Sparkassentag 2013 Aufsätze

Was macht eine Sparkasse zur Sparkasse? - Zur gemeinsamen Identität von Freien und öffentlichen Sparkassen

Fast fünf Jahre ist es mittlerweile her, seit die Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Schockwellen durch das globale Bankensystem geschickt und einen weltweiten konjunkturellen Einbruch verursacht hat. Nur durch diverse Hilfsmaßnahmen konnte der Zusammenbruch des Systems verhindert werden. Die Zeit der vollständig deregulierten Finanzmärkte war damit beendet. Durch die G20-Staaten wurde ein neues Regelwerk entwickelt, dessen Umsetzung das Finanzsystem zukünftig krisenresistenter machen sollte. Sparkassen in Deutschland - ein Anker der Stabilität Zu den Auswirkungen dieser regulatorischen Vorgaben wurde in der Vergangenheit bereits viel geschrieben, und auch der Verband der Freien Sparkassen hat in den vergangenen Jahren des Öfteren auf Fehlanreize im Regelwerk hingewiesen. Ein noch immer nicht behobener Webfehler besteht zum Beispiel darin, dass die Umsetzung von Basel III bisher nur für Banken gilt, während Hedgefonds und Schattenbanken weiterhin unreguliert bleiben. In der öffentlichen Diskussion besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich der deutsche Sparkassensektor in den Jahren der Finanzkrise als wichtiger Anker der Stabilität erwiesen hat. Er trug maßgeblich dazu bei, die Folgen der Krise für den Wirtschaftsstandort Deutschland in Grenzen zu halten. Da mittelständische Unternehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind und die Sparkassen ein unverzichtbarer Finanzpartner dieser Klientel, kann die Bedeutung dieser Säule der deutschen Finanzwirtschaft gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Schon ein kurzer Blick auf die Dimensionen der Sparkassenorganisation ist beeindruckend: 422 Sparkassen in Deutschland betreiben über 15 000 Geschäftsstellen. In der Organisation sind rund 245 000 Menschen beschäftigt und betreuen eine zusammengefasste Bilanzsumme von über einer Billion Euro. Dies sind Zahlen, auf die der Sparkassensektor zu Recht stolz sein kann. Erreicht wurde dies mit einer Geschäftsphilosophie, die seit über 200 Jahren Bestand hat. Die Sparkassen verstehen sich seit ihrer Gründung als regionaler Finanzdienstleister für die in dieser Region lebenden Menschen und den ortsansässigen Mittelstand. An den globalen Finanzmärkten sind sie überwiegend auf Veranlassung ihrer Kunden tätig. Die ersten deutschen Sparkassen wurden schon Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts als Freie Sparkassen von sozial engagierten Privatpersonen gegründet. Als Bürgerinitiative für die ärmere Bevölkerung ins Leben gerufen, standen sie von Anfang an für innovatives bürgerliches Engagement im Gemeinwohlinteresse. Ihrem Vorbild folgten später zahlreiche Städte und Kreise mit eigenen Sparkassengründungen, sodass in Deutschland heute zwei eigenständige Sparkassenformen existieren. Freie Sparkassen sind also der Ursprung der öffentlichen Sparkassen in Deutschland. Wesen der Freien Sparkassen Ihren Höhepunkt erreichte die Zahl der Freien Sparkassen in den deutschen Ländern Mitte des 19. Jahrhunderts. Danach ging sie stetig zurück, weil in vielen Fällen die Gemeinden die Trägerschaft übernahmen oder neue Sparkassen gründeten. Mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches gab es eine weitere Kommunalisierungswelle, sodass es 1913 nur noch 160 Freie Sparkassen gab, gegenüber 2 917 öffentlich-rechtlichen Instituten. Doch was genau sind Freie Sparkassen in Deutschland eigentlich? Sie sind ihrer Rechtsform und ihrem Wesen nach freie, nicht in kommunaler Trägerschaft stehende Sparkassen. Ebenso wie die öffentlichrechtlichen Institute sind sie der Gemeinwohlorientierung verpflichtet und haben die Sparkassenidee über ihre Satzungen fest in ihrer Geschäftspolitik verankert. Konkret heißt das: Sie fördern die Lebensqualität der Menschen in ihrem Geschäftsgebiet. Sie sorgen für eine kreditwirtschaftliche Versorgung insbesondere des Mittelstandes ihrer Region. Und sie sind mit ihrem Engagement für Kunst, Kultur, Sport, Bildung, Wissenschaft und sozialen Initiativen gesellschaftlich verantwortungsbewusste Akteure in ihrem Geschäftsgebiet. Man kann also sagen, dass Freie Sparkassen ebenso wie öffentlichrechtliche Sparkassen ihre Geschäfte stets mit besonderem Blick auf den Gemeinwohlauftrag tätigen. Dabei unterliegen die Freien Sparkassen zwar nicht dem Regionalprinzip, aber auch sie konzentrieren ihre Geschäftstätigkeit schwerpunktmäßig auf den Wirtschaftsraum ihres Unternehmenssitzes. Alle Freien deutschen Sparkassen werden seit dem 1. Juli 2006 in der Rechtsform der nicht-börsennotierten AG geführt. Das gibt ihnen die Chance, unabhängig von ihrer ursprünglichen Rechtsform beispielsweise als Stiftung oder Verein Beteiligungen einzugehen oder zu ermöglichen. Fachkompetenz in Aufsichtsorganen Ein bedeutender Unterschied zu den öffentlich-rechtlichen Instituten liegt allerdings in der Besetzung der Aufsichtsorgane: Die Aufsichtsorgane der Freien Sparkassen unterliegen dem Aktiengesetz. Dort sind nicht zwingend politische Funktionsträger wie Landräte oder Bürgermeister als Kontrolleure vorgesehen, sondern von der Hauptversammlung gewählte Fachleute aus Wirtschaft und Politik. Damit erfüllen die Freien Sparkassen schon längst eine Forderung der Aufsicht nach ausreichender Fachkompetenz in den Organen von Finanzinstituten. Gegründet wurde der Verband der Deutschen Freien Öffentlichen Sparkassen e. V. bereits 1920. Er repräsentiert heute sechs deutsche Freie Sparkassen sowie eine deutsche öffentlich-rechtliche Sparkasse, die aus einer Freien Sparkasse hervorgegangen ist. Mit der Hamburger Sparkasse AG, die eine Bilanzsumme von 38,5 Milliarden Euro aufweist, befindet sich unter den Mitgliedern auch die größte deutsche Sparkasse. Zudem gehört Die Sparkasse Bremen AG als weitere deutsche Großsparkasse dem Verband an. Insgesamt weisen die ordentlichen Mitglieder per Jahresultimo 2012 eine kumulierte Bilanzsumme von fast 60 Milliarden Euro auf. Was vielen allerdings nicht bekannt ist: Die Idee der Freien Sparkassen ist keine ausschließlich deutsche. Als außerordentliche Mitglieder sind dem Verband der Deutschen Freien Öffentlichen Sparkassen e.V. insgesamt 36 Freie Sparkassen aus neun anderen Ländern Europas und der Verband der schwedischen Freien Sparkassen, Fristående Sparbankers Riksförbund (FSR), angeschlossen. Öffentlicher Auftrag in privatrechtlicher Struktur Die Freien Sparkassen in Deutschland sind Teil einer großen und leistungsfähigen Familie: Sie gehören den regionalen Sparkassenverbänden an und sind hierüber auch Mitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands DSGV. Darüber hinaus gehören sie dem institutsbezogenen Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe an. Die Anteile der Freien Sparkassen werden von Stiftungen beziehungsweise Finanzholding-Gesellschaften gehalten, deren Satzungsauftrag den langfristigen Betrieb des Sparkassengeschäfts in der Region beinhaltet. In den Bochumer Leitlinien sind der Auftrag und das Selbstverständnis der Sparkassenorganisation klar fixiert. Im Mittelpunkt steht das wirtschaftliche Wohlergehen der Regionen und aller Teile der Bevölkerung. Zu diesen Werten bekennen sich alle Sparkassen, die öffentlichrechtlichen genauso wie die Freien. Auch in ihrer Rechtsgrundlage unterscheiden sich die beiden Sparkassengruppen nicht. Die rechtlichen Grundlagen der Sparkassen - Freier wie öffentlich-rechtlicher - sind das Kreditwesengesetz (KWG). Das KWG legt in seinem § 40 fest, dass ein Kreditinstitut nur dann die Bezeichnung Sparkasse tragen darf, wenn es nach seiner Satzung eine gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik und Aufgabenstellung erfüllt. Darüber hinaus definieren auch die Sparkassengesetze der Bundesländer die gemeinwohlorientierten Funktionen der Sparkassen und reglementieren deren Satzungen. Beide Institutsgruppen unterliegen der nationalen Aufsicht durch die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Bedeutende Unterschiede zwischen den beiden Sparkassengruppen liegen in der Rechtsform und somit auch in den Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung. Öffentlich-rechtliche Sparkassen sind als Teil des Gemeinwesens in ihrer Kapitalausstattung abhängig von der Finanzkraft ihrer Träger - der Gemeinde, der Stadt, dem Landkreis. Es ist kein Geheimnis, dass diese Träger flächendeckend mit immer höheren Anforderungen an ihre Budgets kämpfen, um ihrem Auftrag gerecht zu werden und soziale wie wirtschaftliche Investitionen tätigen zu können. Die Träger erwarten eher Erträge aus ihrer Sparkasse, als dass sie sie für künftige Eigenkapitalanforderungen kapitalisieren können. Privatnützige Gewinnverwendung ausgeschlossen Allerdings sind Freie Sparkassen nicht völlig frei in ihrer Kapitalbeschaffung. In den Satzungen dieser Institute ist die am Gemeinwohl orientierte Aufgabenstellung fest verankert. Darüber hinaus ist beispielsweise die privatnützige Verwendung der Gewinne der Sparkassen in Bremen und Hamburg ausgeschlossen. Dies schränkt die Möglichkeiten der Kapitalaufnahme von privaten Dritten natürlich ein. Aus der Perspektive der europäischen Aufsicht wird das deutsche Sparkassenwesen noch immer eher als exotisch wahrgenommen. Die gängige Rechtsform der Kreditinstitute ist die nach nationalen Grundlagen definierte Aktiengesellschaft, die ihrem Shareholder-Value verpflichtet ist, sich am Kapitalmarkt refinanziert und weit entfernt ist von Gemeinnützigkeit. Die aus der Finanzkrise hervorgegangenen Regulierungsbestrebungen fokussierten zunächst stark auf die multinationalen Großbanken und wurden daher den Besonderheiten der Sparkassenorganisation nicht gerecht. Aus diesem Grund setzt sich der Deutsche Sparkassen- und Giroverband mit großem Engagement dafür ein, in den Regulierungsvorhaben zum Beispiel im Rahmen von Basel III die Besonderheiten des deutschen Sparkassenwesens zu berücksichtigen. Es zeichnet sich hier ein erster Erfolg ab, die besondere Struktur und Bedürfnisse der Sparkassen-Finanzgruppe in dem finalen Regelwerk zu verankern. Verhandlungserfolg auf EU-Ebene Nach mehr als zehnmonatigen Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Rat, EU-Parlament und der Kommission wurden unter anderem die folgenden Forderungen der Sparkassen im Regelwerk berücksichtigt: Die deutschen Sparkassen - Freie wie öffentlich-rechtliche - sind Mitglieder des Haftungsverbundes des DSGV. Dieser stellt sicher, dass wirtschaftlich schwache Sparkassen aus dem nationalen Stützungsfonds aufgefangen werden, bevor sie in Existenznöte geraten. Somit ist ein Ausfall von Beteiligungen an Mitgliedern der Sicherungseinrichtung nicht möglich. In der nun zur Verabschiedung stehenden CRD IV wurde erreicht, dass die Beteiligung nicht zu einer Belastung des Eigenkapitals führt. Darüber hinaus konnte erreicht werden, dass die Sparkassen als Institute mit besonderer Rechtsform und ihren spezifischen Kapitalinstrumenten in der neuen Eigenkapitaldefinition besondere Berücksichtigung finden. Hier ist zunächst nur den öffentlichen Sparkassen Rechnung getragen, die Freien AG-Sparkassen kämpfen weiter um eine Gleichbehandlung aufgrund ihrer bereits beschriebenen eingeschränkten Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten. Als weiteres wichtiges Anliegen des DSGV konnte erreicht werden, dass Mittelstandskredite nicht mit zusätzlichen Kapitalanforderungen belegt wurden. Gerade der Mittelstand als zentrale Zielgruppe der regionalen Sparkassen hat sich in der Finanzkrise als stabiler und stabilisierender Faktor erwiesen. Die Sparkassenorganisation konnte nachweisen, dass die Ausfallwahrscheinlichkeiten in diesem Segment deutlich geringer waren als im Durchschnitt der Firmenkunden. Die Sparkassenorganisation konnte also schon für viele Besonderheiten auf europäischer Ebene spezielle Regelungen erwirken. Dennoch stehen insbesondere die Freien Sparkassen vor weiteren großen Herausforderungen. Gefahr der aufsichtsrechtlichen Benachteiligung Im Rahmen der Umsetzung der neuen Baseler Kapital- und Liquiditätsanforderungen in Europa sollten die Freien Sparkassen aufgrund ihrer Rechtsform benachteiligt werden. Nach den Vorstellungen der Europäischen Aufsichtsbehörde (EBA) sollten Freie AG-Sparkassen nicht als Sparkasse im Sinne der EU-Verordnung (CRR) angesehen werden. Dies hätte eine deutliche Schwächung der Kapitalbasis bedeutet, da insbesondere eine Befreiung vom Kapitalabzug von Verbundbeteiligungen von vornherein ausgeschlossen wäre - trotz der Mitgliedschaft im gemeinsamen Haftungsverbund. Der Verband der Freien Sparkassen hat sich daher in die Konsultation zum EBA-Standardentwurf im Dezember 2012 eingeschaltet und ausdrücklich gefordert, dass die AG-Sparkassen nicht schlechter gestellt werden dürften als die öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Diese Ungleichbehandlung ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Freien genauso wie die öffentlich-rechtlichen Institute Sparkassen nach § 40 KWG sind. Es ist deshalb zu begrüßen, dass nach jetziger Lesart die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Rat und der Kommission zur Basel-III-Umsetzung in Europa diesen Argumenten Rechnung getragen haben und sämtliche Sparkassen in Deutschland unter den Begriff der Sparkasse nach Art. 25 CRR fallen. Der Verband der Freien Sparkassen fordert weiterhin, dass eine Benachteiligung seiner Mitglieder ausschließlich aufgrund der Rechtsform nicht stattfinden darf. Hier vertritt er auch die Interessen seiner außerordentlichen europäischen Mitglieder, die weit überwiegend ebenfalls in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben werden, aber nach Gesetz und Satzung der gemeinwohlorientierten Verwendung ihrer Gewinne und einer der Gemeinschaft dienenden Geschäftspolitik verpflichtet sind. Gleichmacherei keine Lösung Die Kraft dieses wichtigen Sektors ohne Not zu schwächen, wäre fahrlässig. Die Freien Sparkassen appellieren daher beständig an die Politik, bei der so wichtigen Regulierung und Stabilisierung der globalen Finanzmärkte die Geschäftsmodelle in den Vordergrund zu stellen und diese entsprechend unterschiedlich zu reglementieren. Gleichmacherei kann keine Lösung sein. So wie man die Unterschiedlichkeit von Äpfeln und Birnen anerkennen muss, sollte man auch die aufsichtsrechtliche Behandlung von europäischen Finanzinstituten differenziert gestalten. Schließlich haben sich die Freien Sparkassen mit ihrer überschaubaren Größe auch und gerade in schwierigen Zeiten als Erfolgsmodell erwiesen. Die Finanzkrise hat die alte Formel "big is beautiful" ohnehin ad absurdum geführt. Die Tendenz zu größeren Einheiten führt letztlich nur dazu, dass sich die Entscheider von ihrer angestammten Region abkoppeln. Die Kunden spüren, wie sich die Identität ihres Finanzinstituts verwässert. Dieser Grundgedanke wird auch die Antwort des Verbandes der Freien Sparkassen an die EU sein müssen, um für seine Position zu werben. EU-konforme Eigentumsverhältnisse, international verständliche Konstruktionen und Rechtsformen und nicht zuletzt auch die Schaffung von Gestaltungsräumen, die den Sparkassen geschäftspolitisches Handeln weitgehend ohne politischen Einfluss und nur mit Fokussierung auf die in der eigenen Satzung und in der Organisation verbindlichen Leitlinien ermöglicht - das sind die großen Zukunftsaufgaben. Die Antworten sind nicht einfach, die Widerstände sind groß, deshalb sind im Ringen um die beste Lösung weiter Kreativität, Mut und Intelligenz gefragt.

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