Interview

Redaktionsgespräch mit Harald Vogelsang - "Sparkassen können nur erfolgreich sein, wenn sie selbstständig in der Region handeln können."

Herr Vogelsang, die Sparkassen feiern dieses Jahr ihren 200. Geburtstag, die Haspa ist immerhin schon 182 Jahre im Geschäft: Die Sparkassenidee scheint aktueller denn je?

Wir feiern jedes Jahr am 16. Juni den Geburtstag unserer Sparkasse. Das ist eine schöne Tradition und zeigt, dass wir zu unseren Wurzeln stehen. Und diese Wurzeln sind in der Tat so aktuell wie bei Gründung der ersten Sparkassen, wenn nicht sogar aktueller, weil der Bedarf an Bankdienstleistungen für die Bevölkerung breiter geworden ist.

Die Gründungsidee beruhte darauf, hier in Hamburg bestens abzulesen, dass die damaligen Privatbankiers an der Versorgung der "gemeinen" Bevölkerung kein Interesse hatten. Das übernahm die Sparkasse. Dieser Ansatz war jedoch so erfolgreich, dass schon nach kurzer Zeit Kundengruppen, an die man gar nicht gedacht hatte, wie die betuchteren Hamburger, ihr Geld gerne zur Sparkasse brachten. Heute sind zumindest die großen Sparkassen wie die Haspa auch auf der Kreditseite für Jedermann da, nicht nur für die kleineren Gewerbetreibenden, sondern auch für die großen Kunden solange sie eine Verwurzelung in der Region haben.

Mit der Strategie der Sparkassen, Einlagen in der Region sammeln und Kredite in die Region hinein vergeben, sorgt man als Kreditinstitut auch für eine prosperierende Region. Und was gut für Hamburg ist, ist auch gut für die Hamburger Sparkasse.

Wie stellen Sie die beschriebenen Großengagements dar?

Diese Engagements erfolgen hauptsächlich in Eigenregie. Sollten sie unsere Großkreditgrenzen überschreiten, dann wollen wir dieses Geschäft nicht. Das kommt der Hamburger Sparkasse natürlich zugute, dass sie groß genug ist, auch dreistellige Millionenkredite gewähren zu können, diese suchen wir uns aber sehr sorgfältig aus.

Hinzu kommen gelegentliche Geschäfte im Konsortium - teils weil der Kunde das wünscht, teils, weil eine Risikoteilung Sinn macht. Was sind die Erfolgsfaktoren der größten deutschen Sparkasse?

Zum einen ist die Hamburger Sparkasse eine freie Sparkasse, deren Eigentümerstruktur es zulässt, dass sie ihre Geschicke komplett in der eigenen Hand hat. Wir hatten und haben keinen Eigentümer, der diese Bank mit übertriebenen Forderungen hinsichtlich Renditen überzieht. Wir müssen auch keine Rücksicht auf Börsenkurse nehmen. Und die Haspa ist auch nicht geratet. Dadurch sind die Möglichkeiten geschaffen, ohne Druck langfristig planen und langfristig investieren zu können.

Gleichzeitig werden die Freiheiten, die die Rechtsform bietet, aber nicht überstrapaziert. Das Institut bewegt sich wie eine öffentlich-rechtliche Sparkasse aus der Region heraus für die Region. Dabei überprüfen wir immer wieder, was aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus wirklich Sinn macht.

Zweitens: Die Haspa hat das Glück, in einer der großen und erfolgreichen Metropolregionen zu agieren. Eine Stärke des Hauses ist sicherlich auch der sehr starke, auf allen Ebenen verwurzelte Teamgedanke. Die Bank funktioniert auch, wenn der Vorstand nicht da ist. Dadurch sind die Lasten auf viele Schultern verteilt. Hinzu kommen der hohe Marktanteil und das Renommee, das die Haspa in der Metropolregion besitzt.

Aber ist die Wettbewerbsintensität in einer solchen Metropolregion nicht noch intensiver? Jeder will dem Marktführer Anteile abjagen.

Der Wettbewerb ist hart, denn jeder, der in Deutschland im Privatkundengeschäft, im Private Banking oder auch im Firmenkundengeschäft Fuß fassen will, kommt nach Hamburg - zuletzt die Commerzbank mit einer groß angelegten Offensive im Privatkundengeschäft. Diesen Wettbewerb empfinden wir aber nicht als Belastung, sondern als Ansporn. Das hält die Bank fit, davon profitiert das Institut, weil es sich selbst und seine Aufstellung immer wieder hinterfragen und verbessern muss. Die Haspa muss sich stets mit den Besten messen.

Das hat auch dazu geführt, dass die Haspa nicht immer warten kann, bis in der Sparkassenorganisation insgesamt Konzepte reifen. Das hat nichts mit der Qualität der Vorschläge zu tun, hier gibt es teilweise sehr gute Ideen, die auch die Haspa nutzen kann. Aber es gibt Situationen, da erfordert der Wettbewerb in Hamburg ein früheres Agieren. Beispiel kostenloses Girokonto. Bereits vor zehn Jahren war das in Hamburg ein Thema, lange bevor es in der Fläche aktuell wurde. Die Haspa hatte ein Konzept, wie sie die Kontopreise senken konnte, kam aber gleichzeitig als erste Bank in Deutschland auf die Idee, Mehrwertbanking anzubieten. Anderes Beispiel: Dieses Institut war die erste Sparkasse, die das Lebensversicherungsgeschäft aufgenommen hat.

Auch das Wertpapiergeschäft wurde in der Haspa bereits in den sechziger Jahren forciert, lange bevor die meisten Sparkassen in der Fläche darüber nachdenken wollten und mussten.

Welche Rolle spielt in der Strategie die Haspa-Direkt?

Die Haspa-Direkt ist eine GmbH, wird aber nicht als eigenständiges Vehikel betrachtet oder beworben. Ihre Aufgabe ist es ausschließlich Geschäft anzubahnen, der Kunde wird immer Kunde der Haspa.

Gibt es unterschiedliche Konditionen?

Nein. Warum braucht man so etwas dann?

Die Überlegung vor elf Jahren war, dass es sinnvoll sein könnte, den gesamten Komplex Call-Center und weitere Telefonie in eine eigenständige GmbH auszulagern. Und wir wollten für alle Kundenwünsche gerüstet sein. Während zu Beginn die Produkte der Haspa-Direkt, wie das Cashkonto, eher im Hintergrund versteckt wurden, wird dieses heute von allen Kundenbetreuern als Tagesgeldkonto angeboten.

Dazu kommt sehr viel Geschäft online, ohne dass dies aktiv beworben wird. Allein im Jahr 2008 flossen dem Cashkonto über eine Milliarde Euro auf rund 2,5 Milliarden Euro zu. Von Januar bis heute kamen noch einmal 2,5 Milliarden Einlagen dazu. Das mag daran liegen, dass wir bis vor Kurzem mit vier Prozent am oberen Ende der Zinsrange des Wettbewerbs lagen. Aber selbst jetzt, da der Zinssatz drastisch reduziert wurde, bröckeln die Zuläufe nicht weg. Die Kunden suchen stabile und solide Adressen für ihr Geld.

Braucht die deutsche Sparkassenorganisation so etwas wie eine zentrale Direktbank?

Das wird immer wieder diskutiert, aber ich denke, eine zentrale Direktbank braucht sie nicht. Erstens wäre es heute ohnehin zu spät. Zum anderen wäre es sinnvoller, wenn jede Sparkasse im eigenen Angebot etwas wie das Haspa-Direkt-Cashkonto hätte. Das muss sie nicht selber produzieren, aber sie muss es aus der eigenen Kompetenz heraus spielen können.

Die Produktion kann über einen zentralen Sparkassen-Dienstleister wie das Rechenzentrum oder auch über regionale Spezialisten erfolgen. In Norddeutschland beispielsweise wurde mit der Nord-Direkt eine Schwester der Haspa-Direkt gegründet. Über diese können die Partner-Sparkassen die gleichen Leistungen abbilden und abrufen, wie wir über die Haspa-Direkt.

Der Vorteil ist, dass jede Sparkasse so aus der eigenen Kompetenz heraus dem Kunden etwas bieten kann und diesen nicht an einen zentralen Dienstleister verweisen muss. Zudem ist sie in der Konditionengestaltung, die mitunter durchaus regionale Unterschiede erfordert, freier und flexibler. Das ist heute der intelligentere Weg für eine Sparkasse.

Sie haben die Partner-Sparkassen angesprochen: Die Haspa ist bereits an vier freien Sparkassen in Schles-wig-Holstein beteiligt. Würden Sie diese Partnerschaften auch auf kommunale Institute ausweiten?

Ja. Wir haben immer wieder betont, solchen Lösungen offen gegenüberzustehen, sollten die Verantwortlichen in Schleswig-Holstein, Politiker und Sparkassen, zu der Erkenntnis kommen, dass das Sinn machen könnte. Das geschieht aber nur in Form von Minderheitsbeteiligungen, da wir überzeugt sind, dass Sparkassen nur erfolgreich sein können, wenn sie selbstständig in der Region handeln können. Wenn ein Partner dabei mit Knowhow oder Kapital helfen kann, umso besser! Solche Netzwerke sind ständigen Fusionen zu immer größeren Gebilden vorzuziehen, da bei einer überregionalen Sparkasse der Bezug zum Kunden schnell verloren gehen kann.

Hilft bei diesem Gedanken, dass Schleswig-Holstein keine richtige Landesbank mehr hat?

Mit unseren vier Partner-Sparkassen machen wir durchaus auch Geschäfte, die sie genauso mit einer Landesbank tätigen könnten - sei es der Einkauf von Produkten, oder sei es mal das Kreditgeschäft im Konsortium. Wir machen aber viel mehr, wir beschäftigen uns mit Dingen, die für eine Landesbank nie ein Thema sein können. Zwischen der Haspa und den Partner-Sparkassen gibt es inzwischen mehr als 100 einzelne Kooperationen - Produkte, Ausbildung von Mitarbeitern, Managementprogramme, gemeinsame Kundenveranstaltungen, Beratungssoftware. Das alles sind Dinge, die eine Landesbank, die ja ganz andere Geschäfte macht, gar nicht bieten kann. Die Partner-Sparkassen wollen Angebote, die bei uns als großer Sparkasse schon erfolgreich etabliert sind.

Warum aber haben die Partner vor Ihnen keine Angst? Die S-Finanzgruppe ist von einer tiefen Sorge gegenüber allen zentralistischen Tendenzen eines Größeren geprägt.

Es gibt natürlich nicht nur Befürworter einer Partnerschaft und rein historisch betrachtet, auch immer die Sorge vor einer Dominanz der großen Haspa. Aber wir haben in den vielen Jahren der Beteiligung an den vier freien Instituten bewiesen, dass wir keine Dominanz an den Tag legen und mit Minderheitsbeteiligungen zwischen 15 und 26 Prozent zufrieden sind. Hamburg und Schleswig-Holstein haben ihre Bausparkassen fusioniert, und auch da sind wir in die Minderheitenposition gegangen, da die Kieler etwas größer waren. Diese Erfahrungen haben sicherlich dazu beigetragen, dass vielen die Sorge vor der Haspa genommen wurde. Mit uns kann man konstruktiv reden und handeln.

Was müsste getan werden, um die Ertragsbasis der Sparkassen in der Breite zu stärken?

Die Zinsüberschüsse sind schon seit vielen Monaten, wenn nicht gar Jahren rückläufig, auch wenn um die Jahreswende und in den ersten Monaten 2009 eine leichte Entspannung zu beobachten war. Nun kommen auch noch Rückgänge bei den Provisionseinnahmen hinzu, da die Kunden kaum Aktiengeschäfte tätigen und auch beim Abschluss von Versicherungen sehr zurückhaltend sind. Das ist in Summe genommen natürlich eine spannende Situation.

Dennoch halte ich nichts von einseitigen Maßnahmen in Richtung Zinsen oder Provisionen. Schwankungen zwischen diesen beiden Quellen sind normal und müssen das auch sein, soll der Kunde richtig betreut werden. Am Ende des Tages zählt nur, dass die Relation von der Summe aus Zins- und Provisionseinnahmen zu den Kosten stimmt. Grundsätzlich nimmt jede Sparkasse das Geschäft lieber auf die eigenen Bücher. Es kann aber Situationen geben, in denen eine reine Vermittlertätigkeit sinnvoller ist. Und im Rahmen einer solch langen Niedrigzinsphase muss natürlich überlegt werden, ob und wie auf der Provisionsseite ein Ausgleich geschaffen werden kann. Allerdings risikobewusst: Deshalb verkauft die Haspa immer lieber eine eigene Inhaber-Schuldverschreibung als ein Zertifikat eines Dritten.

Stimmt die Erlösverteilung in der S-Finanzgruppe?

Natürlich möchten die Sparkassen mehr Geld verdienen. Gerade in Richtung Versicherungsgeschäft hört man immer wieder, dass es einen Nachholbedarf gibt. Das gilt jedoch nicht für die Haspa. Diese hat früh eine eigene Versicherung, die Neue Leben gegründet, um unabhängig zu sein. Vor einigen Jahren haben wir die Mehrheit an die Talanx-Gruppe abgegeben, die das erfolgreiche Geschäftsmodell der Neue Leben und die vielfach ausgezeichnete Produktqualität nahtlos fortsetzt.

Würde eine Konsolidierung unter den Verbundpartnern, also den Versicherungen, den Bausparkassen, den Landesbanken helfen?

Eine solche Fülle an Instituten kann jedenfalls nicht richtig sein. Aber es muss nicht, wie bei den Genossen, zwangsläufig auf einen Anbieter hinauslaufen. Optimal wäre es, dauerhaft zu zwei Anbietern zu kommen. Die Sparkassen-Organisation ist groß genug, sich zwei Bausparkassen oder zwei Versicherer leisten zu können. Diese beiden müssen sich jedoch in einem sportlichen Wettbewerb befinden - das beflügelt. Daher halte ich nichts von irgendwie gearteten regionalen Beschränkungen für solche Institute.

Gilt das auch für Landesbanken?

Das Modell, das die Verbandsvorsteher gemeinsam mit dem DSGV-Präsidenten vorgelegt haben, zielt auf drei Landesbanken ab. Warum? Rein historisch hat es die Sparkassen fast 100 Jahre lang gegeben, bevor die erste Landesbank entstand. Dies geschah aus der Notwendigkeit heraus, den Giroverkehr zu organisieren. Der organisiert sich heute anders, sodass diese Bedeutung den Landesbanken verloren gegangen ist. Die Landesbanken haben sich dadurch anderen Tätigkeitsfeldern wie beispielsweise dem Auslandsgeschäft zugewandt. Dafür braucht man aber keine sieben oder mehr Institute, da langen zwei bis drei für ganz Deutschland.

Im Firmenkundengeschäft, denke ich, könnten Sparkassen noch sehr viel mehr zusammen in Form von Konsortien darstellen. Doch auch hier kann sich die Finanzgruppe ein oder zwei Partner mit entsprechendem Wissen, die die Dinge bündeln, sicherlich gut leisten.

Wie sieht also die richtige Arbeitsteilung zwischen Sparkassen und Landesbanken in Zukunft aus?

Von Arbeitsteilung möchte ich nicht sprechen, sondern ich schaue einmal zurück auf das Verhältnis zwischen der Haspa und der früheren Hamburgischen Landesbank. Hier gab es keinerlei Kapitalverflechtungen oder Verpflichtungen für beide Seiten, Dinge zwanghaft gemeinsam machen zu müssen. Man hat immer nur dann zusammengearbeitet, wenn beide Seiten einen Nutzen daraus erzielen konnten.

Die alte Hamburgische Landesbank war eine ordentliche Bank. Durch den Wettbewerb war sie stets gezwungen, ihr Geschäftsmodell weiter zu entwickeln. Diesen Wettbewerb wünsche ich mir auch unter denjenigen Landesbanken, die am Ende des Tages übrig bleiben werden.

Werden die Konzepte des DSGV in der Fläche schnell genug umgesetzt?

Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten sehe ich nicht als Problem. Der Vorteil der Sparkassen-Organisation ist doch, dass jedes Institut sein Tempo selbst bestimmen kann. Das ist sicherlich für das große Ganze manchmal schwierig, aber es ist vor Ort der entscheidende Erfolgsfaktor. Denn eine gut geführte Sparkasse wird sich so niemals von den Gegebenheiten in ihrer Region abkoppeln.

Ist der Sparkassenverbund für die Zukunft richtig aufgestellt? Was muss geändert, verbessert werden?

Grundlegend geändert werden muss nichts. Die Sparkassenorganisation sollte aber die Kraft finden - konstruktiv begleitet von der Politik - das Thema Landesbanken zu lösen, damit diese nicht länger ein Mühlstein am Hals der Sparkassen bleiben. Es ist nur konsequent, dass sich in manchen Bundesländern die Ortsbanken schon jetzt aus den Eigentümerkreisen zurückziehen. Dann muss die Finanzgruppe noch das Thema Versicherungen und Landesbausparkassen ordnen. Wenn sie das schafft, ist sie bärenstark.

Dafür muss man sich nur einmal die Ertragskraft der deutschen Sparkassen ansehen, bereinigt um die Belastungen aus den Landesbanken der vergangenen 15 Jahre und angereichert um die Synergien aus der Versicherungs- und Landesbausparkassenkonsolidierung. Sicherlich gibt es für die einzelnen Sparkassen danach immer noch Hausaufgaben zu erledigen. Aber die sind sehr gut lösbar bei einer dann noch besseren Kapital- und Ertragslage. Das Kerngeschäft der Sparkasse ist gesund, auch in Jahren wie 2008 und 2009. Da hat es in den letzten 180 Jahren schon viel schwierigere Situationen gegeben, die auch gemeistert wurden.

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