Leitartikel

Kein Wohlstand für alle

Es war einmal ein ehrbarer Kaufmann, der durch kluges Handeln ein kleines Vermögen anhäufen konnte. Er kam aus guten Hause, was ebenfalls ein wenig an Mitteln mit sich brachte. Und schließlich hat er auch standesgemäß und weise geheiratet, was seine Gelder noch weiter anwachsen ließ. Dieser ehrbare Kaufmann unterhielt Geschäftsbeziehungen zu einem alteingessenen Bankhaus, wo er den Inhaber noch persönlich kannte. Hier wurde bei einem guten Gläschen Port und einer Tasse feinen Kaffees samt erlesenem Gebäck nicht nur die allgemeine politische Lage erörtert, die neuesten Geschichten über Handelspartner ausgetauscht, sondern auch über notwendige Kredite und das Verwalten und Mehren des mittleren bis großen Vermögens des ehrbaren Kaufmanns hinaus alles besprochen. Doch wie gesagt: das war einmal!

2007 versammeln sich stattdessen ein gutes Dutzend Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Investmentbanker, Mathematiker und Stiftungsspezialisten samt des Kunden und des Bankberaters bei Champagner, gutem Wein und besten Häppchen um - genau dasselbe zu tun. Ist das schon Ausdruck der von Adam Smith in seinem bekanntesten Werk "Wohlstand der Nationen" beschriebenen Arbeitsteilung, die den Wohlstand aller mehre? Zutreffend ist auf jeden Fall die erste von Smiths Annahmen, dass jeder Mensch nach der Optimierung seiner persönlichen Einnahmesituation strebe. Gut verdienen tun nämlich sämtliche Berater an einem solchen Projekt. Und wenn das Private Wealth Management (PWM), also das "an der Hand führen des Wohlstandes", funktioniert, profitiert am Ende auch der Kunde.

Doch führt dieses individuelle nach Erfolg und Reichtum Streben schon zu allgemeinem, gesellschaftlichem Glück, verhindert die "unsichtbare Hand" wirklich Verwerfungen des Marktes und Ungleichgewichte, die von Opportunisten wiederum ausgenützt werden können? Dies wird bis heute fröhlichst diskutiert, da Smith den Wohlstand eines Staates und damit jedes seiner Individuen einzig aus der Summe des Ertrags von Boden und Arbeit ableitet. Mehr Arbeitskräfte gleich mehr Wohlstand, so die einfache Formel. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass die Arbeitsmärkte nicht in der Lage sind, über das Angebot an Arbeit die Preise für Leistung zu regulieren, genauso wie die Annahme Smiths, dass die natürliche Nahrungsmittelverknappung eine Überproduktion an Arbeitskräften verhindere, nicht eingetreten ist.

Klar ist: Im Private Wealth Management wird heute eine Komplexität verlangt, die "einer allein" nicht mehr bewältigen kann. Selbst innerhalb eines Hauses, einer Bank wird es mitunter schwer, all die vielschichtigen Fragen der immer besser informierten und ausgebildeten Kunden beantworten und entsprechende, den Ansprüchen modernster Finanzmärkte genügende Produkte und Dienstleistungen erstellen zu können. Der moderne Wealth Manager verfügt daher über ein feines Netzwerk bester Spezialisten, die bei Bedarf sofort hinzugerufen werden. Allein auf der Produktseite, die stets individuell und nicht von der Stange sein muss, werden haufenweise rentable Besonderheiten diskutiert. 2006 beispielsweise ging der weltweite Immobilien-Hype auch an den PWM-Kunden, den sogenannten UHNWI (Ultra High Net Worth Individuals), nicht vorbei. Die globalen Direktinvestitionen in Immobilien stiegen laut World Wealth Report im Vergleich zum Vorjahr um 38 Prozent auf 682 Milliarden US-Dollar. Insbesondere die REITs entwickelten sich zu einem bevorzugten Investitionsinstrument. Leider noch nicht in Deutschland, wo der German REIT erst noch beweisen muss, dass die unsinnigen sozialpolitischen Schranken wie die Ausklammerung von Wohnportfolios dem für den Finanzplatz so wichtigen Produkt nicht doch einiges an Attraktivität nehmen. Für die Anlageprofis der Vermögensverwalter und Großbanken heißt es, jetzt "erst recht" möglichst umfassende Immobilienkompetenz und Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.

2007 sind es dagegen wieder alternative Investments wie Hedgefonds, die besonders gesucht sind. Für Heinrich Adami vom Bankhaus Pictet ist das nur zu verständlich, werde diese Anlageklasse in der Öffentlichkeit doch völlig falsch eingeschätzt. Sie seien nicht risikoorientiert, im Gegenteil, sondern mittels Investitionen könnten die Gefahren breiter gestreut werden, sodass Hedgefonds in jedes professionell verwaltete Portfolio gehörten. Damit sieht der kapitalmarkterprobte Profidies in der Tat anders als der gewöhnliche Bürger, dem die Arbeitsweisen der Kapitalsammelstellen zu intransparent und damit suspekt erscheinen, der ein allzu forsches Auftreten und Gewinnstreben feststellt und dem einfach nicht einleuchten will, warum Risiken, die verteilt werden, plötzlich keine mehr sein sollen. Da die Zielgruppe UHNWI mittlerweile jedoch selbst längst zum Profigeworden ist und ganz im Sinne des Strebens nach Gewinnmaximierung hohe Renditen erwünscht sind, werden Hedgefonds zu einer Selbstverständlichkeit der Szene. Mehr als die Hälfte der 423 in 2006 neu aufgelegten Produkte kam im zweiten Halbjahr auf den Markt. Bis 2010 gehen Experten von einer Verdoppelung der Anzahl auf dann rund 10 000 und des verwalteten Vermögens auf dann mehr als drei Billionen US-Dollar aus. Tendenz steigend.

Gleiches gilt auch für die Perspektiven des Private Wealth Management insgesamt, die ausgezeichnet sind. Die Welt wird immer reicher. Vor allem aufstrebende Volkswirtschaften in Asien und Osteuropa mit zum Teil sprunghaft ansteigenden Einkommen eröffnen weltweit neue Wachstumspotenziale, schreibt Thorsten Reitmeyer. In Singapur beispielsweise stieg die Zahl der HNWI, also der Personen mit einem liquiden Finanzvermögen von mehr als einer Million Dollar, um 21,2 Prozent auf 67 000, in Indien um 20,5 Prozent auf 100 000 und in Russland um 15,5 Prozent auf 119 000. Weltweit wuchs die Zahl der HNWI auf mehr als 9,5 Millionen an, die der für das PWM besonders interessanten UHNWI, die per Definition über ein Finanzvermögen von mehr als 30 Millionen US-Dollar verfügen, auf rund 95 000. Auch das gesamte, vom World Wealth Report 2007 ermittelte Vermögen ist gewaltig: Es stieg um über elf Prozent auf nunmehr 37,2 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: 2004 betrug das deutsche Bruttoinlandsprodukt gerade mal 2,22 Billionen Dollar. Der Optimismus blüht: 97 Prozent der von Pricewaterhouse Coopers befragten Vorstandsvorsitzenden Privatbanken rechnen mit einem Zuwachs der angelegten Vermögen um 23 Prozent pro Jahr und einem Wachstum der eigenen Geschäfte um 30 Prozent pro Jahr.

In diesem Wealth-Manager-Schlaraffenland darf man aber nicht warten, sondern man muss rennen. Denn der Wettbewerb ist gnadenlos. Inzwischen haben nicht nur die klassischen Schweizer Privatbanken und deutschen Privatbankiers die individuelle Vermögensbetreuung für Schwerreiche als Spielwiese ausgemacht, sondern auch alle großen Investmentbanken. Diese erfreuen sich nicht nur an den ordentlichen Provisionseinnahmen, sondern können gleichzeitig das ohnehin vorhandene Know-how ihrer Kapitalmarktspezialisten nutzen, um immer wieder neue Spezialitäten ganz nach Kundenwunsch zu kreieren.

Engpass für den Erfolg im Wettbewerb ist vor allem das geeignete Personal. Gute Kundenberater sind rar gesät und heiß umworben. Laut PwC-Studie werden in den kommenden Jahren weltweit 22 Prozent mehr "Customer-Relationship-Manager" benötigt, in den Schwellenländern sogar 57 Prozent. Dagegen bezeichnen die befragten Bankchefs jedoch nur 17 Prozent ihres Personals als sehr fähig ein. Und hier hat sich gegenüber früher trotz aller "Fortschritte" eigentlich nichts verändert: Der Kundenberater ist nach wie vor der entscheidende Grund, ob ein Kunde dem Unternehmen sein Geld anvertraut oder nicht. Oder umgekehrt: Unzufriedenheit mit dem Service des Beraters ist der häufigste Grund für ein wechseln. Man möchte sich halt stets gut aufgehoben fühlen.

Dass man den starken Marketingsprüchen der PWM-Branche über Kundenzuwächse genauso wenig trauen darf wie denen des gewöhnlichen Retailgeschäfts ist offensichtlich. Die Gewinnung neuer Mandate ist schwer, denn trotz der Wachstumsperspektive des PWM-Marktes muss jeder Kunde einem Wettbewerber weggenommen werden. Das geht nur mit den besten Beratern, den innovativsten Ideen, dem feinsten Service und dem geringsten Risiko. Wenn stattdessen einfach mal die Einstiegsgrenzen beispielsweise von ehemals einer Million Euro auf 750 000 Euro herabgesetzt werden, so eröffnet das plötzlich ganz neue Perspektiven und wunderschön vermarktbare Zahlen. Doch dies ist getrickst und kann auf Dauer in einem Geschäft, das von Seriosität und Individualität lebt, nicht zielführend sein.

Im Gegenteil: Experten sind sich ungewöhnlich einig, dass der Erfolg für die Zukunft gar nicht so sehr auf der Neukundenakquise begründet ist. Vielmehr gelte es, den "Share of Wallet", also den Vermögensanteil, den ein bereits gewonnener Kunde im Hause investiert hat, zu erhöhen. Aktuell verwalten weltweit weniger als die Hälfte der Vermögensverwalter mehr als 40 Prozent des Vermögens ihrer Kunden.

Diese bestehenden Klientenbeziehungen auszubauen ist deutlich billiger als im harten Kampf um Mandate neue Kundschaft zu gewinnen und fördert zudem die Kundenbindung. Der Ausbau des Share of Wallet ist allerdings nicht einfacher, denn jeder Vermögende ist gut beraten, sein Geld möglichst breit auf im Schnitt drei bis vier Vermögensverwalter zu verteilen und damit das Risiko ganz nach dem Hedgefonds-Prinzip zu verringern.

Nein, Wohlstand für alle wird es durch das Private Wealth Management nicht geben. Seine Aufgabe ist es, das Geld einer kleinen, bereits heute sehr vermögenden Schicht weiter zu mehren. Machen die Wealth Manager das gut, mehrt sich auch ihr Reichtum, und sollte der Kunde einen Teil seines Gewinns in neue Firmen beispielsweise reinvestieren, kann das sogar breiteren Bevölkerungsschichten zugutekommen. Aber wir freuen uns ja schon über spektakulären Fußball wie den der Milliardentruppe Chelsea des russischen Oligarchen Abramowitsch. Was hat er eigentlich für einen Wealth Manager? P. O.

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