Gespräch des Tages

Mittelstand - Keine Finanzierungsnot

Die Commerzbank hat seit einigen Jahren erklärtermaßen den Mittelstand im Fokus. Das Segment Mittelstandsbank liefert mit Abstand den größten Ergebnisbeitrag und erwirtschaftete im Jahr 2011 beispielsweise mehr als die drei gewinnbringenden Segmente (Privatkunden, Central & Eastern Europe und Corporate & Markets) zusammen. Im ersten Quartal 2012 war der Ergebnisbeitrag der Mittelstandsbank mit 487 Millionen Euro gegenüber 229 Millionen Euro gar mehr als doppelt so groß.

Welchen hohen Stellenwert das Mittelstandsgeschäft in der Commerzbank hat, konnte man Ende Januar auf einer Pressekonferenz zum Stand der Eigenkapitalausstattung beobachten. Dort war dem Vorstandsvorsitzenden Martin Blessing bei allen Erfolgsmeldungen auf dem Weg zur Umsetzung der EBA-Eigenkapitalanforderungen bis Ende Juni dieses Jahres sichtlich an einer weiteren Botschaft gelegen: Im Zuge der Stärkung der Eigenkapitalbasis soll das Mittelstandsgeschäft keinesfalls vernachlässigt werden. Um diese Absicht zu untermauern, durfte eigens der für die Mittelstandsbank zuständige Vorstand Markus Beumer die Ambitionen in diesem Geschäftsfeld erläutern. Klarer Tenor auch hier: Der Abbau von nicht strategischen Risikoaktiva soll nicht zulasten der Finanzierung des deutschen Mittelstands gehen.

Den hohen Rang des Mittelstandsgeschäfts in ihrer strategischen Geschäftsausrichtung dokumentiert die Commerzbank nicht zuletzt in einer Vielzahl eigener Studien in der Reihe Unternehmer-Perspektiven. Zuletzt befragte die beauftragte TNS Infratest 4000 Mittelständler mit einem Jahresumsatz ab 2,5 Millionen Euro zum Thema "Gute Schulden, schlechte Schulden: Unternehmertum in unsicheren Zeiten". Laut Unternehmensregister des Statistischen Bundesamtes stellen diese allerdings gerade einmal rund fünf Prozent der Gesamtheit der Unternehmen dar. Damit lässt die Untersuchung rund 95 Prozent der Unternehmen außen vor. Und die Überschneidung mit der typischen Klientel der Sparkassen und Genossenschaftsbanken dürfte vergleichsweise gering sein.

Von der Mehrheit dieser befragten Mittelständler wird derzeit die Innenfinanzierung aus Gewinnen oder Rücklagen (60 Prozent) beziehungsweise aus Umsatz/Cash-Flow (56 Prozent) als wichtigstes Finanzierungsinstrument genannt. Erst an zweiter Stelle folgt mit 41 Prozent der mittel- und langfristige Bankkredit, also der Klassiker unter den Finanzierungsformen. Fast ein Drittel der Unternehmen sieht Leasing als wichtige Finanzierungsform an. Im Tagesgeschäft spielen auch Kontokorrentkredite nach wie vor eine wichtige Rolle und werden von 35 Prozent der Unternehmen genutzt. Darüber hinaus werden Lieferantenkredite und Kundenanzahlungen in Anspruch genommen, wobei deren Bedeutung mit 20 beziehungsweise 18 Prozent leicht zu verlieren scheint. Eher Exoten sind hingegen kapitalmarktnahe Finanzierungsinstrumente. Nur von drei Prozent beziehungsweise einem Prozent der Unternehmen werden Private-Equity- und Mezza-nine-Kapital genutzt. Und aller Öffentlichkeitsarbeit der diversen (Regional-)Börsen für ihre speziellen Mittelstandssegmente zum Trotz spielt dieses Instrument zumindest bisher selbst bei den größeren KMUs nur selten eine gewichtige Rolle.

Aus Sicht des Marktpotenzials für das Mittelstandsgeschäft mögen die Commerzbank und andere Institute den hohen Anteil der Innenfinanzierung bedauern. Schließlich entgeht der Kreditwirtschaft beispielsweise durch die vergleichsweise bescheidene Inanspruchnahme von Krediten in der Größenordnung von 50 bis 60 Prozent gegenüber 70 bis 75 Prozent vor der Krise eindeutig Geschäft. Doch mit Blick auf die besonders auf politischer Seite immer wieder befürchtete Kreditklemme wirken die Studienergebnisse einigermaßen beruhigend: Die Mittelständler wollen und brauchen derzeit weniger Kredit.

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