Bankrecht

Jahrestagung Banken und Recht

Wenn zwei auf ihren Gebieten führende deutsche Verlage gemeinsam eine Tagung anbieten, darf man hohes fachliches Niveau erwarten. Dieser Vorgabe hat die Premiere der von den Verlagen C.H. Beck (Beck Akademie Seminare) für den Rechtsbereich und Fritz Knapp für den Bankenbereich organisierten und am 19. Oktober in Frankfurt am Main über die Bühne gegangene "Jahrestagung Banken und Recht" erfüllt. Die Veranstalter haben daher im Sinn, diese Kooperation zu einem regelmäßigen bankrechtlichen Forum mit dem Anspruch auf juristische und rechtspraktische Exzellenz weiter zu entwickeln. Dem Vorhaben ist Erfolg zu wünschen, vor allem angesichts der extensiven und zuweilen auch grenzberührenden legislativen und richterlichen Rechtskontrolle über die Kreditinstitute und ihre Kundenbeziehungen. Das Forum sollte sich zur Aufgabe machen, die von der Kreditwirtschaft im Grundsätzlichen akzeptierte Kontrolle argumentativ aus banktechnischer und -rechtlicher Sicht zu begleiten, und das Ziel zu verfolgen, das Vertrauen zwischen Bank und Kunden ohne den Einsatz von legislativem und richterlichem Un- oder Übermaß (wieder) zu festigen.

Mit dem Generalthema der "Premiere" - Anlageberatung und Vermögensverwaltung - wo hat der Anlegerschutz seine Grenzen? - zielten die Veranstalter auch sogleich auf einen zentralen rechtlichen "Brennpunkt" in dem überaus spannungsreichen Beziehungsgeflecht zwischen Banken und ihren (Verbraucher-)Kunden.

Das Treffen wurde von Professor Jens Koch (Universität Konstanz) mit dem als "Gratwanderung zwischen angemessener Aufklärung und information overload" untertitelten Vortrag über die "Grenzen des informationsbasierten Anlegerschutzes" eingeleitet. Koch ging von der berühmten "Bond-Entscheidung" des BGH aus, in der damals die Grundsätze der "anleger- und anlagegerechten Beratung" aufgestellt wurden, zeigte die weitere Entwicklung unter dem Stichwort des "information overload" bis zu den jüngsten Aussagen des BGH speziell in den "Lehman-Fällen" und dem "Zinswetten-Urteil" auf und kam zu der Einschätzung, dass § 31 WpHG zwar hohe Informationsstandards rechtfertigt, aber wohl kaum zum Beispiel die neuerdings überzogene richterliche Forderung der Verlagerung auch des Verständnisrisikos einer sachgerechten Beratung auf die Bank. Wie auch soll eine Bank beweisen können, dass ihr Kunde die ihm erteilten Informationen in jeder Hinsicht verstanden hat? Schließlich kann sie nicht mehr tun, als sich vom Kunden selbst dieses Verständnis bestätigen zu lassen. Es drohe insofern die Gefahr eines faktischen Verbots (durch die Gerichte) von Anlagegeschäften wegen der in der Praxis unerfüllbaren Informations-Standards des BGH. Angesichts der heutigen Komplexität der Anlageprodukte stoße der informationsbasierte Anlegerschutz an seine Grenzen; der Gesetzgeber müsse tätig werden.

Dieser fachjuristischen Analyse folgte ein "praktischer Kontrapunkt" in Form der von Christian Bonnen engagiert und eloquent vorgetragenen Darstellung und Analyse der Beratungs- und Aufklärungsabläufe in der Praxis einer größeren Sparkasse auf der Grundlage der bekannt strengen Regulierungsbestimmungen und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Seine zentrale Feststellung war: Dem Kunden werde nicht mehr erkennbar, was im Rahmen der gesetzlich geforderten "Aufklärung" und Protokollierung der Beratungsgespräche eigentlich stattfindet. Die ausufernden Mehrinformationen des Kunden würden nicht automatisch auch zu mehr Verbraucherschutz, sondern vielfach zu größerer Verunsicherung des Kunden führen. Es komme nicht selten vor, dass ein Kunde aufgrund des ihm zuzumutenden Information overload ein Beratungsgespräch überfordert abbricht und auf eine Anlageentscheidung verzichtet.

Unter der Überschrift "Anforderungen und Haftungsfragen bei PIBs, VIBs und KIIDs" befassten sich der renommierte Düsseldorfer Anwalt Professor Frank A. Schäfer und der Syndikus einer Großbank, Dr. Hanno Teuber, mit den neuerdings für die Anlageberatung gesetzlich eingeführten "Beipackzetteln": Produkt-Informationsblatt (PIB), Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) und Key Investor Information Document (KIID) und deren an manchen Stellen widersprüchlichen und gesetzestechnisch unsauber formulierten Fassungen. Die Referenten zeigten die Probleme bei der praktischen Umsetzung dieser - vom Gesetzgeber nicht vollständig "ausgegorenen" und in mancher Hinsicht unvollständigen - gesetzlichen Vorgaben auf und gaben Ausblicke, wie man es "besser" machen könnte.

Im Nachmittagsteil der Tagung sprach Rechtsanwalt Dr. Peter Balzer umfassend über die noch offenen und die bereits geklärten Rechtsfragen beim Umgang mit Vertriebsvergütungen und wandte sich dann speziellen Anlegerschutzfragen im Zusammenhang und in der Folge der "Lehman-Pleite" auch jenseits der "Kickback"-Problematik zu, um sich schließlich auch noch mit Haftungsfragen bei Immobilienfonds und mit Folgefragen bei Pflichtverstößen zu befassen. Dem anschließenden Vortrag von Jens Minnemann, Direktor einer regionalen privaten Bank, über deren Praxis bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung vor Ort, über den Umgang mit den gesetzlichen Vorgaben, über den dafür nötigen Mehraufwand an Manpower und Zeit sowie über die allabendliche Unsicherheit der Bankberater, ob man die Tagesarbeit auch zu 100 Prozent "rechtssicher" geleistet habe, folgten die Teilnehmer der Tagung in "mitfühlender" Aufmerksamkeit.

Zum Abschluss sprachen Thomas Happel von der BaFin und Verena Anders, Compliance-Spezialistin einer Frankfurter Privatbank zum Thema "Corporate Compliance bei Banken und Sparkassen - MaRisk, MaComp, MaFraud, Geldwäsche". Die Empfehlung Happels an die Banken, bei ihrer Kundenberatung auch auf Sozialkompetenz zu achten, an die meist unsichere Situation des Kunden in einer Beratungssituation zu denken und ihn daher "ganzheitlich" zu beraten, fand Aufmerksamkeit. Die Teilnehmer zeigten sich über ihren Informationsgewinn aus der Tagung befriedigt; ihre Diskussionsbereitschaft hielt sich allerdings zum Bedauern der Veranstalter noch in Grenzen.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

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