen. Bisher sind die Anbindungen der Großflughäfen diesem Ansturm nicht gewachsen. Der Containerumschlag in den Seehäfen erreichte bereits 2005 ein Niveau, das erst für 2015 erwartet wurde. Da rund zwei Drittel der Container die Häfen per LKW verlassen, reichen die Kapazitäten des Hafenhinterlandes bereits jetzt nicht mehr aus.1)

Auch die deutsche Regierung kann die nötigen Investitionen in den verschiedenen Infrastrukturbereichen alleine nicht tragen und ist zunehmend auf private Investoren angewiesen. Im Straßenbau hat die Regierung ein erstes Zeichen gesetzt: Mit dem ersten PPP Pilotprojekt in diesem Bereich zum Ausbau der A 8 wird der Weg für öffentlich-private Partnerschaften im Bundesfernstraßenbau bereitet.

Insgesamt bieten sich in Europa vor allem Akquisitionsmöglichkeiten mit Potenzial für Private Equity-Investitionen. Seit Mitte 2005 hat es verschiedene Transaktionen bei den gebührenpflichtigen Straßen und Flughäfen gegeben. So hat die französische Regierung ihren Anteil von Aeroport de Paris, die den Flughafen Charles de Gaulle und den Flughafen Orly betreiben, in einem IPO im Wert von 1,2 Milliarden Euro auf 67,2 Prozent reduziert. Da Europa aber eine lange Tradition in der Privatisierung öffentlicher Infrastruktur hat, sind die weiteren Privatisierungsmöglichkeiten im Vergleich zu den USA begrenzter. Die bestehenden regulatorischen Rahmenbedingungen und die hohe Akzeptanz von Transaktionen im Infrastruktursektor, geben Investoren aber die Möglichkeit, von den massiven Akquisitionen in diesem Bereich zu profitieren. So konnten die Aktionäre des englischen Flughafenbetreibers BAA Plc bei der Übernahme durch ein Investorenkonsortium unter der Führung des spanischen Baukonzerns Grupo Ferrovial eine Prämie von fast 50 Prozent auf den Aktienkurs vor den ersten Übernahmegerüchten verbuchen.

Großes Risiko-Ertrags-Spektrum

Infrastrukturprojekte lassen sich basierend auf ihrer Finanzierung in zwei Gruppen einteilen: Die erste umfasst solche Projekte, die durch Nutzerentgelte finanziert werden, wie beispielsweise mautfinanzierte Autobahnprojekte oder Versorgungseinrichtungen, bei denen die Verbraucher für die Kosten aufkommen. Demgegenüber stehen "soziale Infrastrukturprojekte": Diese werden nicht über unmittelbar zurechenbare Gebühren finanziert, sondern von der öffentlichen Hand getragen. Beispiele hierfür sind öffentliche Kliniken, Gefängnisse oder Schulgebäude. Obwohl die soziale Infrastruktur in Europa viele Investoren anzieht, bietet sie nicht das gleiche Renditepotenzial wie nutzerfinanzierte Infrastrukturprojekte. Das liegt vor allem daran, dass diese Projekte vergleichsweise kürzere Laufzeiten, verbunden mit weniger Raum für Effizienzgewinne, zusätzliche Erträge und Inflationsschutz aufweisen. Der Bereich der nutzerfinanzierten Infrastruktur bietet Investoren dagegen Anlagemöglichkeiten mit einer großen Bandbreite von Risiko-Rendite-Kombinationen.

Grundsätzlich stehen Investitionen in Infrastrukturprojekte drei Arten von Risiken gegenüber, die je nach Anlageobjekt unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Das politische Risiko hängt von der politischen Stabilität des Ziellandes für das Investment ab. Da viele Infrastrukturprojekte staatlicher Regulierung unterliegen, sehen sie sich außerdem einem gewissen regulatorischen und rechtlichen Risiko gegenüber. Die staatliche Regulierung ist ein zentraler Punkt für die Bewertung von Infrastrukturinvestments, weil sie sich unmittelbar auf die Performance eines Projektes auswirken kann, zum Beispiel über Einflussnahme auf die Gebühren. Übermäßig restriktive oder unvorhersehbare Regulierung kann das Anlagepotenzial des Projektes unterminieren.

Darüber hinaus unterliegt Infrastruktur einem Entwicklungsrisiko. Denn das Investment in Infrastruktur ist eine sehr spezifische Geldanlage: Die Objekte verfolgen in der Regel einen fest bestimmten Nutzungszweck und sind nur mit großem Aufwand für alternativen Gebrauch umzurüsten. Deshalb ist die Kenntnis der voraussichtlichen Nutzungsintensität von großer Bedeutung. So steht und fällt beispielsweise der Erfolg einer mautfinanzierten Straße mit dem Verkehrsaufkommen; je besser es sich vorhersagen lässt, umso geringer ist das Entwicklungsrisiko des Infrastrukturprojektes.

Basisinvestitionen und neu zu erschließende Projekte

Bei sorgfältiger Berücksichtigung dieser Risiken weisen Infrastrukturinvestitionen ein sehr attraktives Risiko-Ertragsprofil auf. Es sind Renditen möglich, die über klassische Rentenanlagen hinausgehen, ohne dabei ein aktienspezifisches Risiko eingehen zu müssen. Anhand der drei genannten Risiken lassen sich zwei Gruppen von Infrastrukturinvestments unterscheiden. Die erste Gruppe ähnelt aufgrund ihres Ri-siko-Rendite-Profils einer Private-Equity-Investition. Hierbei handelt es sich um neu zu erschließende Projekte, deren Einnahmenstruktur sich nicht genau voraussagen lässt. Hierzu zählen zum Beispiel die Investition in die Entwicklung neuer Flug- und Seehäfen oder Satellitennetzwerke.

Die Infrastrukturprojekte der zweiten Gruppe zeichnen sich durch ein niedriges Risiko aus. Bei diesen Projekten stellt die laufende Verzinsung typischerweise einen bedeutenden Anteil der gesamten Rendite dar, was sie einem Investment in Rentenpapieren oder Immobilien ähneln lässt. Zu dieser Gruppe von Infrastrukturprojekten gehören existierende gebührenfinanzierte Straßen, Flughäfen und Gaspipelines sowie elektronische Hochspannungsleitungen. Sie weisen quasi monopolistische Eigenschaften auf. Da sie Basisdienstleistungen abdecken, die in jeder Marktsituation nachgefragt werden, sehen sich diese Infrastrukturprojekte einer unelastischen Nachfrage gegenüber. Mit der schweren Substituierbarkeit der Leistungen geht entsprechend eine geringe Preiselastizität auf der Nachfrageseite einher.

So konnten die Betreiber der Golden Gate Bridge während einer der schlimmsten regionalen Rezessionen der Nachkriegszeit in den USA ihre Erlöse trotzdem erhöhen. Von März 2001 bis September 2003 gingen in der Bucht von San Francisco rund 400 000 Jobs verloren, was einem Rückgang von zwölf Prozent entsprach. Trotz dieser angespannten wirtschaftlichen Situation, generierte die Golden Gate Bridge aufgrund ihrer Monopolstellung einen Einnahmenanstieg von 34 Prozent (Abbildung 1).

Darüber hinaus stellen Infrastrukturanlagen langfristige Vermögenswerte dar, die nur einem geringen Wertverlustrisiko unterliegen. Sie sind durch ein relativ geringes Betriebsrisiko geprägt. Die Gebühren, die die Verbraucher für die Nutzung der Anlage entrichten, sind meist über mehrere Jahre vertraglich geregelt: Diese Eigenschaften sorgen dafür, dass sich stabile und gut prognostizierbare Cash-Flows ergeben.

Die bessere Rentenanlage?

Im Gegensatz zu klassischen Rentenpapieren bieten Infrastrukturinvestments eine gute Absicherung gegen Inflation. So haben beispielsweise öffentliche Transport- oder Versorgungsunternehmen die Möglichkeit die erhobenen Gebühren an die Inflationsentwicklung anzupassen und auch schwankende Preise von für die Leistungserstellung bedeutenden Rohstoffen an die Verbraucher weiterzugeben. Der Wert eines Bonds wird durch steigende Inflation negativ beeinflusst. Betrachtet man beispielsweise eine Anleihe mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einer Duration von 15 Jahren, so führt eine Erhöhung der Inflation von einem Prozent zu einer Wertminderung von 15 Prozent.

Infrastrukturinvestments sind durch einen ganz einfachen Mechanismus vor dieser Entwicklung geschützt: Durch die Möglichkeit der Gebührenerhöhung zum Inflationsausgleich oder sogar darüber hinaus, ist die Duration eines Infrastrukturinvestments nahe null und sein Wert bleibt von der Inflationsentwicklung nahezu unberührt. Zudem können Infrastrukturprojekte von einer gesteigerten Nutzungsintensität profitieren, die die Cash-Flows weiter erhöht.

So führt zum Beispiel ein erhöhtes Verkehrsaufkommen einer mautfinanzierten Straße zu einer Steigerung der Einnahmen. Ein weiterer Punkt, der Infrastrukturprojekte von Rentenanlagen unterscheidet, ist die Möglichkeit der Generierung von Effizienzgewinnen. So können beispielsweise durch den Einsatz neuer Technologien bedeutende Kosteneinsparungspotenziale realisiert werden (Abbildung 2).

Neben den Ertragsmöglichkeiten ist die voraussichtlich geringe oder sogar gegenläufige Korrelation von Infrastruktur mit anderen Assetklassen ein weiterer entscheidender Vorteil. Eine historische Untersuchung des Sektors in Australien, wo Infrastrukturinvestitionen die längste Tradition haben, zeigt, dass der australische Infrastrukturindex geringe bis negative Korrelation mit anderen Assetklassen aufweist. Dadurch bietet der Sektor ein hohes Diversifikationspotenzial und kann ein bestehendes Portfolio sinnvoll ergänzen (siehe Tabelle).

Hilfreiche Projekterfahrung

Für eine sicherheitsorientierte Investition in Infrastrukturprojekte ist eine stabile wirtschaftliche Lage mit entsprechender Beschäftigungsstruktur, Einkommen und Anzahl von Haushalten wichtig, damit das Nachfrageniveau für die infrastrukturellen Einrichtungen aufrechterhalten werden kann. Deshalb sind Infrastrukturinvestitionen mit moderatem Risiko derzeit eher in OECD-Ländern als in Schwellenländern zu finden. Investoren sollten insbesondere auf das Bestehen eines vernünftigen regulatorischen Rahmens achten, um nicht eventueller staatlicher Willkür ausgesetzt zu sein. Eng damit verbunden ist der Bedarf nach einem stabilen Rechtssystem, das Fehler in der Regulierung abfangen kann und die Rechte aller Parteien angemessen repräsentiert. Die Projekterfahrung der letzten zehn Jahre in Schwellenländermärkten wie Indien, Indonesien und Brasilien hat gezeigt, dass in manchen Fällen ein stabiler Ertragsfluss an die Investoren nicht immer gewährleistet werden konnte.

Bei sorgfältiger Auswahl von Infrastrukturprojekten auf Basis dieser Erfahrungen halten sie durch ihr breites Risiko-/Ertragsspektrum Anlagemöglichkeiten für die verschiedensten Investoren bereit. Auch für deutsche institutionelle Investoren stellt diese Anlageklasse in Zeiten zunehmender Korrelation an den weltweiten Aktienmärkten und den damit schwindenden Diversifikationsmöglichkeiten eine gute Option zur Risikostreuung dar.

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