Interview

Redaktionsgespräch mit Rolf Hildner - "Die Beratung kostet kein Beratungshonorar."

Herr Hildner, die Wiesbadener Volksbank forciert ihr ohnehin erfolgreiches Private-Banking-Geschäft: Genossenschaftsbanken und Private Banking - wie passt das zusammen?

Sehr gut! Kreditgenossenschaften betreiben seit vielen Jahren erfolgreich sowohl das Privatkunden- als auch das Firmenkundengeschäft. Die sind vor Ort und damit nahe beim Kunden. Da bieten sich viele Ansatzpunkte auch für das gehobene Privatkundengeschäft, das heute ganz en vogue Private Banking genannt wird. Die Wiesbadener Volksbank beispielsweise blickt auf eine jahrzehntelange Erfahrung in diesem Geschäftsfeld zurück. Das hat Tradition, da die Wiesbadener Bürger seinerzeit schon den Vorgänger dieses Hauses, die Wiesbadener Bank, als Bankverbindung ausgewählt haben.

Wie muss man sich den Ansatz der Wiesbadener Volksbank im Einzelnen vorstellen?

Bevor die Initiative startete, wurde das Umfeld und das Potenzial von einem Beratungsunternehmen untersucht. Dies ergab zum einen eine Verschiebung der Wettbewerbsverhältnisse, die ein verstärktes Engagement nahelegen. Denn obwohl der Marktanteil der Wiesbadener Volksbank in diesem Geschäftsfeld mit rund 22 Prozent relativ hoch ist, gibt es noch sehr viele ungenutzte Möglichkeiten. Davon ermutigt und darauf aufbauend wurde mit "Wiesbadener Volksbank Private Banking" eine neue Marke kreiert und ein neuer repräsentativer Standort in der Bierstadter Straße 23 erworben. Das alles hat das Ziel, unseren verstärkten Antritt auch zu visualisieren.

Angeboten wird das gesamte Paket, angefangen bei privater Absicherung und Altersvorsorge über Estate Planning und Stiftungsberatung bis hin zu Finanzie-rungs-, Anlage- und Risikomanagement. Das beinhaltet natürlich auch entsprechende steuerliche und rechtliche Kompetenz.

Der Marktanteil liegt mit rund 22 Prozent weit über den Werten anderer Volks- und Raiffeisenbanken: Was machen Sie besser? Zum einen ist unser Geschäftsmodell auf eine nachhaltige

Geschäftsbeziehung zu unseren Kunden ausgerichtet. Wir bieten eine langjährige kontinuierliche Betreuung ohne häufige Beraterwechsel. Wir setzen unseren Beratern keine überzogenen Provisionsziele, um eine möglichst große Neutralität bei der Produktauswahl zu gewährleisten. Zum anderen spielt aber auch der Standort eine Rolle und Wiesbaden ist für das Private Banking sehr attraktiv. So liegt der Anteil der Haushalte mit einem liquiden Vermögen von 150 000 bis 300 000 Euro um 38 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, bei Vermögen von 300 000 bis 750 000 Euro um 54 Prozent, in der Klasse von 750 000 bis 1,5 Millionen Euro um 77 Prozent und bei mehr als 1,5 Millionen Euro liquidem Vermögen um 69 Prozent. Insgesamt gibt es in Wiesbaden 17 600 potenzielle Haushalte für unser Geschäft. Von daher erscheint das Ziel eines Marktanteils in Höhe um 25 Prozent bis 2012 und später in Richtung 30 Prozent nicht unrealistisch.

Was heißt das in konkreten Zahlen?

Unser Haus hat allein in diesem Geschäftsfeld bislang etwa 750 Kundeneinheiten. Ehepaare und Familienverbünde werden jeweils als eine Einheit betrachtet. In reinen Kunden gerechnet, müsste diese Zahl mit dem Faktor Drei multipliziert werden. Die Kundeneinheiten haben ein Volumen bei der Wiesbadener Volksbank von rund 900 Millionen Euro. Unser Ziel ist ein Ausbau der Kundeneinheiten auf 1 000 und ein Wachstum des betreuten Volumens auf 1,25 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren. Wird dazu noch das Volumen der gehobenen Privatkundschaft gerechnet, die ausschließlich über die Filialen betreut werden, ergibt dies die angesprochenen Prozentsätze.

Das heißt, es wurde nicht alles ab einem gewissen Vermögen pauschal in der neuen Private-Banking-Einheit zusammengezogen?

Nein, denn es gibt mitunter jahrelange Beziehungen zwischen Kunden und Berater in der Filiale.

Diese mit einer solchen Anweisung aufzulösen und damit eventuell sogar zu gefährden, wäre eindeutig kontraproduktiv und würde auch nicht zu unserem Anspruch der Bürgerbank passen.

Was zeichnet einen Private-Ban-king-Kunden für die Wiesbadener Volksbank aus?

Er sollte über ein freies Vermögen von mindestens 150 000 Euro verfügen, wobei diese Grenzen nicht absolut starr sind. Wenn im Beratungsgespräch ausreichendes Entwicklungspotenzial erkannt wird, wird hiervon abgewichen. Allerdings müssen wir auch darauf achten, dass die begrenzten Kapazitäten nicht überlastet werden, von daher hat so eine Grundklassifizierung schon ihren Sinn. Die Tür weisen wir allerdings niemandem, dann wird nach alternativen Lösungen gesucht. Beispielsweise werden auch in den Niederlassungen umfassende Beratungsleistungen angeboten. Private- Banking-Kunden sind anspruchsvoll und verlangen einen umfassenden Beratungsansatz.

Ist es nicht eine Gefahr, dass sich Kunden, die nicht in den Genuss der Private-Banking-Behandlung kommen, sich wie Kunden zweiter Klasse fühlen?

Ziel ist es, einen ausgewählten Kundenkreis bedarfsgerecht und exklusiv zu behandeln. Natürlich muss man da kritisch beobachten, wie das insgesamt aufgenommen wird. Denn die Gefahr einer Zwei-Klassen-Diskussion besteht latent. Argumentieren kann man an dieser Stelle nur über das umfassende Leistungsangebot für Private-Ban-king-Kunden. Doch wir werden mit allen Kunden behutsam umgehen. Jeder Kunde, egal ob in der Geschäftsstelle oder in unseren neuen Räumen in der Bierstadter Straße hat für die Wiesbadener Volksbank die gleiche Bedeutung. Allerdings wird der gehobenen Kundenkreis auch von anderen Instituten heftig umworben, sodass ein Haus wie unseres hier etwas bieten muss - allerdings nichts, was völlig aus dem Rahmen fällt.

Kostet die umfassende Betreuung denn mehr?

Die Beratung kostet kein Beratungshonorar. Die Kunden wären nur in den Spezialbereichen wie einem umfassenden Estate Planning oder dem Stiftungsmanagement bereit, ein solches zu zahlen. Ziel ist es, über die Beratung für den Kunden adäquate Produkte zu vermitteln, mit denen die Bank eine angemessene Provision generiert.

Wie kann man als "kleine" Bank all die Spezialitäten bereitstellen, die dieses Geschäft erfordert?

Dies gelingt nur über den genossenschaftlichen Finanzverbund und darüber hinaus den Zugang zu anderen Anbietern. So kann das angebotene Spektrum den Kundenwünschen und dem Standard des Wettbewerbs entsprechen, und zwar die gesamte Palette. Das meiste davon kann die Wiesbadener Volksbank selbst abdecken, wo sie an Grenzen stößt, kann auf die Erfahrungen beispielsweise der DZ Bank im Private Banking zurückgegriffen werden.

Welchen Anteil können Sie im eigenen Haus mit den eigenen Kapazitäten abdecken?

Rund 95 Prozent des Spektrums kann selbstständig abgedeckt werden. Bei speziellen Fragestellungen zu Geschäften im Ausland holt man sich dann Hilfe zusätzlicher Spezialisten.

Wie sehr kann man auch im Private Banking Verbundtreue bewahren?

Das geht durchaus. Die Palette der im Verbund vorhandenen Produkte und Dienstleistungen ist sehr breit. Die Wiesbadener Volksbank verhält sich grundsätzlich verbundtreu. Wer einen starken Verbund will, muss diesen auch unterstützen, das ist unsere Überzeugung. Wenn es im Markt dazu Ergänzungen gibt, nehmen wir diese allerdings auch wahr. All das ist aber nicht beschränkt auf das Private Banking, sondern gilt für das gesamte Kundengeschäft.

Welche Anforderungen stellen Sie an die Partner aus dem Verbund? Zum einen muss das Angebot ergänzend und subsidiär zu den Angeboten der Primärbanken sein. Es darf keine Konkurrenzsituation entstehen. Zum anderen müssen die angebotenen Produkte und Dienstleistungen natürlich wettbewerbsfähig sein. Sollte dies nicht der Fall sein, müssten wir uns im Interesse unserer Kunden nach Alternativen umsehen.

Wie betrachten Sie die Ambitionen der DZ Bank im Private Banking, auch diese will das Geschäft forcieren?

Kunde ein Kunde der Primär-Wie eben beschrieben - unterstützend für die Volks- und Raiffeisenbanken. Gerade im Auslandsgeschäft sind die Kollegen eine große Hilfe. Entscheidend ist, dass die Platzbanken in die Gespräche mit dem Kunden involviert sind, der stufe bleibt und die Ortsbanken an den Abschlüssen der DZ Bank über einen Teil der Provisionen mitverdienen.

Ist das Regionalprinzip im Geschäft mit gehobenen Privatkunden aufrechtzuerhalten?

Ich bin überzeugt, dass man ein richtig erfolgreiches Private Banking mit den Besonderheiten einer Genossenschaft vereinbaren kann. Das Regionalprinzip gilt in erster Linie für das Kreditgeschäft. Hier sollten sich die Primärbanken auf ihr jeweiliges Geschäftsgebiet beschränken. Für die Vermögensanlage gehobener Privatkunden ist dies differenziert zu sehen.

Liegt der Fokus eher auf Bestandskundenbetreuung und bessere Ausschöpfung oder auf Neukundenakquise?

Beides. Die Bemühungen gehen einerseits dahin, durch sehr gründliche Analyse der einzelnen Verbindungen Potenziale aufzuspüren und Volumen, das bislang vielleicht noch bei Wettbewerbern liegt, zur Wiesbadener Volksbank herüberzuziehen. Zweitens zielt die Initiative auf neue Kunden. Hier hat sich der veränderte Marktauftritt mit einem eigenen Standort bereits positiv bemerkbar gemacht.

Neukundengewinnung ist in Zeiten eines harten Wettbewerbs allerdings nicht einfach: Wie werben Sie?

Jede Kundenansprache in diesem Segment, gleich ob Neukunden- oder Bestandskundenkontakt, muss einen gewissen exklusiven Charakter haben. Am einfachsten gelingt dies über Veranstaltungen. Dafür nutzen wir verstärkt die neue Immobilie, denn wir wollen so stärker in das Bewusstsein potenzieller Kundenkreise eintreten. Darüber hinaus müssen auch die Mitarbeiter entsprechend vernetzt und im Wiesbadener Bürgertum präsent sein.

Welche Rolle spielt das Kredit geschäft und damit der ausgeprägte Kontakt zu Unternehmen und den dahinterstehenden Unternehmern?

Das sieht man alleine daran, dass im Private Banking mitunter auch im großen Stil Kreditgeschäft betrieben wird. Denn so bekommt man den Zugang zum Unternehmen, und hinter jedem Unternehmen steht auch ein Unternehmer mit privatem Vermögen und privaten Aktivitäten. Hier die Klammer zu finden gelingt uns gut, da wir auch im Firmenkundengeschäft einen ähnlichen Betreuungsansatz fahren wie im Private Banking.

Wer sind relevante Wettbewerber?

Der Platz Wiesbaden ist - wie erwähnt sehr attraktiv. Das merken nicht nur wir. Von daher sind alle namhaften Wettbewerber mit entsprechenden Einheiten vor Ort. Mit einem sehr guten Angebot hier am Platz waren über viele Jahre die großen Geschäftsbanken aktiv. Hier spüren wir allerdings Veränderungen zu unseren Gunsten. Auch der Sparkassensektor hat sein Angebot forciert. Wir können jedoch noch nicht feststellen, dass Kunden aus unserem Haus wechseln.

Wie schlägt sich der hohe Anteil Private Banking in Ihrer Erfolgsrechnung nieder?

Einerseits positiv. Mit den rund 850 Kunden einschließlich denen aus der Vermögensverwaltung erwirtschaftet die Bank bislang rund 17 Prozent ihres Deckungsbeitrags.

Das soll gesteigert werden, vor allem auf Seite der Provisionserlöse. Im Gegenzug wurde und wird in den Ausbau des Geschäftsfeldes investiert. Wir sind überzeugt, dass die positiven Wirkungen sich stärker niederschlagen werden.

Wie viele Mitarbeiter sind bislang im Private Banking beschäftigt?

Das sind rund 20 Kollegen. Ein Großteil davon ist in der Beratung tätig, vier Mitarbeiter kümmern sich ausschließlich um die Vermögensverwaltung, die als Teil unseres Private-Banking-Ansatzes angeboten wird. Insgesamt sind im Hause rund 605 Mitarbeiter beschäftigt.

Werden Sie hier wachsen?

Es ist geplant, die Mitarbeiterkapazitäten auszubauen. Gerade auch, weil mit der neuen Adresse mehr Geschäft zu uns kommt. Da das Haus gezielt von Mitarbeitern anderer Institute angefragt wird, steht einem Ausbau nichts im Wege. Natürlich müssen wir, was das Leistungsangebot für Mitarbeiter angeht, mit dem Wettbewerb mithalten können.

Wie wird eine gleichbleibend hohe Beratungsqualität gewährleistet?

Zunächst natürlich über die Qualität der Berater. Diese Leute müssen erstklassig ausgebildet sein. Der Beratungsprozess erfolgt dann systemunterstützt. An allen Arbeitsplätzen, auch in den Beratungsräumen, sind entsprechende technische Vorkehrungen wie Laptopanschlüsse, Beamer und Bildschirme getroffen worden. Hinter dem System liegt eine Vielzahl von Beratungsprogrammen, die alle Daten so aufbereiten, sodass der Mitarbeiter auf einer breiten Palette spielen und ein entsprechendes Angebot offerieren kann. Auch die Präsentation muss selbstverständlich ansprechend und State of the Art sein. In regelmäßigen Abständen wird schließlich die Übereinstimmung zwischen Zielen des Kunden und Zielen der Bank überprüft. Bei Bedarf werden Anpassungen vorgenommen.

Inwieweit wird auch das gehobene Private Banking durch neue Regularien erschwert?

Das gesamte Geschäft wird durch umfassende Beratungsprotokolle und weitere Anforderungen nicht einfacher, das ist sicher richtig. Auch wenn man sicherlich hinterfragen kann, ob das alles zu signifikanten Verbesserungen im Umgang zwischen Bank und Kunde führt, hilft alles Klagen nicht, denn jedes Kreditinstitut muss sich mit den Anforderungen auseinandersetzen und die gesetzlichen Vorgaben erfüllen.

Speziell im Private Banking, wo der Kunde in der Regel mit am Tisch sitzt und eine umfassende Beratung erfolgt, ist das Einhalten der Vorschriften einfacher als im standardisierten Massengeschäft.

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