Gespräch des Tages

Investmentbanking - Ungewohnte Zurückhaltung

Gute Investmentbanker zeichnen sich durch Flexibilität aus und finden gerade in volatilen Märkten mit stets neuen Produkt- und Dienstleistungsspektren Zuspruch. Dieses mit gesundem Selbstbewusstsein gepaarte Zutrauen in die eigene Kreativität verhilft der Branche traditionell zu einem gewissen Optimismus, selbst wenn die äußeren Marktbedingungen nicht danach aussehen. Für das gerade angelaufene Jahr 2012 Zuversicht auszustrahlen, fällt freilich selbst dieser besonderen Spezies Banker schwer. So verweist beispielsweise die hierzulande zuständige Einheit der Bank of America Merrill Lynch lieber tapfer auf das gute weltweite Ranking bei den Investmentbanking-Fees 2011. Und für das Geschäftsgebiet Deutschland, Österreich, Schweiz ist im vergangenen Jahr wieder eine ganz passable Transaktionsliste zusammengekommen. Doch aktuell hat sich die hiesige Einheit längst auf ein schwieriges Jahr 2012 mit noch kärglicheren ersten Quartalen eingestellt.

Dass Europa schwächelt und sich die USA möglicherweise schneller erholen wird, sieht man bei der Bank of America nicht zuletzt durch eine monatliche Umfrage bei 250 großen Asset Managern bestätigt. Ob die europäische Wirtschaft aber lediglich um 0,6 Prozent schrumpfen wird oder doch um bis zu 2,5 Prozent, wie es die ärgsten Szenarien vermuten lassen, will man noch nicht abschließend bekunden. In jedem Falle sieht man die Marktentwicklung maßgeblich davon abhängig, ob und zu welchen Konditionen Italien und Spanien in den kommenden Monaten bis hin zu den nächsten zwei Jahren ihren staatlichen Finanzierungsbedarf decken können. Auf lange Sicht, darüber ist man sich ebenfalls einig, werden Europa und auch die USA zu einer nachhaltig ausgerichteten Stabilitätskultur zurückfinden müssen. Kurzfristig müssen mit Blick auf Europa aber erst einmal alle Möglichkeiten milder bis harter Turbulenzen ins Kalkül gezogen werden - von der Fiskalunion über den Weg zu einem Kerneuropa bis hin zu einer Implosion der Euro-Zone.

Für die einzelnen Disziplinen des Investmentbanking bedeutet das trübe Aussichten. Weder die Eigenkapital- noch die Fremdkapitalfinanzierung oder das M&A-Geschäft machen derzeit so richtig Spaß. Ließ sich die Eigenkapitalfinanzierung im ersten Halbjahr 2011 noch viel besser an als beispielsweise im Jahr zuvor, folgte in der zweiten Jahreshälfte ein rasanter Absturz. Im Anleihenmarkt litt und leidet das Geschäft inbesondere unter den stark rückläufigen Aktivitäten der Finanzunternehmen. Und das M&A-Geschäft schrumpft in Europa und den USA ebenso wie in Deutschland. Ein wenig Hoffnung für das Deutschland-Geschäft schöpft man bei der Bank of America Merrill Lynch aus dem langjährig beobachtbaren Zusammenhang zwischen dem M&A-Volumen und der Wirtschaftskraft eines Landes (BIP). Während sich diese Kennzahl auf globaler Ebene im Schnitt zwischen sechs und sieben Prozent bewegt und in Deutschland traditionell um die Fünf-Prozentmarke schwankt, liegt sie derzeit lediglich bei zwei Prozent. Ob das als ein wirkliches Hoffnungszeichen gemeint ist? Realistisch betrachtet hat man sich bei der Bank of America wie auch bei den anderen Wettbewerbern wohl eher darauf eingestellt, die harten Zeiten mit der notwendigen Flexibilität beim Personal und soweit möglich - einer gewissen Schwerpunktverlagerung zwischen den Geschäftsfeldern zu überstehen, um dann für den Aufschwung bereit zu sein.

Dass rosige Aussichten im Investmentbanking anders aussehen, hat dieser Tage auch der Finanzchef der UBS bekundet, der dort einen weiterhin harten Wettbewerb unter den großen Fünf um das größte Stück am Investmentbanking-Kuchen voraussagt. Zitat: "Zwei werden es schaffen, drei weitere werden denken, dass sie es schaffen." Wer mit Letzteren wohl gemeint sein mag?

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