Interview

Redaktionsgespräch mit Carola Gräfin von Schmettow - "Viele Kunden wollen keine großen, komplexen Strukturen mehr."

Die Voraussetzungen im institutionellen Asset Management sind nicht so schlecht, wie man manchmal glauben möchte. Niedrige Zinsen und hohe Liquidität sorgen bei guten Marktbedingungen für ordentliche Geschäftsmöglichkeiten. Allerdings werden sich die Anbieter umstellen müssen. Denn die Kunden wollen keine komplexen Strukturen mehr, vielmehr Transparenz und Unterstützung beim Risikomanagement. Das eröffnet Chancen für etablierte Anbieter, Marktanteile zu gewinnen, wie Carola von Schmettow im Gespräch mit der Redaktion durchaus zuversichtlich äußert. Abwartend zeigt sie sich hingegen noch gegenüber den steigenden regulatorischen Anforderungen, bei denen allerdings nicht von einer risikogewichteten Betrachtung abgewichen werden sollte. (Red.)

Frau von Schmettow, mit welchen Gefühlen, mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2010?

Es wird immer behauptet, das nächste Jahr sei das schwierigste! Doch rückblickend bleibt festzustellen, dass die Prognosen und Erwartungen vor zwölf Monaten sehr viel düsterer waren, als das gerade abgeschlossene Geschäftsjahr tatsächlich gelaufen ist. Es gab keine Insolvenz einer systemrelevanten Bank, die Märkte haben sich teilweise stabilisiert, der Interbankenhandel ist wieder ein wenig in Schwung gekommen, der Dax hat im Gesamtjahr 2009 um etwa 23 Prozent, seit seinem Tiefstand im März gar um gut 65 Prozent zugelegt.

Für das Jahr 2010 erwarte ich eine weitere Stabilisierung, weil staatliche Rettungsmaßnahmen weiter greifen werden. Das Zurückführen von unkonventionellen Maßnahmen durch die EZB dürfte dem Markt nicht schaden. Allerdings werden wir immer wieder volatile Phasen erleben. Das hat seinen Grund ganz einfach darin, dass viele strukturelle Probleme und Ungleichgewichte noch immer nicht gelöst beziehungsweise beseitigt sind.

Was das Zinsumfeld angeht, rechne ich damit, dass die Zinsen im Euroraum niedrig bleiben werden, da von keinen nennenswerten Inflationsgefahren auszugehen ist, und die Amerikaner werden noch deutlich länger an der Nullzinspolitik festhalten.

Was waren die spürbarsten Veränderungen durch die Krise? Wie haben Kunden, wie haben Anbieter reagiert?

Im vergangenen Jahr haben uns im Geschäft mit Institutionellen Kunden als Konsequenz aus der Krise vor allem drei große Themen bewegt: die knappe Liquidität, ein gestiegener Bedarf der Kunden nach Risikomanagement und der Trend zu einfacheren Produkten.

Mit Liquidität meine ich hier nicht nur die Liquidität im Sinne des Geldmarktes, sondern die Frage, was überhaupt noch handelbar ist. Dass Märkte zum Teil nur noch für Kunden, aber nicht mehr für Banken untereinander offen waren, ist sicherlich eine neue Erkenntnis. Mit diesem Wissen wird seitdem jede neu einzugehende Position hinterfragt.

Zudem haben unsere Kunden einen hohen Bedarf an Unterstützung beim Thema Risikomanagement. Viele institutionelle Kunden, natürlich insbesondere Banken, waren in den vergangenen Monaten stark nach innen gerichtet und haben erst einmal versucht, ihre internen Probleme zu lösen, die eigenen Prozesse zu überarbeiten und zu optimieren. Diese Hausaufgaben haben sie jetzt gemacht. Nun beginnen sie sich zunehmend wieder zu öffnen und schauen wieder nach vorne. Dabei spielt das Thema Risikomanagement eine ganz große Rolle - in kleinen Belangen, aber auch in strategischen Fragen, wie zum Beispiel dem kompletten Outsourcing einzelner Bereiche. Eine weitere Folge der Krise ist der spürbare Trend zu liquideren, transparenteren Produkten. Viele Kunden wollen keine großen, komplexen Strukturen mehr. Die Experimentierfreudigkeit hat nachgelassen. Das hängt mit einem gestiegenen Vorsichtsdenken zusammen, das liegt aber auch und vor allem an der gesunkenen Risikotragfähigkeit.

Was bedeutet der Trend zu einfacheren Produkten für die Fees von HSBC Trinkaus? Sind einfachere Produkte nicht niedriger bepreist?

Lassen Sie mich vorab sagen: Priorität hat das Kundenbedürfnis. HSBC Trinkaus schaut immer, welches Produkt für den Kunden das passende ist - das kann in einem Fall ein Flow-Produkt, im anderen ein komplexeres sein. In der Tat sind Flow-Produkte margenärmer als strukturierte

Anlageformen, jedoch sind auch ihre Produktionskosten geringer. Unter dem Strich ist keine negative Auswirkung auf unsere Gewinn- und Verlustrechnung spürbar im Gegenteil. Denn zum einen haben sich die Geld-Brief-Spannen in 2009 temporär ausgeweitet, zum anderen hat HSBC Trinkaus die Marktanteile in einigen Produkten ausbauen können.

Wie haben Sie denn den Marktanteil ausgebaut - mit Bestandskunden oder durch echte Neukundengewinnung?

Was den Bereich "Institutionelle Kunden" angeht, eines unserer wichtigsten Geschäftsfelder, stellt sich die Situation wie folgt dar: Viele unserer Bestandskunden - dazu gehören vor allem deutsche und österreichische Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerke, Asset-Manage-ment-Gesellschaften, Banken und auch der öffentliche Sektor - möchten ihre Geschäftstätigkeit mit uns aufgrund unserer Stärke auch in der Krise und unseres guten Services ausweiten. Die Kunden schätzen, dass wir in der Krise immer da waren und marktgerechte Preise gestellt haben. Insbesondere für unsere Zertifikate- und Optionsscheinkunden spielen auch Fragen nach der Systemstabilität, nach Ausführungsgeschwindigkeiten oder den Handelszeiten eine wichtige Rolle. Umfassender Handelsservice gewinnt also zunehmend an Bedeutung. Mit unserer Stärke in diesem Bereich möchten wir weiterhin im Wettbewerb punkten, denn auch hier haben wir nachweislich die Servicequalität, die ein professioneller Anleger verlangt.

Neben diesem Ausbau des Geschäfts mit Bestandskunden zielen wir kontinuierlich auf eine selektive Neukundengewinnung ab. Selektiv insofern, als wir Wert darauf legen, dass potenzielle Kunden auch zu uns und unserem nachhaltigen Geschäftsmodell passen.

Grundsätzlich kann man sagen: Wir möchten mit unseren Kunden wachsen, nicht mit unseren Risiken. Ein ausgewogenes Risiko-/Ertragspotenzial ist hier das Stichwort.

Schließlich gibt es aber auch Verschiebungen in den Kundengruppen. Ein Grund für die Finanzkrise war doch, dass Banken andere Banken als Kunden entdeckt haben - in vielen Häusern ein sehr stark wachsendes Segment in den Jahren vor Ausbruch der Krise, große komplex strukurierte, verbriefte Kreditportfolios wurden von Banken an Banken verkauft. Dieser Trend ist so sicher nicht mehr zu beobachten: Die Bedeutung von Banken als Kunden hat nachgelassen - und das ist gut so! HSBC Trinkaus trifft dies aktuell sicher weniger stark als manchen Wettbewerber, war die Bank doch tendenziell eher in den Flow-Produkten als in den hochstrukturierten Produkten tätig und damit nicht ganz so aktiv im Handel von Bank an Bank.

Sie sind bei HSBC Trinkaus neben dem Asset Management für die beiden Geschäftsbereiche "Institutionelle Kunden" und "Handel" verantwortlich. Wie sind diese Geschäftsbereiche in den HSBC Trinkaus-Konzern einzuordnen?

Im HSBC Trinkaus-Konzern gibt es drei Geschäftssegmente: Institutionelle Kunden/Handel, Firmenkunden und vermögende Privatkunden. Mit einem Beitrag von rund zwei Dritteln zum Gesamtergebnis der Bank ist der Geschäftsbereich Institutionelle Kunden/Handel ein sehr wichtiger. Vom Kapital- und Geldmarkt-Know-how profitieren Kollegen aus allen Teilen der Bank. Allerdings sollte man keine Gewichtung innerhalb der Segmente vornehmen. Der Vorteil der Aufstellung von HSBC Trinkaus liegt darin, dass wir Marktschwankungen oder -verwerfungen ausgleichen können. Läuft ein Segment nicht so stark, kann dies oftmals ein anderes ausgleichen. Wenn man sich mit einer Konzentrationsstrategie nur in einem einzigen Geschäftsfeld engagiert, kann man dauerhaft kein Geld verdienen.

Gibt es Produktbereiche in Ihrem Ressort Institutionelle Kunden/ Handel, in denen HSBC Trinkaus überdurchschnittlich gewachsen ist?

Ja, die gibt es, zum Beispiel bei Zertifikaten und Optionsscheinen für Privatkunden. Hier ist der Gesamtmarkt dramatisch eingebrochen und trotz des Ausscheidens des einen oder anderen Mitbewerbers gab es noch keine richtige Bereinigung der Wettbewerbslandschaft, vielmehr blieb der Konkurrenzdruck durch den Markteintritt neuer Anbieter groß. In diesem Marktumfeld hat HSBC Trinkaus Marktanteile deutlich ausweiten können, und zwar vor allem durch die Konzentration auf Trading- Produkte und die anhaltend hohe Nachfrage der Kunden nach diesen - meist von volatilen Märkten profitierenden - Produkten.

Ein weiteres Beispiel ist unser Custody-Geschäft - also die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapierbeständen institutioneller Investoren. Hier haben wir zuletzt noch einmal deutlich zulegen können.

Im Hinblick auf künftiges Wachstum zielen wir mittelfristig auf eine Top 3-Wettbewerbsposition im Fixed-Income-Bereich und eine Top 4-Position bei Retailzertifikaten.

Wie ist bei Anlageprodukten für institutionelle Investoren Ihres Erachtens künftig die Entwicklung der Preise zu beurteilen?

Die Handelsspannen haben sich in den abgelaufenen zwölf Monaten im Vergleich zur "Vorkrisen-Zeit" ausgeweitet. Dieser Trend ist jedoch nicht nachhaltig: der Preiswettbewerb setzt bereits wieder ein. Für 2010 heißt das, die Fees gehen nur in eine Richtung - nach unten!

Inwieweit wird Ihr Geschäft von den neuen Regulierungen und Risikovorschriften tangiert?

Wir sind natürlich von den steigenden Eigenkapitalanforderungen auf den Handelsbüchern betroffen. Weil wir wissen, dass sich die Spielregeln ändern, aber noch nicht wissen, wie sie genau aussehen werden, überlegen wir uns heute schon bei längerfristigen Geschäften, wie die Regulierung morgen aussehen könnte. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Art der Produkte, vor allem aber auch für das Pricing. Allerdings arbeiten so noch nicht alle Wettbewerber.

Seit 1. Januar 2010 sind die Banken in Deutschland gemäß dem neuen Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet, Beratungsgespräche über Geldanlagen zu protokollieren. Welche Rolle spielen Beratungsprotokolle in Ihrer täglichen Arbeit?

Beratungsprotokolle sind ein Instrument im Gespräch mit Privatkunden, also für das Geschäft mit institutionellen Anlegern nicht relevant. Freilich kann man sich auch bei einigen institutionellen Kundengruppen fragen, ob der vermeintliche Schutz des Gesetzes auf sie angewendet werden sollte. Umso wichtiger ist es, dass die Bank die Kundenbeziehung im Vorfeld richtig definiert und richtig zwischen professionellen Kunden und Privatkunden im Sinne der MiFID unterscheidet. Wichtig ist, dass wir bei komplexen Produkten auch unsere Institutionellen Kunden umfassend informieren und auf Chancen und Risiken klar hinweisen.

Im Zertifikatehandel mit Privatkunden richten wir uns sehr wohl an die grundsätzlich im Rahmen der Protokollpflicht relevante Zielgruppe, allerdings ausschließlich über Drittbanken, bei denen die Kunden ein Depot unterhalten. Beratungsprotokolle sind hier in der Regel ausschließlich von den depotführenden Banken zu erstellen. Außerdem sind die meisten Privatkunden, die unsere Produkte kaufen, Selbstentscheider und nehmen keine Beratung in Anspruch, sondern ordern über das Internet.

Was halten Sie von einer Leverage Ratio, die nach den jüngsten Verkündungen aus Basel ja wohl kommen wird?

Sie ist als zusätzliche Steuerungsgröße sicherlich sinnvoll, denn Banken mussten lernen, dass eine reine Value-at-risk-Betrachtung zur Steuerung nicht ausreicht, und dass in gewissen Produkten Volumenslimite durchaus sinnvoll sein können. Wir haben übrigens schon immer ergänzend auch mit Volumenslimiten gearbeitet und fühlen uns darin bestärkt.

Denn es ist sicherlich zu wenig, wenn der Vorstand das Risiko seiner Bank anhand einer einzigen, ihm im Laufe des Tages mitgeteilten Kennzahl beurteilt. Dafür ist Bankgeschäft, bei aller sicher zu begrüßenden Komplexitätsreduktion, immer noch zu vielschichtig.

Allerdings sollten die Regulatoren jetzt nicht von einem System in ein anderes System wechseln und von der grundsätzlichen Ausrichtung auf eine risikogewichtete Betrachtung der Bilanzen abweichen. Außerdem ist die Leverage Ratio auch von der Bilanzierungsmethode abhängig. Deswegen Leverage Ratio ja als Indikator, aber nicht als strikte Vorgabe.

Werden die schärferen Liquiditätsvorschriften den Markt verändern?

Hier zahlt sich für HSBC Trinkaus aus, dass wir über eine sehr gute Liquiditätslage verfügen. Das Verhältnis von Ausleihungen zu Einlagen (advance-to-deposit-ratio) liegt bei uns bei sehr guten 60 Prozent, für die HSBC-Gruppe insgesamt beträgt es immer noch gute 80 Prozent.

Die Krise hat gezeigt, dass eine solide Basis an Kundeneinlagen deutliche Stabilität verleiht. Hinsichtlich der Betrachtung der anderen Positionen der Aktivseite ist einiges in Diskussion. Sollten nur noch Staatsanleihen als liquide Assets akzeptiert werden, würde das den Markt natürlich verändern. Ich denke aber, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Arbeiten Sie in Ihrem Geschäftsbereich eigentlich über Nacht mit offenen Positionen?

Ja, wir haben offene Positionen, insbesondere im Zertifikate- und Optionsscheingeschäft mit Privatkunden. Hier ist HSBC Trinkaus - gemessen an den börslichen Umsätzen - ein Top 5-Anbieter mit Marktanteilen zwischen zwölf und 15 Prozent in einzelnen Produktkategorien, da gehören offene Positionen dazu. Das ist per se auch nichts Schlimmes oder Verwerfliches, man muss es nur managen können und im Idealfall - so wie HSBC Trinkaus, ein Derivatepionier der späten 1980er Jahre - über langjährige Erfahrung verfügen.

Wie ergänzt die Mutter HSBC Ihr Geschäft?

Nun, das beschreibt das Prinzip unseres Hauses - "Das Beste beider Welten" - sehr passend. Es bedeutet, dass wir einerseits eine traditionsreiche deutsche Privatbank sind, nah am Kunden und vor Ort präsent, und den Kunden andererseits durch die enge Bindung zur HSBC-Gruppe die ganze Welt einer internationalen Bank offen steht, inklusive ihres dicht geknüpften Netzwerks. Die Präsenz der Gruppe in mehr als 80 Ländern garantiert unseren Kunden den Zugang zu anspruchsvollen Finanzdienstleistungen, wichtigen Marktinformationen und nicht zuletzt zu erstklassigen Kontakten. Allein der Name "HSBC" ist für uns im Kapitalmarktgeschäft mit institutionellen Kunden ein wichtiges Asset. Wir repräsentieren das Kapitalmarktgeschäft der HSBC in Deutschland und Österreich. Das Geschäft in Deutschland ist voll in den Konzern integriert, wir handeln direkt auf die spezialisierten globalen Handelsbücher der HSBC in den wichtigen Handelszentren dieser Welt. Zudem profitieren wir von der besonderen Expertise und Präsenz der HSBC in den Global Emerging Markets.

Nicht zuletzt kommt uns in Deutschland die globale Platzierungskraft der HSBC, beispielsweise im Debt Capital Markets-Geschäft, zugute. Und last but not least kommen über die HSBC sehr viele externe und internationale Impulse für Corporate Governance und Banksteuerung.

Verstehen die ausländischen Kollegen den deutschen Markt und die deutschen Strukturen?

Lassen Sie mich vorweg schicken: Der Austausch mit Kollegen im globalen Netzwerk ist anregend und extrem fruchtbar. Natürlich sind föderale Strukturen, wie wir sie in Deutschland haben, nicht immer leicht zu vermitteln. Das geht von der Aufstellung mit Bundesländern bis hin zu Besonderheiten des deutschen Bankensystems. Aber auch da helfen die Kollegen der HSBC uns, nicht mit der deutschen "Brille", also sozusagen aus Mikrosicht, betriebsblind zu werden.

Noch einmal abschließend: Das Jahr 2009 war also für HSBC Trinkaus unter dem Strich ein gutes Jahr?

Wir sind sehr zufrieden. Im Fixed-Income-Bereich war es ein fantastisches Jahr, Treasury ist ebenfalls sehr gut gelaufen. Wichtig für unsere Kunden ist: Wir haben durch die Bank weg die Benchmark geschlagen.

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