Aufsätze

Die Rezession wird zur Depression - Konsequenzen für die Finanzmärkte

Die seit Sommer 2007 weiterhin anhaltenden krisenhaften Entwicklungen an den internationalen Geld- und Kapitalmärkten lassen nach so langer Zeit die Frage berechtigt erscheinen, warum diese Krise nicht gelöst wird, sondern immer neue Marktteile erfasst und es immer bedrohlicher wird? Die Antwort ist einfach: Die Ursachen der Krise sind nicht beseitigt, sondern weiterhin wirksam!

Ruf nach einer globalen Finanzmarktordnung verhallt

War der Ruf nach einer neuen, die Ursachen der Krise an der Wurzel packenden globalen Finanzmarktordnung im Jahr 2008 noch laut und radikal, so muss heute gefragt werden, ob außer den akuten Hilfsmaßnahmen - deren Beurteilung hier nicht vorgenommen werden soll - wirklich entscheidende Veränderungen erreicht wurden? Die weltweiten Ungleichgewichte bei Haushaltsdefiziten, Geldversorgung, Zahlungsbilanzen und sozialem Konsens sind nicht geringer geworden, ja durch die Krisenbewältigung noch gestiegen.

Dieser Zustand lässt mittlerweile fast alle Teilnehmer an den Märkten verzweifeln, da sehr hohe Risiken aus den stark gestiegenen Volatilitäten, der teil-/zeitweisen Illiquidität ganzer Marktsegmente und deutlich reduzierter Erträge das verantwortliche Management von Portfolios etwa in Banken, Versicherungen, Stiftungen unmöglich machen. Die Gefährlichkeit der Krise und die Interdependenz der Einflussfaktoren zeigen sich, wenn man versucht, ein möglichst umfassendes und zusammenhängendes Bild aller wichtigen Krisenursachen zu zeichnen.

Allmählich mehren sich die Stimmen, dass keineswegs die Finanzmärkte aus einer ihnen innewohnenden Instabilität die schon lang anhaltende Krise herbeigeführt haben, sondern dass Auslöser und Ursachen sorgfältig unterschieden werden müssen.

Nicht Symptome mit Ursachen verwechseln

Ideologisch geprägte Argumente zu irrationalen Finanzmärkten, gierigen Spekulanten und einer ganzen Managergeneration ohne Ethik haben den Blick für eine vorurteilsfreie und umfassende Ursachenanalyse verstellt, sodass seit Ausbruch der Krise durch die Vielzahl der von politischem Aktionismus getragenen Rettungspakete viel Zeit verstrichen ist, ohne dass die wirklichen Ursachen bis heute bekämpft wurden. Unzutreffende Ursachenanalysen führen unweigerlich zu falschen Schlüssen hinsichtlich der zu ziehenden Konsequenzen, was seit mehr als vier Jahren zu beobachten ist.

Am Ende geht es um die Frage, ob die Volkswirtschaften nicht vor einer lang anhaltenden Depression stehen, in der in den nächsten fünf bis zehn Jahren tatsächlich "Alles anders ist".

Ungleichgewichte durch expansive Wirtschaftspolitik

In den bisher weniger entwickelten Volkswirtschaften vollzog sich in den letzten 25 Jahren ein sehr dynamisches Wachstum der Wirtschaftsleistung. Da dies überwiegend in sehr bevölkerungsreichen Wirtschaftsräumen stattfand, waren die Arbeitskosten sehr gering und bei den modernen Möglichkeiten des Transfers von Produktionsmethoden und Know-how der Aufbau eines sehr wettbewerbsfähigen Güterangebots möglich, das bei gleichfalls weit entwickelten Logistikmöglichkeiten global verteilt werden konnte.

Dies wurde unter dem weltweit herrschenden Paradigma der Wachstumspolitik als positiv gesehen, da zum einen die sich entwickelnden Länder hohes Wachstum ihrer Volkswirtschaft auswiesen und die Industrieländer sehr gute Exportchancen in den Branchen der relativ höheren Technologie hatten. Außerdem zeigte sich mit steigendem Wohlstand in den sich entwickelnden Ländern auch eine sehr dynamische Nachfrage nach Marken der Industrieländer (zum Beispiel deutsche Autos, deutsche Maschinen, amerikanisches Fastfood, amerikanische Computer), was wiederum als positive Auswirkung einer dynamischen Entwicklung der Weltwirtschaft gesehen wurde.

Eine solche an sich wünschenswerte, aus der Nachfrage einer wachsenden Weltbevölkerung resultierende Entwicklung wurde allerdings durch die eindimensional auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik in den westlichen Industrieländern noch stark angetrieben. Damit im Zusammenhang stand die Politik, den durch die niedrigeren Produktionskosten in den sich entwickelnden Ländern entstehenden Wettbewerbsdruck in den Industrieländern nicht mit Strukturreformen, sondern mit Verschuldung zu bekämpfen.

Der Weg in die Verschuldungsfalle

Die jahrelang negative Sparquote des privaten Sektors in den USA sowie die ständig steigenden Budgetdefizite zur Aufrechterhaltung expansiver Effekte entfalteten weitere weltwirtschaftliche Nachfrage. Im Grundsatz ist eine solche öffentliche Verschuldungspolitik auch in Europa betrieben worden, wobei es unerheblich ist, ob die Ursachen in Militärausgaben oder aufwendigen Sozialsystemen liegen.

Nicht von ungefähr hatten in den meisten Ländern die Verfassungen gefordert, dass öffentliche Budgetdefizite nur für Investitionen des Staates zulässig sind und nicht für laufende Staatsausgaben. Je nach volkswirtschaftlicher Lehrmeinung war ein kurzfristiges Abweichen von diesem Postulat zur Konjunkturglättung zulässig, jedoch zeigen die aktuellen öffentlichen Verschuldungsstände, dass hier jahrzehntelang eine Abweichung vom volkswirtschaftlichen Gleichgewicht durch diese Budgetpolitik betrieben wurde. (In Deutschland wurde der letzte nicht defizitäre Bundeshaushalt 1970 verabschiedet).

Mehr Geld als Waren

Die amerikanische Notenbank hat seit Beginn der Amtszeit des Notenbankpräsidenten Greenspan eine massiv expansive Geldpolitik betrieben. Alle im Einzelnen unterschiedlich definierten Geldmengenaggregate zeigen seit über 20 Jahren ein Wachstum, das mit einer am Wachstum des realen Wirtschaftspotenzials orientierten Geldpolitik nichts mehr zu tun hat.

Diese Geldpolitik war und ist Bestandteil der schon erwähnten sehr expansiven Wirtschaftspolitik, die mit allen staatlichen Eingriffen in die Wirtschaftsaktivitäten nur das Ziel eines jährlichen Wachstums verfolgt. In diesem eindimensional ausgerichteten wirtschaftspolitischen Konzept werden die langfristigen Auswirkungen auf Inflation sowie private und öffentliche Verschuldung vernachlässigt.

Die Europäische Zentralbank hat gleichfalls die Linie der potenzialorientierten Geldversorgung der Wirtschaft verlassen und weit über das Potenzialwachstum hinausgehende Geldmengenzuwächse zugelassen. Während das Bruttoinlandsprodukt seit 1997 um 28 Prozent zunahm, stieg die Geldmenge M1 im Euroraum um 180 Prozent.

Wechselkursmechanismus durch Staatseingriffe außer Kraft gesetzt

Die hohen kreditfinanzierten Staatsausgaben und eine expansive Geldpolitik der bedeutenden Industrienationen erhöhten die gesamte weltwirtschaftliche Nachfrage stark. Dies führte zu massiven Ungleichgewichten in den Außenhandelsbeziehungen der Volkswirtschaften mit der Folge, dass bei den einen die Auslandsverschuldung stark anstieg, bei den anderen erhebliche Auslandsforderungen entstanden. Wiederum wurden die auf Wettbewerbsmärkten eigentlich aus solchen Entwicklungen resultierenden Anpassungseffekte - in diesem Fall entsprechende Wechselkursveränderungen - durch die Eingriffe der Staaten verhindert. Die Regierungen ließen Aufwertungen ihrer Währungen zur Beseitigung von hohen Exportüberschüssen (China) oder die Abwertungen ihrer Währungen zur Beseitigung von Importüberschüssen (USA) durch entsprechende Eingriffe nicht zu.

Auch im Währungsraum des Euro wurden solche über die Preise laufenden Anpassungsprozesse durch angeblich die Marktprozesse ersetzende vertragliche Vereinbarungen der Währungsunion außer Kraft gesetzt. War die Anpassung über Wechselkurse aus Gründen der Schaffung eines Wirtschaftsraums nicht gewollt, so hätte sie aber durch Flexibilität bei den Löhnen, stärkere Bewegung von Arbeit und Kapital oder auch Transferzahlungen ersetzt werden müssen. So konnten sich Ungleichgewichte über Jahre entwickeln und führten zu Problemen, wie sie sich heute in der sogenannten Griechenlandkrise nur beispielhaft zeigen und gelöst werden müssen.

Parallel zu den von einem volkswirtschaftlichen Gleichgewicht wegführenden Entwicklungen gab es eine entscheidende Fehlentwicklung in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der USA. Weitestgehend unbemerkt vom Rest der Welt haben sie in den achtziger Jahren Regelungen umgesetzt, die das Immobilieneigentum für breite Bevölkerungsschichten ermöglichen sollten. Inwieweit dies sozial motiviert oder auch dem Paradigma der expansiven Wirtschaftspolitik geschuldet war, sei dahingestellt. Für diesen Zweck wurden auf jeden Fall die seit der Finanzkrise massiv zu stützenden, ehemals halbstaatlichen Immobilienfinanzierer der USA eingesetzt und die Kreditvergaberichtlinien der Banken durch entsprechende aufsichtsrechtliche Regelungen aufgeweicht.

Die darauf folgende dynamische Entwicklung dieses Marktsegments wurde durch die Politik des billigen Geldes weiter gefördert. Das Phänomen der Blasenbildung wurde zwar erkannt, blieb aber ohne Konsequenzen für die wirtschaftspolitischen Aktivitäten. Es kam zu den für solche Entwicklungen typischen Konsequenzen wie Zahlungsverzögerungen, Verschlechterung der Schuldnerbonitäten schließlich zur völligen Neubewertung der Verhältnisse und führte in der Folge zum bekannten Zusammenbruch dieses Marktes.

Deregulierung zur Durchsetzung spezifischer wirtschaftlicher Interessen

Die Leitung der amerikanischen Notenbank sowie die Wirtschaftspolitiker betrieben zur gleichen Zeit eine massive Deregulierung der Märkte, was grundsätzlich alle Märkte betraf. Insbesondere wurden aber die Finanzmärkte in ihrer weiteren Entwicklung stark verändert. Die schon damals deutlich sinkenden Informations- und Transaktionskosten, welche in diesen Märkten wegen der ohnehin fehlenden Stofflichkeit der Produktion im Vergleich zu anderen Branchen eine dominierende Rolle spielen, führten mit den wegfallenden aufsichtsrechtlichen und sonstigen Regelungen für die Geld- und Kapitalmarktgeschäfte zu den bekannten Fehlentwicklungen, die immer wieder Schocks an einzelnen Marktsegmenten oder an den gesamten globalen Geld- und Kapitalmärkten auslösen.

Welches wirtschafts- und ordnungspolitische Credo hier verfolgt wird, zeigt, dass bis heute die USA die internationalen aufsichtsrechtlichen Regelungen gemäß Basel II nicht eingeführt haben. Auch in Europa folgte man dieser Deregulierungsideologie, aktuell jährt sich zum 25. Mal der sogenannte "Big Bang" in der Londoner City.

In einer Wirtschaftsordnung mit Marktwirtschaft muss der Staat über Rechts-, Wettbewerbs-, Rechnungslegungs- und Verbraucherschutzregeln Rahmenbedingungen setzen, in denen die Wettbewerbsmärkte funktionieren. Die Anforderungen an diese Rahmenbedingungen wie Transparenzerhöhung, Verhinderung des "Moral Hazard", Komplexitätsreduzierung und gleiche Aufsicht für gleiche Risiken wurden verletzt, sodass unter Ausnutzung dieser Defizite massive Fehlentwicklungen auftreten konnten. Hierin liegt in weit größerem Maß die Ursache und nicht in einer den Wettbewerbsmärkten innewohnenden Instabilität.

Staatsversagen beschädigt den sozialen Konsens

Als weitere Entwicklung weg vom sozialen Gleichgewichtszustand einer Volkswirtschaft muss das Zulassen, ja sogar durch entsprechende Steuergesetzgebung das Befördern einer deutlicheren Ungleichheit der Einkommensverteilung gesehen werden. Dies erhöhte die strukturellen Defizite der öffentlichen Haushalte durch steigende Transferzahlungen an untere Einkommensschichten, die ohnehin stark vom globalen Wettbewerb in den Niedriglohnsegmenten betroffen waren.

Wie fast überall in Europa zu sehen, treffen die ersten Bemühungen zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte die Empfänger von Transferzahlungen. Dies erhöht nun die Gefahr von sozialen Unruhen beziehungsweise reduziert die Bereitschaft dieser Bevölkerungsschichten, sich an Konsolidierungsmaßnahmen beteiligen zu lassen. Weiterhin bleibt abzuwarten, inwieweit es sich demokratisch verfasste Gesellschaften gefallen lassen, dass in der Krise geschaffene Gremien und Ausschüsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit geheim und schnell sehr große Beträge als sogenannte Rettungspakete beschließen und freigeben können.

Fasst man diese Entwicklungen zusammen, so muss man zu dem Schluss kommen: Diesmal ist wirklich alles anders! Die Welt hat sich in allen wesentlichen wirtschaftlichen Größen seit Jahren vom Gleichgewicht weg bewegt, ja, die Geschwindigkeit vom Gleichgewicht weg hat sich seit der Krise noch beschleunigt, und eine solche in ihrer Interdependenz nahezu die ganze Welt betreffende Situation hat es bisher noch nicht gegeben.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass sich diese gewaltigen Probleme in kurzer Zeit im Rahmen einer konjunkturellen Rezession lösen werden, sondern es muss in den Industrieländern mit einer viele Jahre anhaltenden Phase der Schrumpfung - mit allen negativen Auswirkungen auf Beschäftigung und Einkommen -, sehr volatilen Preisentwicklungen an den internationalen Geld- und Kapitalmärkten und einem massiven Umbau der Finanzbranche gerechnet werden. Den vielen fetten Jahren folgen die biblischen mageren Jahre.

Der erreichte Schuldenstand der öffentlichen Haushalte in zahlreichen Ländern der Welt bei weiter anhaltenden Budgetdefiziten veranlasst die Teilnehmer auf den Geld- und Kapitalmärkten, die Staatstitel hinsichtlich Risiko und Ertrag neu zu bewerten. Bei dieser Neubewertung treten die angeführten volkswirtschaftlichen Fehlentwicklungen immer stärker ins Bewusstsein, sodass erhebliche Risikoprämien gefordert werden oder in solche Titel gar nicht mehr investiert wird.

Es ist anzunehmen, dass die Mehrzahl der Industrieländer in den kommenden Jahren einen Konsolidierungskurs einschlagen wird, um diesen Effekt zu vermeiden. Dies wird sehr langwierig sein, da auch bei reduzierten Budgetdefiziten die Verschuldung noch weiter wächst, ein wirkliches Zurückführen der Verschuldung aber entsprechende Einnahmenüberschüsse der öffentlichen Haushalte zur Zurückzahlung von Krediten erfordert.

Finanzmärkte für lange Zeit gefährlich instabil

So erwarten auch Mitglieder des Deutschen Sachverständigenrates mittlerweile, dass die Entwicklung zu ausgeglichenen Staatshaushalten in Europa zehn bis 15 Jahre dauern könnte. Diese Politik wird in jedem Fall zu einem deutlichen Sinken des Staatsverbrauchs führen und somit eine Reduktion der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach sich ziehen mit den bekannten negativen Multiplikatoreffekten. Gelingt eine solche Konsolidierungspolitik, so können langfristig positive Wohlfahrtseffekte über die Vermeidung von Vermögensverlusten und Inflation sowie durch Produktivitätsgewinne erwartet werden.

Die lang anhaltende expansive Geldpolitik hat dazu geführt, dass die weltweite Geldmenge sich stark von dem zur Finanzierung des Produktionspotenzials und einer als unvermeidlich anzusehenden Inflationsrate entfernt hat und sich der Zins als Preis für Geld und Kapital auf äußerst niedrigem Niveau befindet und seine Steuerungsfunktion für eine effektive Kapitalallokation weitgehend verloren hat.

Wie in der Krise erkennbar wurde, hat dies zu erheblichen Fehlallokationen geführt, da bei permanent expansiver Geld- und Finanzpolitik Geld leicht zu beschaffen war und Risikoprämien vermeintlich gering gehalten werden konnten. Dies führte immer wieder zu eruptiven Preisveränderungen in Teilsegmenten der Finanzmärkte, Immobilienmärkte und für Staatsfinanzierungen. Da die Ursachen hierfür wie dargelegt nicht beseitigt sind, wird sich dies in der Zukunft fortsetzen.

Geldpolitik findet nicht mehr statt

Vor dem Hintergrund der in Zukunft notwendigen Rückführung der öffentlichen und privaten Verschuldung und der daraus resultierenden sinkenden globalen Nachfrage müsste der Druck auf die Reduzierung der zu hohen globalen Geldmenge steigen. Das Dilemma der Geldpolitik besteht allerdings darin, dass die Staaten aufgrund des hohen Schuldenstandes einen Zinsanstieg auf jeden Fall vermeiden möchten und von daher eine restriktive Geldpolitik über Zinserhöhungen nicht durchzusetzen sein wird.

Die neue Ausprägung des globalen Wettbewerbs hat dazu geführt, dass sich das traditionelle Entstehungsmuster einer Inflation durch fehlende "Preisüberwälzungsspielräume" in den letzten Jahren trotz der stark ausgeweiteten Geldmenge nicht entwickeln konnte. Daher kann auf eine Entwicklung gehofft werden, in der eine Rückführung der Geldmengen bei stabil niedrigen Zentralbankzinsen gelingt. Da das reduzierte Geldangebot auf eine gleichfalls sinkende Geld- und Kapitalnachfrage aufgrund der global zurückgehenden wirtschaftlichen Aktivität trifft, bleibt der Zins für die Notenbankgeldversorgung niedrig.

Dies bedeutet aber keineswegs insgesamt niedrige Zinssätze, denn die in den Zinssätzen berücksichtigten Risikoprämien (zum Beispiel für das Funding der Banken, die Staatsfinanzierung, die Unternehmens- und die Immobilienfinanzierung) werden wegen der Unsicherheiten über die weitere globale Nachfrageentwicklung deutlich ansteigen. Insgesamt ist ein Spielraum für eine aktive Geldpolitik zur Kompensation der Konsolidierungseffekte der staatlichen und privaten Haushalte und der damit einhergehenden Nachfrageausfälle nicht vorhanden.

Massive Regulierungseingriffe verschärfen negative Entwicklung

Die begonnene Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Regelungen für die Finanzbranche wird sich mit andauernder Krise fortsetzen, wobei systemimmanent die schon bekannten Vorschriften immer strenger werden. Aber auch neue Regulierungsbereiche entstehen. Macht man in den neuen Regulierungsbereichen Ernst mit den Anforderungen an Komplexitätsreduzierung, Transparenzerhöhung, Verhinderung des "Moral Hazard" und gleiche Aufsicht für gleiche Risiken, so wird dies die Geschäftstätigkeit der gesamten Finanzbrache quantitativ wie auch hinsichtlich der Schaffung immer weiterer "Innovationen" erheblich einschränken. Auch wenn man dies als notwendig ansieht, so hat auch dieser Entwicklungsfaktor einen deutlich dämpfenden Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

Folgt man der voran stehenden Analyse und der daraus abgeleiteten Erwartung über zukünftige Entwicklungen, so stellen sich für die Akteure an den Geld- und Kapitalmärkten fundamentale Probleme:

- Portfoliomanager in jeder Art von Finanzunternehmen werden sich in der Asset Allocation neu positionieren müssen: Die hohe Volatilität an den Finanzmärkten wird den Wert der Portfolios in enormer Weise schwanken lassen und im Verein mit einer adäquaten Liquiditätsausstattung werden Leverage-Strategien kaum durchführbar sein. In einer Welt ohne "risikolose Anlage" und einer langen Zeit äußerst schwacher wirtschaftlicher Entwicklung und der sich daraus ergebenden wachsenden Risiken werden die Portfoliomodelle neu formuliert werden müssen. In einem solchen Umfeld werden viele Portfoliomanager nur einem Werteverfall ihrer "Renten- und Aktieninvestitionen" zusehen können.

- Das Geschäftsmodell "Bank" wird einen wahren Paradigmenwechsel vor sich haben, da die alle Portfoliomanager treffenden Effekte auch für Banken gelten und das früher problemlos übliche "Unsecured Funding" über die Geld- und Kapitalmärkte nicht mehr auskömmlich möglich sein wird. Dabei sind die Einflüsse der aufsichtsrechtlichen Regelungen und möglicher systemverändernder Vorschriften zu einem neuen Universalbank- oder Trenn-bank-System noch unberücksichtigt. Viele Banken werden verschwinden.

- Da es die "risikolose Anlage" nicht mehr gibt, muss ein neues Geschäftsmodell für die Staatsfinanzierung gefunden werden, denn auch in einer Politik zur Konsolidierung der Haushalte müssen die europäischen Staaten in den nächsten Jahren erhebliche Summen finanzieren. Auch wenn die Lösung dieses Problems noch völlig offen und die Konsolidierung ohne Alternative ist, so bietet der bevorstehende Wandel für die Anpassungsfähigen viele Chancen.

Einschränkung des Lebensstandards

Sollen wirklich die Ursachen der Krise beseitigt werden, so muss zur Kenntnis genommen werden, dass seit langen Jahren durch öffentliche und private Verschuldung in den westlichen Ländern der Lebensstandard subventioniert wurde. Die Reduzierung des Wachstums der Verschuldung und mehr noch die Rückführung der Verschuldung werden hier notwendigerweise zu einer Einschränkung des Lebensstandards führen. Insofern bleibt der Versuch, die Krise an den Finanzmärkten zu lösen, um Einflüsse auf die Realwirtschaft zu vermeiden, eine Illusion.

Nur diese Anpassung der Realwirtschaft an eine Entwicklung ohne Subventionen mit ständig steigender Verschuldung wird die Ursachen der Krise beseitigen. Insofern sind die voranstehenden Ausführungen auch nicht von einem fatalistischen Pessimismus geprägt, sondern von der Hoffnung, dass sich vieles so wie beschrieben entwickeln wird, denn ein weiteres Aufschieben der notwendigen Anpassungen dürfte kaum noch zu beschreibende Konsequenzen haben.

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