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Marktneutrale Strategien - gewinnen, wenn der Markt verliert

Der Rentenmarkt ist für Investoren derzeit kein Zuckerschlecken: Das extrem niedrige Zinsniveau von risikolosen Bonds ermöglicht kaum Renditen, die über der Teuerungsrate liegen. Ein Beispiel dafür sind zehnjährige Bundesanleihen, deren jährliche Rendite die Euro-Inflation wieder aufzehrt. Hinzu kommt das Zinsänderungsrisiko. Sollten die Zinsen künftig wieder anziehen, sinken im Gegenzug die Kurse der bereits begebenen Anleihen.

Und dass die Zinswende kommt, ist gar nicht so unwahrscheinlich: Die jüngsten Äußerungen des US-Notenbankchefs Ben Bernanke über ein mögliches Ende des "Quantitative Easing"-Programms lassen darauf schließen. Derzeit kauft die Federal Reserve (Fed) jeden Monat für 85 Milliarden Dollar Staatsanleihen, Hypothekenkredite und andere Wertpapiere auf. Die US-Notenbank plant nun, die Kaufprogramme zurückzufahren und bis Mitte 2014 ganz einzustellen. Falls die Ära der ultralockeren Geldpolitik in den USA tatsächlich zu Ende gehen sollte, dürfte der Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus nicht lange auf sich warten lassen.

Alternative: Marktneutrale Strategien

Was also tun? Der Aktienmarkt stellt für Bond-Anleger keine wirkliche Alternative dar, da die Volatilität bei Aktien gegenüber Investmentgrade-Anleihen sehr hoch ist. Deshalb sind innovative Investmentlösungen gefragt: Marktneutrale Strategien bieten einen Ausweg aus dem Zins- und Volatilitäts-Dilemma. Das Ziel dieser Strategien ist es, positive Realrenditen unabhängig von den Marktbewegungen zu generieren - bei möglichst geringer Volatilität.

Marktneutrale Strategien lassen sich über die Terminmärkte umsetzen. Dabei nehmen Investoren beispielsweise an, dass sich Wertpapier A besser als Wertpapier B entwickelt. Der Investor erwirbt über den Terminmarkt das Recht, künftig zu einem festgelegten Preis das Wertpapier A zu kaufen (Long-Position) und zugleich Wertpapier B zu verkaufen (Short-Position). Ausschlaggebend für das Investmentergebnis ist nicht die absolute, sondern die relative Performance des Paares. Selbst wenn zum Beispiel die Kurse der beiden sich "duellierenden" Wertpapiere fallen sollten: Es zählt die Performance-Differenz. Verliert etwa das favorisierte Wertpapier A zehn Prozent und das Referenz-Wertpapier B 20 Prozent an Wert, ergibt sich daraus ein positiver Ertrag von zehn Prozent. Somit sind Erträge auch in fallenden Märkten möglich.

Kurzum: Das wesentliche Merkmal marktneutraler Strategien besteht darin, dass die Bewegung des Marktes für den Investmenterfolg grundsätzlich keine Rolle spielt. Es kommt lediglich auf die relative Performance von zwei eigenen Investments zueinander an. Umsetzen lässt sich dies durch die Kombination einer Long-Position auf das eine Anlageobjekt und einer Short-Position auf das andere.

Doch wie lassen sich marktneutrale Strategien im Fixed-Income-Bereich umsetzen? Dies ist zum Beispiel mit Fonds möglich, die nicht nur in Anleihen, sondern auch in Credit Default Swaps (CDS) auf Einzeltitel und CDS-Indizes investieren. CDS sind Kreditausfall-Versicherungen, die im Interbankenmarkt laufend gehandelt und in Basispunkten ausgedrückt werden. Es gilt: Je niedriger der CDS-Preis eines Anleihe-Emittenten (Schuldners), desto besser bewertet der Markt dessen Bonität. Umgekehrt deutet ein hoher CDS-Wert auf die schwache Bonität eines Schuldners hin. Sollte der Schuldner zahlungsunfähig werden, deckt der Sicherungsgeber, etwa ein Versicherer oder eine Bank, den Anspruch des Sicherungsnehmers.

Mit diesen CDS können sich Investoren gegen ein Kreditereignis wie Insolvenz des Kreditnehmers absichern, oder auf den Eintritt eines Kreditereignisses spekulieren. Bei einem CDS gibt es einen Sicherungsnehmer (Protection-Käufer), der sich gegen den Eintritt des Kreditereignisses absichert. Der Sicherungsgeber (Protection-Verkäufer) hingegen übernimmt dieses Kreditrisiko und erhält dafür die CDS-Prämie vom Sicherungsnehmer.

CDS-Investoren, die etwa davon ausgehen, dass sich die Bonität eines Schuldners verbessern wird (Kreditrisikoprämie sinkt), nehmen die Position des Sicherungsgebers ein. CDS-Investoren, die jedoch auf eine sich verschlechternde Bonität setzen (Kreditrisikoprämie steigt), nehmen die Position des Sicherungsnehmers ein. Die Kombination von Long- und Short-CDS-Positionen ermöglicht es, prinzipiell in jeder Marktlage profitieren zu können. Fondsmanager können zudem durch das Kombinieren von Sicherungsgeber- und Sicherungsnehmer-Positionen dauerhaft stabile Erträge erzielen. Im Folgenden sollen drei Beispiele erläutern, welche Ansätze sich im Bereich marktneutraler Fixed-Income-Strategien etabliert haben: Absicherung auf Unternehmensebene: Erstens die Absicherung auf Unternehmensebene: Es wird eine Absicherung auf ein Unternehmen A verkauft. Der Investor nimmt also die Position des Sicherungsgebers ein und setzt auf fallende Risikoprämien. Zugleich wird eine Absicherung auf ein anderes Unternehmen B gekauft. Der Investor nimmt die Position des Sicherungsnehmers ein und setzt auf steigende Risikoprämien. Ein Gewinn entsteht, wenn der Bonitätsspread von B stärker zunimmt, beziehungsweise weniger stark abnimmt, als der Bonitätsspread von A.

Absicherung auf Branchenebene: Beispiel zwei beschreibt die Absicherung auf Branchenebene: Diese funktioniert über Index-Absicherungen. So kann das Fondsmanagement eine Long- und Short-Position auf das liquide Investment-Grade-Universum von Unternehmensadressen und auf die iTraxx-/CDX-/ und Sovereign-Indexfamilien einnehmen. Ein Index aus dieser Reihe ist zum Beispiel der iTraxx Europe Main Index - ein CDS auf ein Portfolio von 125 europäischen Investment-Grade-Adressen, die sich auf Einzeladressen aus den Sektoren Autos & Industrials (30 Titel), Consumers (30 Titel), Energy (20 Titel), Telecommunications (20 Titel) und Financials (25 Titel) verteilen. Dabei wird beispielsweise eine Absicherung auf den Branchenindex iTraxx Senior Financials gekauft, die Sicherungsnehmer-Position setzt auf steigende Kreditrisikoprämien im iTraxx Senior Financials; eine entsprechende Absicherung auf den iTraxx Europe Main Index wird verkauft, die Sicherungsgeber-Position setzt auf fallende Risikoprämien - Gewinn entsteht, wenn etwa eine Bonitätsverschlechterung des Branchenindex (iTraxx Senior Financials) gegenüber dem Gesamtmarkt (iTraxx Europe Main Index) eintritt.

Investments auf der Kreditrisikokurve:

Das dritte Beispiel schildert das Erzielen eines Ertrags aus einer Versteilerung oder Verflachung der Kreditrisikokurve: Im Falle der Versteilerung werden CDS-Prämien für längere Laufzeiten, zum Beispiel zehn Jahre, relativ teuer gegenüber CDS-Prämien bei kürzeren Laufzeiten, zum Beispiel fünf Jahre. Im umgekehrten Fall verflacht sich die Kreditrisikokurve. Dann wird die Absicherung von längeren Laufzeiten zu kürzeren Laufzeiten relativ günstiger. Die Strategie "Fünf-Jahre" gegen "Zehn-Jahre" ("5Y vs. 10Y") ist besonders attraktiv, da die 5/10er-Kurve weniger schwankt, also weniger volatil ist und über länger andauernde Trendphasen verfügt als der Index.

Setzt ein Investor zum Beispiel auf einen sogenannten 5Y-vs-10Y Pair-Trade, der auf eine steiler werdende Kurve hinausläuft, glaubt er, dass die kurzfristigen Aussichten des Schuldners besser als die langfristigen sind. Der Investor nimmt bei den CDS-Prämien mit fünfjähriger Laufzeit die Position des Sicherungsgebers ein und setzt auf fallende Bonitätsspreads. Er verkauft daher eine Absicherung im Fünfjahresbereich und kauft eine Absicherung im Zehnjahresbereich. Geht der Investor von einer flacher werdenden Kurve aus, positioniert er sich genau umgekehrt. Er kauft eine Absicherung im Fünfjahresbereich und verkauft eine Absicherung im Zehnjahresbereich. Um gegen eine Parallelverschiebung der Kreditrisikokurve nach oben oder unten immun zu sein, können diese Geschäfte durationsgewichtet abgeschlossen werden.

In der Praxis erprobt

Dass sich die Strategie in der realen Investmentwelt gerade von institutionellen Anlegern erfolgreich umsetzen lässt, zeigt der Fonds LBBW Pro-Fund Credit I. Mit seiner marktneutralen Long-Short-Strategie, die er über CDS-Trades umsetzt, erreichte er eine stabile Performance bei geringer Volatilität. Seit seiner Auflage am 4. Juni 2010 bis zum 4. Juli 2013 hat der Fonds eine jährliche Wertentwicklung von 4,09 Prozent erzielt. Die Volatilität liegt seit Auflage bei 1,65 Prozent per annum. Die marktneutrale Strategie über die Kreditderivate ermöglicht eine nahezu vollständige Eliminierung des Zinsänderungsrisikos. Der Anspruch des Fondsmanagements ist es, eine - im Vergleich zu einer "Long-Only"-Strategie - höhere risikoadjustierte Performance zu erzielen. Außerdem soll eine möglichst geringe Korrelation zu den klassischen Anlageklassen, wie zum Beispiel Renten und Aktien, erreicht werden. Beim Investment strebt der Fonds LBBW Pro-Fund Credit I eine ausbalancierte Kombination von Sicherungsgeber- und Sicherungsnehmer-Positionen an. CDS-Derivate verfügen gerade im Zuge der europäischen Schuldenkrise über eine hohe Marktliquidität, wodurch sie auch in Stress phasen gut handelbar sind. So sind die Fondsmanager stets in der Lage, Positionen zu schließen oder neue Positionen aufzubauen, um das Risiko des Fonds jederzeit aktiv zu steuern.

Bewährung in Stresssituationen?

Investoren, die marktneutrale Strategien zur Diversifizierung ihrer bestehenden Rentenallokationen nutzen, sind in erster Linie institutionelle Investoren wie zum Beispiel Banken, Versorgungswerke, Pensionskassen und Versicherungen. Sie schätzen an der Strategie vor allem die geringe Volatilität, mit der eine auskömmliche Performance erreicht werden kann. Im Rückblick konnte der Fonds insbesondere dadurch überzeugen, dass er im sehr schwierigen Investmentjahr 2011 - der Dax verlor rund 15 Prozent seines Wertes - einen positiven Ertrag erwirtschaften konnte. Und da viele Investoren derzeit das Zinsänderungsrisiko als hoch einstufen, kommt diese Marktentwicklung dem Fonds zugute.

Neben der Chancen-Analyse spielt die Risiko-Einschätzung eine wichtige Rolle. Das aktive Portfolio-Management verfolgt das Ziel, frühzeitig Marktverwerfungen zu erkennen und das Risiko entsprechend zu steuern. Bevor das Management eine Strategie umsetzt, überprüft es sehr genau, wie sich der Fonds in Stresssituationen der vergangenen Jahre verhalten hätte. Eine Strategie muss daher bereits vor der Umsetzung beweisen, dass sie die vergangenen Jahre unbeschadet überstanden hätte.

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