Aufsätze

Kredit in der Krise - Studie über das Zusammenwirken von Banken und Unternehmen

Die konjunkturellen Negativmeldungen überschlugen sich in der letzten Zeit. Der Ruf ist derzeit deutlich vernehmbar, dass die Banken dem Mittelstand zur Seite stehen müssen. Gerade jetzt sind neue Konzepte gefragt. Eine wissenschaftliche Forschungsstudie gibt Auskunft, was in der Krise von Banken und Firmenkunden zu beachten ist.

Effizientes Krisenmanagement?

Für die Studie wurden über 300 Banken in Bayern kontaktiert. Die Themen kamen aus dem wirtschaftswissenschaftlichen und verhaltenswissenschaftlichen Bereich. Die Untersuchung fand mit Unterstützung einer Bank aus dem südlichen Großraum Augsburg statt. Anhand eines Fragenkatalogs sollte herausgefunden werden, wie man das Zusammenwirken zwischen Banken und Unternehmen in der Krise besser gestalten könnte. Zielsetzung: Besser zu verstehen, wann und warum sich Banken zurückziehen und Möglichkeiten finden, die Überlebensaussichten von Krisenunternehmen zu erhöhen. Bei der Auswertung ergaben sich teils überraschende Resultate. Hier ein Überblick:

- Banken halten nicht - wie oft behauptet wird - nur still, sondern bemühen sich aktiv bei Unternehmenssanierungen. Erfreulich ist, dass man den Banken damit nicht vorhalten kann, sie würden in Krisensituationen nur zuschauen.

- Die Banken schätzen die Lage eines Krisenunternehmens weitgehend selbst ein. Eine Änderung dieser Beurteilung, zum Beispiel aufgrund externer Sachstandsdarlegung, wurde als wenig wahrscheinlich gemessen.

- Große Zustimmung wurde für die Zuordnungsänderung der Betreuung von Krisenunternehmen, weg von der regulären Firmenkundenbetreuung hin in ein Sonderressort, gemessen.

- Offenheit und vertrauenswürdiges Verhalten gegenüber der Bank wurden zur Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit wichtiger eingeschätzt als die rein ökonomischen Aspekte. Selbst bei schwerer Krise zeigen die Banken generelle Unterstützungsbereitschaft, vorausgesetzt jedoch, der Unternehmer legt die Krisensituation schonungslos offen. Gerade hier wurde zuvor vermutet, dass genau dann keine Unterstützungsbereitschaft mehr vorhanden sei. Die Studie konnte mehrfach feststellen, dass zwischenmenschliches Vertrauen, welches Banker in Unternehmer setzen, eine bedeutendere Rolle spielt als ein noch so großes ökonomisches Krisenausmaß. Das schon in der Literatur immer wieder geforderte, zeitnahe "Aufdecken" einer Krisenentwicklung wurde durch die Messergebnisse mehrfach bestätigt. Gleichzeitig zeigt dies, dass gewachsene zwischenmenschliche Vertrauensstrukturen durch eine intensive und nicht anonyme Bank-Kunde-Beziehung im Ernstfall eine deutlich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit von Krisenunternehmen zur Folge hat.

Erfolgsquote der Insolvenzvermeidung steigerbar

Würde beim Krisenbewältigungsprozess alles optimal ablaufen, dann würde die Erfolgsquote der Insolvenzvermeidung aus Sicht der Befragten fast doppelt so hoch ausfallen, als dies derzeit in der Realität der Fall ist. Der Befund zeigt demnach, dass das Krisenmanagement an sich noch große Potenziale hat, die es zu heben gilt und die nicht zuletzt auch volkswirtschaftlich nicht in Kauf genommen werden sollten.

Bei der Frage, ob psychologische oder wirtschaftliche Faktoren den Kreditentscheidungsprozess mehr oder weniger beeinflussen, wurden die psychologischen im Vergleich zu den rein wirtschaftlichen Faktoren mit 13 Prozent höherer Wirksamkeit gemessen. Eine methodische Beschäftigung mit psychologischen Faktoren - auch hinsichtlich des Ratings beziehungsweise der Prognostik - wäre also eine moderne Herangehensweise an Kreditentscheidungsprozesse.

Frühwarnindikatoren

Am häufigsten scheitern Krisenunternehmen wegen des wirtschaftlichen Faktors "unzureichendes Rechnungswesen und Controlling" sowie wegen des psychologischen Faktors "Wahrnehmungsverzerrung und Realitätsferne". Das Bankmitarbeitern nicht selten zugeschriebene Vorurteil, dass Krisen nur deshalb möglich werden, weil der Unternehmer bislang nur Glück hatte, und dass Banken deshalb kaum Bemühungen zum wirtschaftlichen Überleben von Krisenunternehmen anstrengen würden, konnte die Studie widerlegen.

Für Unternehmer ist interessant, auf welche Krisen-Frühwarnindikatoren die Banken besonders sensibilisiert sind. Dadurch können Missverständisse hinsichtlich falscher Krisenwahrnehmung ausgeschlossen werden. Folgende Krisenwarnindikatoren wurden von den Banken in die höchsten Ränge gesetzt: "Neigung zur Unwahrheit, Manipulation", dann "Nichteinreichung zugesagter Unterlagen" sowie "Neigung zur Schönung beziehungsweise Verschleierung".

Für die Überlebenssicherung ist die Intensität der Kunde-Bank-Beziehung von großer Bedeutung. Je intensiver die Kunde-Bank-Beziehung, desto höher die Überlebenswahrscheinlichkeit, je anonymer, desto geringer. Besteht intensiver Bank-Kunde-Kontakt, dann liegen deutlich höhere Messergebnisse vor, einen Unternehmer in der Krise zu unterstützen, als unter anonymen Bedingungen.

Hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Merkmale für die Überlebenschancen von Krisenunternehmen vergaben die Banken in den höchsten Rängen die "Einigkeit in der Geschäftsführung", gefolgt von "ausreichendem Rechnungswesen und Controlling" sowie "ausreichender Produktpalette und passendem Marketing". In Umkehrung dazu wurden am schädlichsten "hohe Privatentnahmen", gefolgt von "unzureichendem Rechnungswesen und Controlling" sowie "zu hohe Betriebskosten" gesehen. Zur Wichtigkeit der wiederum vor den wirtschaftlichen Faktoren liegenden psychologischen Merkmale vergaben die Banken in den höchsten vier Rängen "Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit", dann "Intelligenz und Problemlösungskompetenz", dann "fachliche Qualifikation" und "Selbstkritikfähigkeit, Lernfähigkeit, Reflexionsvermögen".

Unwahrheiten als Negativkriterium überhaupt

Unwahrheiten gegenüber der Bank sind das Negativkriterium überhaupt und gehen mit der Aussichtslosigkeit per se in der Krise einher: Auf Rang eins aller Negativitems landete die "Neigung zur Unwahrheit und Manipulation". Dies war mit Abstand der höchste gemessene Negativwert überhaupt. Vorsicht ist auch hinsichtlich immer wieder neuer Abweichungen von ursprünglichen Businessplänen geboten.

Unternehmern muss man aufgrund der Befunde empfehlen, bereits frühzeitig einen intensiven, offenen und wahrheitsgemäßen Informationsaustausch mit ihrer Bank zu pflegen, um im Ernstfall für das Unternehmen eine erheblich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit zu haben. Dies liegt daran, dass sich bereits im Vorfeld ein ausreichender Vertrauensraum entwickelt haben muss. Liegt dieser nicht vor, steigt die Insolvenzwahrscheinlichkeit im Krisenfall drastisch. Nachdem sich intensiverer Informationsaustausch und Kontakt nur auf persönlicher Ebene zwischenmenschlicher Begegnung erreichen lässt, liegt es auf der Hand, dass regional tätige Banken insolvenzprophylaktisch wirken.

Ein Instrument zur Kundenbindung

Seitens der Volksbank wurde die Forschungsstudie unterstützt. Sie sieht die Zukunft des Krisenmanagements mittelständischer Unternehmen allgemein stark durch die Banken begleitet einerseits, da sich die Banken zukünftiger, rapider Marktentwicklungen nicht verschließen dürfen und es nach herrschender Lehrauffassung heute nur eine Frage der Zeit ist, bis potenziell jedes Unternehmen in eine Krisensituation geraten könne. Andererseits natürlich ist die Begleitung von Unternehmen in Krisensituationen ein wirksames Instrument der Kundenbindung. Gerade in Krisensituationen als Unternehmer nicht allein gelassen zu werden, ist dem modernen Bankmanagement bei der Unternehmerbetreuung heute weitaus wichtiger als noch vor zehn Jahren.

Auch das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sah künftig den richtigen Weg in diese Richtung als es die Einrichtung einer Notfall-Task-Force in den Geschäftsbanken für Krisenunternehmen empfahl. Überraschend war in der Studie die Vielfältigkeit der Auslegung der Handlungsmöglichkeiten in diesen Ressorts. Die heutigen Banken könnten sich in Krisensituationen von Unternehmen noch weitaus mehr einbringen und damit erhebliche Schutzwirkung auch auf volkswirtschaftliche Potenziale entfalten, wenn sich zum Beispiel die Rechtslage auf diese aktuellen Gegebenheiten einstellen würde.

* Die Gesamtstudie ist auf Wunsch im PDF-Format per E-Mail an die Autoren erhältlich.

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