Gespräch des Tages

Initiative Finanzstandort Deutschland - Eine unglückliche Veranstaltung

Wenn im gegenwärtigen Finanzumfeld zur Pressekonferenz eingeladen
wird, um das Wohlergehen des hiesigen Finanzstandorts zu beleuchten,
dann tritt fast schon reflexartig ein Schlagwort-Mechanismus in Kraft:
Finanzstandort - da muss "Börse" einfach ein Thema sein. Schließlich
haben sich in den letzten Wochen und Monaten die Ereignisse geradezu
überschlagen: Zuerst die Beteiligung der Nasdaq an der Londoner LSE,
dann die angekündigte Übernahme, pardon, Fusion von Nyse und Euronext.
In beiden Fällen musste sich der Frankfurter Handelsplatzbetreiber
allem vorläufigen Eindruck nach den übermächtigen US-amerikanischen
Wettbewerbern geschlagen geben. Und nun ist es um mögliche
Fusionspartner für die konsolidierungshungrige Deutsche Börse schlecht
bestellt. Kurzum: "Börse" ist gegenwärtig ein, wenn nicht das Thema am
Finanzplatz.
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Um so mehr muss es verwundern, dass von der Initiative Finanzstandort
Deutschland, die zur turnusgemäßen Vorstellung ihres
volkswirtschaftlichen Jahresberichts geladen hatte, das Thema Börse
fast schon tabuisiert wurde. "Eine europäische Lösung wäre zu
bevorzugen", kommentierte zwar der Chef-Volkswirt der Dresdner Bank,
dies sei aber eine persönliche Meinung und keinesfalls eine offizielle
Stellungnahme. Das passte ins Bild. Denn ob es nun die diesmal
federführende Deka ist (der Vorstandsvorsitzende ließ sich vertreten)
oder das nächste Mal ein anderes Mitglied, die IFD hat bislang kein
Gesicht, das in wichtigen aktuellen Fragen klar und verbindlich die
Interessen der deutschen Kreditwirtschaft, oder zumindest der
Mitglieder der Initiative vertreten kann. Die Scheu irgendwelche
Fehler zu machen ist offenbar größer als der Drang in der Sache
gemeinsam die Stimme zu erheben. Der klärende Hinweis, die IFD sei
ausschließlich Sachthemen verpflichtet und eben kein Verband, mag
richtig sein. Für die Öffentlichkeit ist eine solch feine
Unterscheidung aber kaum nachvollziehbar. Sie vermisst bei solchen
Gelegenheiten eine klare Ansage zu aktuellen Themen - diesmal eben zur
Börsenkonsolidierung.
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So wurde dieses wichtige Thema am Ende also nicht um Kernaussagen
bereichert, sondern nur mit einigen Randaspekten angekratzt: Allein
die in der Vergangenheit für die Nyse festzustellenden
Marktanteilsverluste bei IPOs dokumentierten die Strittigkeit einiger
ihrer Börsenstandards, hieß es, freilich auch dies nur als eine
persönliche Anmerkung. Man erwarte im Aktionariat der Euronext
Widerstand gegen das Zusammengehen mit der New Yorker Börse, so die
ebenfalls persönliche Einschätzung von anderer Seite, weil für erstere
im Gegensatz zur Nyse kaum Vorteile zu erwarten seien. Allerdings sei
die Verbindung Deutsche-Euronext freilich nicht um jeden Preis
erstrebenswert, immerhin könne Frankfurt auf eine höhere
Marktkapitalisierung und mit Xetra auf eine moderne technologische
Grundlage verweisen. Mehr könne man nicht sagen, offiziell will sich
die Initiative, der auch die Deutsche Börse angehört, nicht in die
laufenden Verhandlungen einmischen.
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Dass trotz der weitreichenden Implikationen des Ausgangs des
Fu-sions-Pokers für den hiesigen Finanzstandort keine gemeinsame
Sprachregelung der IFD-Mitglieder gefunden werden konnte, degradierte
den eigentlichen Anlass der Presseveranstaltung zur Nebensache. In
ihrem zweiten Jahresbericht stellt die Initiative dem Finanzplatz ein
gutes Zeugnis aus, in fast allen Bereichen sei gutes Wachstum zu
verzeichnen. Hervorgehoben wurde dabei insbesondere Mezzanine-Kapital
oder auch die positive Entwicklung bei der Riester-Rente. Allerdings
bestehe auch Handlungsbedarf. Insbesondere bei der Einführung von
Reits sei eine gewisse Eile geboten, sonst gerate der Standort
Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland ins Hintertreffen.
Eine schleichende Diskussion und damit verbunden eine späte
Produkteinführung wie bei den Hedgefonds müsse unbedingt vermieden
werden. Allerdings stimmt man zugleich positiv: Zwar wohl nicht zum
Jahresbeginn 2007 sollen die REITs kommen, dafür ist die Zeit für die
notwendigen Gesetzesverfahren zu knapp. Ermutigt vom ersten
Referentenentwurf, den das Finanzministerium noch vor der Sommerpause
vorlegen will, und der Tatsache, dass Finanzminister Peer Steinbrück
von dem Produkt überzeugt sei, soll es aber noch im Frühjahr 2007
soweit sein. Bis dahin wird wohl auch die Frage der
Börsenkonsolidierung in Europa etwas mehr Klärung erfahren haben.

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