Gespräch des Tages

Rechtsprechung - "Spekulative" Schuldzuweisung an Breuer im Kirch-Prozess"?

Über die Kausalitätskritik Honsells am Urteil des OLG München vom 14. Dezember 2012 im Rechtsstreit zwischen der Kirch-Gruppe und der Deutschen Bank wurde in ZfgK 8-2013, Seite 377 berichtet. Ein weiterer schwerwiegender Vorbehalt ist angezeigt, und zwar gegen die Feststellungen des OLG zum angeblich vorsätzlichen Verschuldens Breuers. Die Urteilsgründe erwecken insoweit den ungewöhnlichen Eindruck, dass der Senat des OLG in gewisser mentaler Aversion gegen den (nach Meinung des Gerichts; einvernehmlich falsch aussagenden!) Vorstand der DB zur Frage des vorsätzlichen Verschuldens Breuers eher spekulativ als auf den Tatbestand bezogen argumentiert hat. Er unterstellt nämlich Breuer schlichtweg, dass dieser mit seiner Interviewantwort über das "was man lesen und hören kann", "bewusst und gewollt Dr. Kirch in eine Lage gebracht (habe), in der diesem nur die Wahl blieb, das Angebot (der DB) auf Begleitung der Umstrukturierung seiner Firmengruppe anzunehmen oder den Untergang seiner Firmengruppe mangels anderweitiger Sanierungsmöglichkeiten hinnehmen zu müssen". Diese Spekulation des Gerichts kann schon in dem Kontext nicht bestehen, dass Breuer in einem von Bundeskanzler Schröder am 27. Januar 2002 einberufenen Gespräch die Hilfsbereitschaft der Bank bei einer den Zusammenbruch der Kirch-Gruppe (wegen der befürchteten Auswirkungen auf die gesamte deutsche Medienlandschaft) möglichst abwendenden Umstrukturierung signalisiert hatte. Das OLG hat kein Indiz festgestellt, das darauf hindeuten würde, dass Breuer später diesem "Signal" zuwider Kirch durch die sachlich zutreffende, nur das "was man lesen und hören kann" referierende Antwort auf die (ihn erwiesen unvorbereitet treffende) Interviewfrage vor die Alternative "Vogel, friss´ oder stirb" stellen und ihn im Falle der Weigerung zu "fressen" "bewusst und gewollt" in den Zusammenbruch treiben wollte.

Wenn Breuer bei der Antwort auf die vom Gericht sogenannte "dritte Interviewfrage" überhaupt eine indirekt an Kirch gerichtete Absicht gehabt hatte, dann doch allenfalls die, Kirch auf dessen vom Finanzsektor so gesehene desolate Lage aufmerksam und ihm klar zu machen, dass ihn überhaupt nur eine Umstrukturierung retten könne ("Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenenfalls für eine Stützung interessieren"). Nichts spricht dafür, dass Breuer bei dieser Aussage von der ihm vom OLG substanzlos unterstellten "Verfolgung eines Gewinnstrebens" für die Bank geleitet war und dass er in diesem Zusammenhang eine "versuchte Nötigung" Kirchs gewollt oder auch nur "billigend" in Kauf genommen habe. Schließlich stand zurzeit des Interviews ja auch noch kein Hilfsangebot der Bank an Kirch im Raum, auf das dieser (nach dem angeblichen Plan und Willen Breuers) als einzige Alternative zum Zusammenbruch seiner Gruppe hätte ausweichen können. Der BGH ist hier nun als "letzte Instanz" berufen, nicht nur die Kausalkette des OLG gemäß Honsells überzeugender Analyse neu aufzureihen, sondern auch die Stabilität des "Kartenhauses" des OLG zur Schuldfrage zu überprüfen.

Das - seltsam emotional geprägte - Urteil des OLG München kann nicht die Ultima Ratio in dieser rechtlich und materiell so außergewöhnlichen Auseinandersetzung bleiben. Die gravierenden Bedenken betreffen essenzielle, revisionsrelevante Aussagen des OLG. Und zwar ganz unabhängig von der von Honsell zutreffend formulierten Frage, ob denn in einem Rechtsstaat ein Schadensersatzanspruch in der kolportierten Höhe von einer Milliarde Euro oder mehr (allein) durch eine "wahre Äußerung" überhaupt ausgelöst werden kann.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

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