Aufsätze

Freie Sparkassen im Spannungsfeld der Strukturdiskussionen

Sieht man von den permanenten Angriffen der EU gegen die Sparkassengruppe ab, so steht die Frage der Rechtsform von Sparkassen gegenwärtig nicht unbedingt im Fokus. Das ist sicherlich angesichts der dringenden Fragen zur Landesbankenstruktur verständlich. Dennoch machen die quälenden, politisch getriebenen Querelen bei den "Reformen" von Sparkassengesetzen wie in Nordrhein-Westfalen und Hessen deutlich, dass das Rechtsformthema bei Sparkassen auf der Agenda bleibt.

Bekenntnis zur Region

Dass ein geschäftspolitisches Handeln von Sparkassen im Sinne der in den Bochumer Leitlinien bekannten Grundsätze auch ohne die kommunale Trägerschaft möglich ist, zeigen die Freien Sparkassen seit Jahrzehnten in beeindruckender Weise: Nicht die Rechtsform ist das Argument, sondern das Bekenntnis zu den Menschen in der Region und zur Sparkassenidee an sich. Die Förderung der regionalen Wirtschaft, das Bekenntnis zu allen Schichten der Bevölkerung im jeweiligen Geschäftsgebiet, die Berücksichtigung der kommunalen und regionalen Bedürfnisse in der Verwendung des Gewinns - für die Freien Sparkassen, auch in der Rechtsform einer AG, ist das ebenso selbstverständlich wie für die Öf-fentlich-Rechtlichen.

Die Modernisierung der Sparkassengesetze weist den Weg. Einige Bundesländer sind hier vorangegangen und haben neben der öffentlichen auch die private Rechtsform zugelassen. Die Freien Sparkassen werden inzwischen vollständig in der Rechtsform einer nicht börsennotierten AG geführt: Hier halten die ehemaligen "Eigentümer", zum Beispiel Vereine wie bei der Sparkasse Bremen, die Aktien. Oder eine öffentliche Sparkasse wird in eine Stiftung umgewandelt, deren Stiftungskapital vom früheren Gewährträger gehalten wird, wie in Bremerhaven.

Freie Sparkassen waren im 18. Jahrhundert die ursprüngliche Rechtsform: als Bürgerinitiative für die ärmere Bevölkerung gegründet. Erst später folgten die Gemeinden dem Beispiel und gründeten "öffentlichrechtliche" Sparkassen. Doch die Idee der Freien Sparkassen ist keine ausschließlich deutsche: Schon vor Jahren haben die österreichischen Sparkassen den Weg zur Umwandlung beschritten. Damit sind im Verband der Deutschen Freien Öffentlichen Sparkasse neben sieben deutschen auch 25 Sparkassen aus Österreich und elf weitere europäische Sparkassen als außerordentliche Mitglieder organisiert.

Die außerordentlichen Mitglieder sind Beispiele dafür, wie sich die Anforderungen der EU mit der Grundidee der Sparkassen in Einklang bringen lassen. Im Sparkassenwesen Österreichs etwa sind 35 der dortigen 52 Sparkassen inzwischen als AG tätig; das Kapital wird oft von Stiftungen gehalten. Diese Stiftungen halten teilweise sogar Anteile an mehreren Sparkassen wie auch AG-Sparkassen Anteile an anderen Sparkassen halten. In den Statuten ist der Einfluss der Gemeinden auf den Geschäftsbetrieb über ihre Präsenz in den Anteilsverwaltungsgesellschaften, Vereinen oder Stiftungen nach wie vor festgeschrieben.

Skaleneffekte genutzt

Einen anderen und ebenfalls erfolgreichen Weg ist die spanische Sparkassenorganisation gegangen. Auch hier hat die Deregulierung zu Wettbewerb und hoher Effizienz geführt. Die Aufhebung des Regionalprinzips im Jahr 1988 schaffte faktisch einen Wettbewerb "jeder gegen jeden". Allein in Madrid sind zirka 20 der 46 Sparkassen präsent. Auch die spanischen Sparkassen werden in der Rechtsform der "Privaten Stiftung ohne Gewinnerzielungsabsicht" betrieben. Ihre Überschüsse fließen wie in vielen anderen Ländern den Trägerkommunen zu; bei überregional tätigen Sparkassen wird versucht, den Gewinn jeweils anteilig dort zurückfließen zu lassen, wo er entstanden ist. So wird ein Widerstand gegen die Eröffnung von Filialen in anderen Regionen weitgehend vermieden.

Doch der Erfolg der Sparkassen liegt in der konsequenten Nutzung von Dienstleistungsangeboten ihres Spitzeninstituts, das sowohl beratend und konzeptionell als auch insbesondere - vergleichbar mit Dienstleistungsgesellschaften - mit Angeboten zur Abwicklung von Geschäftsvorfällen zur Verfügung steht. Für Deutschland sicher ungewohnt ist, dass im Sinne von möglichst großen Skaleneffekten dieses Dienstleistungsangebot nicht nur den Mitgliedern der Sparkassenorganisation, sondern auch Mitbewerbern zur Verfügung steht und aufgrund konkurrenzfähiger Preise auch von ihnen genutzt wird.

Soweit der Blick ins europäische Ausland. Sowohl die EU als auch die Kritiker der Struktur des deutschen Kreditgewerbes werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass die deutsche Drei-Säulen-Struktur überholt sei. Doch wichtiger als die Frage der Rechtsform ist, wie sich die Sparkassen in der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung behaupten. Die Tendenz zu größeren Einheiten, die durch Fusionen entstehen, birgt die Gefahr, dass sich die Entscheider von ihrer angestammten Region abkoppeln und die Kunden spüren, wie sich die Identität ihrer Sparkasse verwässert.

Große Volumina, kleingliedrige Strukturen

So müssen bei aller Diskussion über die Rechtsform und die Gestaltung der Satzungen hinsichtlich der Kapitalausstattung sowie die im internationalen Geschäft anzustrebende Größe, auch intern Reformen und Veränderungen angestoßen werden. Dabei geht es nicht allein um die Ausgliederung des Vertriebes in eine AG oder die Fusion zu betriebswirtschaftlich stabileren, größeren Einheiten von Sparkassen. Es ist notwendig, Kräfte in viel größeren Dimensionen zu bündeln, um Kosten zu sparen. Nur das sichert auf lange Sicht die Selbstständigkeit von Sparkassen.

Im Zahlungsverkehr ist es längst üblich, in anderen Geschäftsfeldern entwickeln sich die Dienstleister. Eine Zusammenfassung von nicht kundenwirksamen Backoffice-Tätigkeiten zu größeren Einheiten wie in der NRS Norddeutsche Retail-Service AG schafft die Voraussetzungen dafür, dass auch kleine und mittlere Sparkassen selbstständig bleiben können. Selbst die beiden Gründungsinstitute, die Hamburger Sparkasse und Die Sparkasse Bremen, hielten ihre jeweiligen Volumina für nicht zukunftssichernd und schlossen deshalb ihre Backoffice-Abteilungen in der NRS AG zusammen. Der Erfolg gibt den Gründern recht: Sparkassen aus Schleswig-Holstein sind bereits mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen Kunde der NRS geworden, haben ihre Prozesse optimiert und ernten die ersten Erfolge der Produktivitäts- und Qualitätsverbesserung ihres Dienstleisters. Weitere Institute aus dem Sparkassensektor, aber außerhalb der Gründerregion stehen in Warteposition.

In die NRS können noch weitere Tätigkeiten ausgegliedert werden - und sie ist offen für weitere Nutzer aus der Sparkassenorganisation. Auch hier sind innovative Strategien gefragt. Zahlungsverkehrs- und Wertpapierabwickler sowie Kreditfabriken sind bereits in der Breite vorhanden. Doch der Backoffice- und Stabsbereich bieten noch weitaus mehr Tätigkeiten, die zu größeren Einheiten zusammengefasst Skaleneffekte für das einzelne Institut ermöglichen. Auch hier lohnt es sich, die Entwicklung im europäischen Umfeld zu beobachten, von den Besten zu lernen und Fehlentwicklungen frühzeitig zu stoppen. Wichtig ist, dass der Erhalt der Vertriebssparkasse vor Ort das Überleben der Sparkassen und ihrer satzungsgemäßen Aufgaben erst möglich machen: Die Identität der Sparkasse, die Bindung ihrer Kunden an das Institut und die Bindung der Sparkasse an die Region bleiben - anders als bei Fusionen - erhalten. Dies muss ein vorrangiges Ziel der Sparkassenpolitik vor Ort sein.

Berlin als Chance

Auch die Landesbank Berlin ist ein Beispiel für sparkassenideologisches Handeln ohne öffentliche Rechtsform. Der LBB-Kauf ist eine Pioniertat. Ein Spitzeninstitut von namhafter Größe, das nur den Sparkassen (und nicht wie zum Beispiel die Deka-Bank auch den Landesbanken) gehört. Das ist möglich, da es sich um eine Aktiengesellschaft handelt. Diese völlig neue Form des Eigentums an der Landesbank Berlin und damit auch an der Berliner Sparkasse eröffnet nie da gewesene Chancen: Produkte zur Verfügung stellen, die nur in größeren Stückzahlen wirtschaftlich sinnvoll sind und über Vertriebsmodelle von den Sparkassen vermittelt werden können. So können kostspielige Produktentwicklungsleistungen in Kauf genommen werden, die von einem einzelnen Institut nicht zu tragen wären. Marktanteile im Konsumentenkreditgeschäft zurückgewinnen, gemeinsame Abwicklung von Backoffice-Tätigkeiten in der Bankenservice GmbH, Unterstützung im internationalen Geschäft - auch hier sind die Chancen groß - unter dem Dach der Landesbank Berlin AG.

"Mit ihrer Geschäftsphilosophie nehmen Sparkassen in besonderer Weise Verantwortung für die Gesellschaft wahr. Die besondere Bindung an das wirtschaftliche Wohlergehen der Regionen und aller Teile der Bevölkerung stellt sicher, dass Sparkassen ihren Erfolg nicht gegen die Interessen ihrer Kunden suchen. Dies gewährleistet nachhaltiges Wirtschaften, das einer zu einseitigen Ausrichtung an kurzfristigen Kapitalmarktinteressen langfristig deutlich überlegen und im Interesse der Menschen in der Region ist." So lautet das Bekenntnis der Sparkassenorganisation in den Bochumer Leitlinien zu ihrem Auftrag und Selbstverständnis. Das gilt für alle Sparkassen - Öffentlich-Rechtliche wie Freie. Es ist eine Frage der Einstellung und nicht der Rechtsform. Wie wandlungsfähig die Sparkassen sind, haben die vielen Veränderungen in den vergangenen Jahren gezeigt. Um konkurrenzfähig und attraktiv zu bleiben, dürfen die Anstrengungen nicht nachlassen.

Das wird auch die Antwort an die EU sein müssen, um die Sparkassen unangreifbar zu machen. EU-konforme Eigentumsverhältnisse, international verständliche Konstruktionen und Rechtsformen und nicht zuletzt auch die Schaffung von Gestaltungsräumen, die den Sparkassen geschäftspolitisches Handeln weitgehend ohne politischen Einfluss und nur mit Fokussierung auf die in der eigenen Satzung und in der Organisation verbindlichen Leitlinien ermöglicht - das sind die großen Zukunftsaufgaben. Hier ist Kreativität gefragt, Mut und Intelligenz, denn die Antworten sind nicht einfach, die Widerstände dagegen groß.

Alternativen zu dem fest gefügten öffent-lich-rechtlichen System müssen diskutiert werden. Es ist eine Binsenweisheit, dass es immer vorteilhafter ist, Zukunft selbst zu gestalten als sich diese Gestaltung von Dritten, die sich niemals wirklich in die eigene Identität hinein denken können, diktieren zu lassen. Wenn die Sparkassen ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen, kann ihnen nicht bange sein.

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