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... Peter Götz / Kommunalfinanzierung unter neuen Rahmenbedingungen - was will die Politik?

Meldungen von Banken, die bestimmten Kommunen in Deutschland keine Kredite mehr gewähren wollen, flatterten bereits vor Monaten durch die Medien. Zurückhaltung und Misstrauen kennzeichnen die Märkte. Die globale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise und die zu einem beachtlichen Teil daraus resultierende europäische Staatsfinanzkrise haben enorme Auswirkungen auf die Finanzierung öffentlicher Haushalte. Spätestens der notwendig gewordene Schuldenschnitt für Griechenland verdeutlichte Anlegern ganz praxisnah die Risiken bei Staatsanleihen auch innerhalb der Europäischen Union. Andererseits lernen die öffentlichen Haushälter sich wieder dem Prinzip der Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit zu unterwerfen, wenn auch meist aus ganz eigennützigen Gründen. Es geht um das Gewinnen von Marktvertrauen, also um Zugang zu Kapital und tragbare Zinsen.

Verschuldungsspirale durchbrechen

Heute ist die im deutschen Grundgesetz verankerte Schuldenbremse Vorbild für ganz Europa. Diese von Bundeskanzlerin Angela Merkel forcierte Reform gab den öffentlichen Haushalten Deutschlands lange vor der Insolvenz von Lehman Brothers einen soliden Rahmen. Davon profitieren wir heute ungemein. Wahr ist aber auch, dass damit die Haushaltspolitiker aller staatlichen Ebenen vor enorme Herausforderungen gestellt werden. Die Konsolidierung der Haushalte ist schwierig und nicht frei von politischem Verhetzungspotenzial. Um die Verschuldungsspirale der öffentlichen Hand zu durchbrechen ist sie jedoch der einzige Ausweg.

Niemand ist frei von Schuld und Fehlverhalten. Auch die Kommunen nicht. Zahlreiche deutsche Städte und Gemeinden hatten riskante Zinswetten (Swaps) abgeschlossen und damit hohe Verluste eingefahren. Zwischen 1995 und 2003 hatten außerdem viele Kommunen und kommunale Zweckverbände das sogenannte Cross Boarder Leasing (CBL-Verträge) als vermeintlich risikofreie Möglichkeit zur Aufbesserung ihrer Finanzen entdeckt. Verkehrsinfrastruktur, Wasserver- und -entsorgungsanlagen, Messehallen und Krankenhäuser wurden langfristig an US-Investoren verleast. Swaps oder CBL-ähnliche Verträge als Finanzierungsmodelle scheiden für Kommunen heute aus. Das ist eine der Lehren, die die Kämmerer aus der Finanzkrise zu ziehen hatten.

Kreditspielräume wahren Die grundlegende Neugestaltung des europäischen Bankenaufsichtsrechts (Basel III), wozu unter anderem Neuregelungen zur Höhe und Qualität der Eigenmittel sowie zum Risiko- und Liquiditätsmanagement gehören, ist vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise zwingend notwendig. Eine grenzüberschreitende Stärkung der Kapitalpolster von Banken ist richtig. Fehlentwicklungen im Finanzsektor, wie wir sie in der Vergangenheit erleben mussten, darf es zukünftig nicht mehr geben.

Unstrittig ist das Risiko, dass bei einer undifferenzierten Umsetzung der Eigenkapitalanforderungen und Kennzahlen für alle Institute gerade in jenen Bereichen Kreditengpässe ausgelöst werden könnten, die für die Realwirtschaft wichtig sind: beim Mittelstand und bei den Kommunen. Insbesondere der bislang vorgesehene Abzug der bei Regionalverbänden der Sparkassen und Volksbanken gehaltenen Beteiligungen vom Eigenkapital könnte zu einer Einschränkung der Kreditspielräume insbesondere der Sparkassen führen. In einigen Regionen ist eine spürbare Eigenkapitalminderung zu befürchten.

In der Frage der Aufsicht hat sich die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag deshalb zu Recht dafür ausgesprochen, kleinere regional agierende Banken nicht durch neue bürokratische Melde- und Berichtspflichten zu belasten. Der Vielfalt im europäischen und deutschen Finanzmarkt und insbesondere der mittelständischen Strukturen sowie dem Grundsatz der abgestuften Aufsichtsintensität sollte entsprechend der Risikostruktur des beaufsichtigten Instituts angemessen Rechnung getragen werden. Die Dreigliedrigkeit des deutschen Bankensystems darf nicht zur Debatte stehen. Sie wird den mittelständischen Strukturen und der regionalen Vielfalt der deutschen Wirtschaft in besonderer Weise gerecht.

Gesamtstaatlicher Finanzverbund

Aber richtig bleibt, dass das übergeordnete Interesse Deutschlands ein möglichst internationales Vorgehen ist. Diese Priorität nützt letztlich auch den Kommunen, denen in Krisen die Einnahmen ruckartig wegbrechen und gleichzeitig die Sozialausgaben anwachsen. Das führt zu enormen Haushaltsdefiziten. Bei allen berechtigten Sorgen im Zusammenhang der Basel-III-Umsetzung dürfen die eigentlichen und noch immer nicht ausreichend bekämpften Ursachen der Krise nicht ignoriert werden. Generelle Ausnahmen - beispielsweise für Deutschlands Sparkassen - drohten am Ende auch zu Ausnahmen für Banken andernorts zu führen. Damit würde man das Kind mit dem Bade ausschütten und am Ende wäre europaweit - und somit auch für die deutschen Kommunen - nichts gewonnen.

Dasselbe gilt für das Verlangen der Kommunen, eigene Kredite bei der Festsetzung und Wertung von Verschuldungs-Obergrenzen von Kreditinstituten (Leverage Ratio) grundsätzlich mit einem Null-Risiko zu gewichten. Das ist im europäischen Kontext nicht angemessen. Dabei ist klar, dass sich das Risikogewicht für Kommunalkredite in Deutschland auch in Zukunft an der Bonität des Zentralstaates orientieren wird, weil für Deutschland der gesamtstaatliche Finanzverbund aus Bund, Ländern und Kommunen gilt.

Diskussion um Eurobonds

Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Urteil aus Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2012, das die verfassungsrechtliche Finanzverantwortung der Länder gegenüber den Kommunen bestätigte und dem Land Rheinland-Pfalz finanzielle Nachbesserungspflichten zugunsten seiner Gemeinden auferlegte. Neben dem Verfassungsrahmen sprechen zudem die in einzelnen Bundesländern aufgelegten Entschuldungsfonds für die Wirksamkeit des Finanzverbundes. Zu befürchten bleibt lediglich, dass von Banken das Argument der Bonität der Kommunen vorgeschoben werden könnte, um höhere Margen zu erwirtschaften.

Tatsächlich unkalkulierbare Risiken bergen heute für die Kommunalfinanzierung ganz andere Scheinlösungen in der Debatte um die europäische Staatsfinanzkrise. Die Forderungen nach gemeinsamen europäischen Staatsanleihen (Eurobonds) werden schließlich nicht nur von EU-Kommissionschef Barroso und meist südeuropäischen Regierungen unterstützt. Nach der Präsidentenwahl in Frankreich wird diese Diskussion erneut forciert. Unverständlicherweise werden Eurobonds auch von der Opposition im Deutschen Bundestag als Allheilmittel betrachtet.

SPD und Grüne ignorieren mit ihrer Politik zum Nachteil der deutschen Steuerzahler neben dem deutschen Grundgesetz auch das europarechtliche Verbot der Haftungsübernahme für andere Staaten (Art. 125 AEUV). In den Rathäusern und Landratsämtern wächst die Angst, dass mit den von SPD und Grünen geforderten Eurobonds die Zinsen der Kommunalkredite steigen. Wenn der Zinssatz um nur ein Prozent steigt, bedeutet dies für deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise eine jährliche Mehrbelastung von rund 1,5 Milliarden Euro. Neben diesen unmittelbaren Mehrkosten entstehen den Kommunen durch Eurobonds indirekt weitere unkalkulierbare Nachteile. Nach einer Einschätzung des Ifo-Instituts resultierten aus Eurobonds für Deutschland zusätzliche Zinskosten von bis zu 47 Milliarden Euro pro Jahr. Diese belasten zwar in erster Linie die Haushalte von Bund und Ländern, aber damit engt sich deren Spielraum für kommunalrelevante Finanzierungen dauerhaft ein. Kommunalpolitiker wissen, dass das nichts Gutes bedeuten kann.

Die Bundesregierung hat sich zum Glück eindeutig positioniert: Jeder Euro-Staat muss dauerhaft für seine von ihm eingegangenen finanziellen Verpflichtungen einstehen. Haftung und Eigenverantwortung gehören untrennbar zusammen. Aufgrund fehlender Weisungs- und Durchgriffsrechte auf überschuldete Staaten lehnt die CDU die Einführung von Eurobonds ab. Die Vergemeinschaftung von Schulden fällt nicht unter das Solidaritätsprinzip. Anstatt der Verschuldungspolitik Einhalt zu gebieten, würde anderenfalls der wirksamste Anreiz für solides Haushalten - die Angst vor hohen Zinssätzen zerstört (vergleiche Beschluss "Starkes Europa - starkes Deutschland", Leipzig November 2011, Seite 14).

Fiskalpakt nicht aufweichen

Auch darf der schwer auszuhandelnde Fiskalpakt nicht aufgeweicht werden. Nur mit ihm kann die Schuldenspirale in Europa beendet werden. Neue, teure Konjunkturprogramme, wie sie die SPD mit ihren sozialistischen Partnern in der EU fordert, treibt die Staatsverschuldung weiter nach oben; das bedeutet neue Schulden, die kommende Generationen zu tragen haben. Das wäre genau die falsche Botschaft an die Märkte und würde die europäische Staatsfinanzkrise verschärfen. Das kann nicht im deutschen Interesse liegen - weder auf Ebene des Bundes noch der der Länder und schon gar nicht auf Gemeindeebene direkt vor Ort.

Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion eingefügt.

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