Gespräch des Tages

Rechtsfragen - Revision der Prospektrichtlinie

Oberregierungsrat Jochen Robert Elsen, Frankfurt am Main, und Prof. Dr. Lars Jäger, Fachhochschule Worms, schreiben der Redaktion: "Zu Beginn des Jahres 2009 leitete die EU-Kommission die stark beachtete Revision der Prospektrichtlinie ein (121 Stellungnahmen). Am 24. September 2009 hat sie nun einen Vorschlag zur Änderung der Prospektrichtlinie vorgelegt.

Die geplanten Änderungen tragen unter anderem Bedenken deutscher Marktteilnehmer Rechnung, die zuweilen bereits bei den Verhandlungen zur Prospektrichtlinie 2003/71/EG artikuliert wurden. Prominentes Beispiel ist das nunmehr für alle Nichtdividendenwerte vorgesehene Wahlrecht für Emittenten zwischen Sitzstaat und dem Staat, in dem öffentliches Angebot beziehungsweise Börsenzulassung erfolgen sollen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand zudem die Anforderung für Emittenten, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt zugelassen sind, jährlich ein Dokument zu erstellen, das kapitalmarktrechtlich relevante Veröffentlichungen zusammenfasst oder jedenfalls in Form einer Liste referenziert (vergleiche Art. 10 RL). Nach Kritik aus dem Markt, dem Ziel, die Bürokratiekosten für Unternehmen bis

2012 um ein Viertel zu senken und aufgrund der schon durch die Transparenzrichtlinie fortlaufenden periodischen Veröffentlichungen soll diese Anforderung entfallen. Ein weiterer neuralgischer Punkt waren die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. De lege lata können Unternehmen, deren Wertpapiere nicht an einem organisierten Markt zugelassen sind, keine Belegschaftsaktien ohne Prospekt an ihre Mitarbeiter ausgeben; dies trifft vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie solche mit Sitz in einem Drittstaat.

Unter der Einwirkung des Kommissionsvorschlages zu strukturierten Kleinanlegerprodukten (Packaged Retail Investment Products, kurz PRIPs)1) soll die Zusammenfassung zu einer Art , key investor information' werden. Der Entwurf nimmt die Beratungen zu PRIPs im Prospektbereich bereits auf. Hiernach soll die Zusammenfassung alle wesentlichen Angaben enthalten, die der Anleger für fundierte Anlageentscheidungen und den Vergleich mit anderen Anlageprodukten benötigt. Diese Anforderung soll einhergehen mit einem verschärften Haftungsregime, da die bisherige Haftungserleichterung bei der Zusammenfassung entfallen soll (vergleiche Erwägungsgrund 10 und Änderungen in Art. 5 (2) und 6 (2) RL). Diese Verschärfung sowie Haftungsfolgen dürften eine spürbare Veränderung darstellen. Zudem stellt sich die Frage, wie das Verhältnis zwischen einer komprimierten Zusammenfassung und dem vollständigen Prospekt zu werten ist, wenn bereits die Zusammenfassung sämtliche anlageerheblichen Angaben enthalten soll.

Klarstellung erfährt die sogenannte Retail-Kaskade, also der mehrstufige Vertrieb von Wertpapieren über Finanzintermediäre. Hiernach muss ein Finanzintermediär auf der zweiten Stufe nicht nochmals einen Prospekt veröffentlichen, wenn der Emittent einen veröffentlicht hat und dieser weiterhin gültig und aktuell ist und der Emittent mit der Weiterverwendung einverstanden ist. Diese nun stattfindende Präzisierung ist in § 3 Abs. 1 Satz 2 WpPG bereits angelegt. Des Weiteren soll die Legaldefinition von 'qualifizierter Anleger' (Art. 2 (1) e) RL) mit der des professionellen Anlegers der MiFID 2004/39/EG durch einen Verweis auf die MiFID in Einklang gebracht werden.

Der typischerweise kurz nach Veröffentlichung der Jahresabschlüsse einsetzende Drang von Emittenten, vor dem Hintergrund der zwölfmonatigen Gültigkeit von Prospekten alsbald die Billigung eines Folgeprospekts anzustreben, dürfte sich künftig entspannen. Art. 9 RL-E sieht die Verdoppelung der Gültigkeitsdauer auf 24 Monate vor. In Abkehr zum bisherigen Wortlaut, wonach nur ein Prospekt durch Nachtrag ergänzt beziehungsweise aktualisiert werden kann, ist nunmehr die Aktualisierung des emittentenbezogenen Registrierungsformulars per Nachtrag vorgesehen. Das Widerrufsrecht soll EWR-weit auf exakt zwei Werktage harmonisiert werden. Die bisherige Mindestharmonisierung (, mindestens zwei Werktage') war für den Emittenten schwer überschaubar und variierte von Land zu Land. Nunmehr ist es allein in der Hand des Emittenten, eine längere Widerrufsfrist einzuräumen. Analog der in Deutschland geübten Praxis sollen Prospekthinterleger bei Notifizierung benachrichtigt werden (vergleiche Art. 18 (1) RL-E).

Insgesamt ist die Revision gerade auch aus Sicht der deutschen Marktteilnehmer sehr begrüßenswert. Die anstehende Neuregelung der Zusammenfassung sollte indes unter dem Eindruck der gerade hierzulande recht strengen - Prospekthaftung erfolgen, um ausgewogen dem Anlegerschutz wie auch einer probaten Marktpraxis gerecht zu werden."

Der Beitrag stellt keine amtliche Stellungnahme dar.

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