Gespräch des Tages

Produktinformationsblätter - Verständlichere Fachsprache

Die interessierte Öffentlichkeit darf es im aktuellen Wahlkampf gerade wieder einmal geballt am eigenen Leib erfahren: Rhetorisch geschulte Redner (und Schreiber) sind Meister darin, Informationen in ellenlangen Beiträgen versickern zu lassen oder so zu verklausulieren, dass selbst bemühte Rezipienten an ihrer Entschlüsselung scheitern. Das mag einem - gewiss verständlichen - Wunsch nach korrekten Formulierungen entspringen, dem Bemühen, eine emotional aufgeheizte Debatte nicht eskalieren zu lassen oder aber dem Verlangen, sich hinterher nicht an einer allzu konkreten Aussage messen lassen zu müssen. In der Kreditwirtschaft hingegen werden derzeit - wenn auch nicht ganz freiwillig - säulenübergreifende Bemühungen unternommen, die Verständlichkeit von schriftlichen Kundeninformationen zu verbessern. Konkret geht es um die im Jahr 2010 auf Basis einer Selbstverpflichtung eingeführten, seit Juli 2011 jedoch gesetzlich vorgeschriebenen Produktinformationsblätter (Pib). Das Anlegerschutzgesetz schreibt vor, dass diese leicht verständlich sein müssen und alle Angaben zur Funktionsweise des Finanzprodukts, seinen Risiken, Renditechancen und Kosten enthalten sollen.

Verbraucherschützer und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) äußerten in der Vergangenheit Bedenken hinsichtlich der Qualität der Pibs. Eine Studie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) aus dem Jahr 2012 konstatiert, dass zwar fast allen Verbrauchern die Verständlichkeit von Produktinformationsblättern wichtig ist, dass jedoch der damalige Status quo nicht den Erwartungen entspreche: Fachbegriffe und lange, komplizierte Sätze führten zu wenig eingängigen Texten. Auf Initiative des Ministeriums gründete sich daher im Juli 2012 eine Arbeitsgruppe und im Auftrag der kreditwirtschaftlichen Verbände untersuchte die auf Kommunikation spezialisierte Gesellschaft Exameo 340 Produktinformationsblätter der verschiedenen Produktgattungen - darunter Aktien, Anleihen, Zertifikate, Pfandbriefe. Zunächst wurden potenziell schwierige Begriffe identifiziert.

In der Arbeitsgruppe der Deutschen Kreditwirtschaft mit Beteiligung des Deutschen Derivate Verbandes (DDV), des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sowie dem BMELV wurden Begriffe herausgefiltert, die vereinfacht, vereinheitlicht oder zukünftig nicht mehr verwendet werden sollen. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und die BaFin begleiteten die Arbeit der Gruppe.

Das Ergebnis des Prozesses ist ein gelungenes Glossar, das zeigt, dass es durchaus möglich ist, auch kompexe Sachverhalte verständlich auszudrücken. 66 standardisierte Begriffserläuterungen wurden entwickelt, 61 Begriffe festgelegt, die künftig erklärt werden, und 131 Begriffe herausgefiltert, die in der Regel nicht mehr verwendet werden sollen. Mit der Begründung "zu fachspezifisch" gestrichen wurden beispielsweise der "ausschüttungsfähige Überschuss", die "Entgeltsimulation" oder der "Indexdisclaimer". Schwerpunkt bei der Überarbeitung des Vokabulars waren die Themen Kosten und Risiken. "Hedge" heißt künftig "Absicherungsgeschäft", acht verschiedene Bezeichnungen für Anleihen wurden auf zwei reduziert. Der ganze Text zum "Emittentenrisiko" beispielsweise liest sich in seiner neu erarbeiteten Fassung deutlich runder, denn sechs verschachtelte Sätze wurden durch zwei einfache ersetzt.

Ein Schelm, wer nun schlussfolgert, bisher seien Produktinformationsblätter in manchem Haus lediglich erstellt worden, um formal einem Gesetz Genüge zu tun: Schließlich sind die im Gefolge der Finanzkrise angestoßenen Regulierungsmaßnahmen gerade im Bereich der Anlageberatung zahlreich, ihnen zu entsprechen, verursacht (gerade bei kleinen) Banken und Sparkassen hohen Zeit- und Kostenaufwand. Juristische Korrektheit steht daher aus Sicht der Finanzdienstleister zweifelsohne im Vordergrund, doch auch Verständlichkeit muss ihnen ein Anliegen sein. Unbestritten macht es viel Arbeit, beides miteinander zu kombinieren. Dass Kreditinstitute in ihrem Bemühen um gute Kommunikation mit den Anlegern nun auf die Ergebnisse der Gruppe zurückgreifen können, ist positiv zu werten. Die kreditwirtschaftlichen Verbände werden ihren Mitgliedern empfehlen, die Vorgaben des Glossars bis zum 1. Dezember 2013 umzusetzen.

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