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Warum der Staat eine Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes ordnen, sie aber nicht initiieren sollte

In einer bemerkenswerten Kehrtwendung zu früher meist strikt negativen Äußerungen zum Thema Verbriefung hat Bundesfinanzminister Steinbrück am Rande eines Kongresses des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel (BGA) in Berlin am 17. September eine Wiederbelebung des Verbriefungsgeschäftes über staatliche Garantien befürwortet. Damit folgte er einer bereits im April dieses Jahres von BGA-Präsident Anton Börner propagierten Initiative, die von der durch die KfW ins Leben gerufenen und von allen in Deutschland wesentlichen Banken unterstützten Verbriefungsplattform TSI vorbereitet worden war.

Grundsätzlich positive Neubewertung

Besonders erfreulich daran ist, dass der negative Beigeschmack, der noch immer allem anzuhaften scheint, was auch nur entfernt nach Securitization/Verbriefung riecht, endlich nicht nur in Fachkreisen von einer längst überfälligen Aufwertung und grundsätzlich positiven Neubewertung abgelöst zu werden verspricht. Die Verbriefung als Bindeglied zwischen dem Bankkredit- und dem Kapitalmarkt ist in Wirklichkeit seit Jahren unverzichtbar. In einer Phase zunehmender Eigenmittelknappheit bei den Banken gilt das erst recht.

Die Verbriefungstechnik als solche, das sogenannte Originate-to-distribute (OTD)- Geschäftsmodell, war temporär als auslösende Ursache der Finanzmarktkrise hochstilisiert worden, die ihren Ausgang im Kollaps des US-Marktes für "securitized subprime mortgages" genommen hatte. Die Pauschalverurteilung des Verbriefungsansatzes war aber selbst für den US- Subprime-Mortgage-Marktsektor nie ganz stimmig, da dessen Entstehung primär mit einer nicht zu Ende durchdachten Sozialpolitik in den USA zu tun hatte, die ganz wörtlich um jeden Preis darauf abzielte, auch unvermögenden und einkommensschwächsten Schichten den Erwerb eines Eigenheimes zu ermöglichen. Allerdings gab es da auch Missbräuche, Exzesse und Unverantwortlichkeiten, die durch den jahrelangen Anstieg der Eigenheimpreise, niedrige Zinsen und hohe Liquidität erst begünstigt und anschließend lange unentdeckt blieben.

Die Infektion der globalen Finanzmärkte durch den Kollaps des US-Subprime-Mort-gage-Sektors war eine Folge des geradezu panischen Vertrauensverlustes in die Verlässlichkeit von Ratings überhaupt. Deren auf historischen Daten beruhender quantitativer Ansatz für die Messung von Risiko (Volatilität von Wertpapierkursen oder Ausfallwahrscheinlichkeiten von Krediten) hatte traditionellere Verfahren der Kreditanalyse oder qualitativer Stress-Test- Szenarien immer weiter verdrängt. Der Rest ist bereits Geschichte: Seit Mitte 2007 beschleunigte sich eine Kaskade von Downgradings von Ratings auch früher für unkorreliert gehaltener Aktivakategorien, die Wertpapiermärkte brachen ein, und ein Absturz des Weltfinanzsystems konnte nur durch eine konzertierte Anstrengung ungewöhnlicher und gigantischer staatlicher Rettungsbemühungen abgewendet werden.

Am Ende des dritten Quartals 2009 geht der Konsens dahin, dass das Schlimmste überstanden scheint. Die Aktienmärkte haben seit Jahresanfang enorm zugelegt, die Realwirtschaft zeigt in Deutschland wieder erste Anzeichen von Wachstum und die Risikoprämien in den Finanzmärkten sind vielfach auf Vorkrisenniveau zurückgefallen.

Womöglich nicht ganz ohne Verwunderung hat die Europäische Zentralbank (EZB) Ende 2008 konstatiert, dass jedenfalls die Verbriefungstransaktionen im Euroraum in einem Gesamtvolumen von 1 300 Milliarden Euro die Finanzmarktkrise ohne irgendwelchen signifikanten Rating Downgrades überstanden hatten. Diese Feststellung bezog sich auf den Zeitraum bis Mitte 2008, also vor erst später einsetzenden Beeinträchtigungen der Realwirtschaft, die ja nicht der Verbriefungstechnik anzulasten gewesen wären. Aber selbst noch per Ende des ersten Quartals 2009 zeigen die noch vor Beginn der Krise über die Promise Plattform der KfW emittierten Mittelstandskreditverbriefungen eine durchweg zufriedenstellende Performance.

Diese Performancewerte belegen deutlich, dass beim OTD-Modell der von einer unter den Ökonomen gerade modischen Theorie hochgespielte Interessengegensatz zwischen Agent/Originator und Principal/Investor durchaus nicht die unheilvolle Rolle spielt, welche der Jargon von "skewed incentives, assymetrical information und moral hazard" suggeriert hatte. Selbstverständlich gibt es einen latenten Interessenkonflikt zwischen dem Arrangeur eines Forderungsbündels und dem oder den Investor(en), die in diese Wertpapiere anlegen - wie immer zwischen Verkäufer und Käufer. Nur handelt es sich bei dem ganzen Vorgang häufig um lediglich verschiedene Abteilungen innerhalb derselben Bank nicht notwendig, aber häufig - und zweitens wird aus Gründen des Reputationsschadens offensichtlich weniger gemogelt als es die angesichts der Krise besonders eingängige Theorie behauptete. Es handelt sich ja nicht um einmalige "hit and run"- Situationen, sondern um langjährige Handelsbeziehungen, die nur auf der Grundlage eines Minimums bewährten Vertrauens gedeihen können.

Unnötiger Schaden und erhebliche Zusatzkosten

Daher würden unnötiger Schaden und erhebliche Zusatzkosten verursacht werden, wenn der Risikotransfer als solcher behindert oder eingeschränkt würde, wie es die während der Krise in Berlin und Brüssel aufgeblühten "risk retention" und "skin in the game" Argumentationen nahelegen möchten. Der Finanzmarkt dient dem Risikotransfer. Davor kann und muss man die Allgemeinheit schützen. Aber dem Profi muss unter allen Umständen abverlangt werden, dass er seine Hausaufgaben macht und sich sein unabhängiges Urteil darüber bildet, welches Risiko er eingeht. Alles andere entspricht nicht den Anforderungen, dem Zweck und den Möglichkeiten des Finanzmarktes.1)

Der Verbriefungsmarkt als solcher ist scheinbar auch schon wieder da, wo er mal vor der Krise war. So bewegte sich das Neuemissionsvolumen von Verbriefungstransaktionen im Euroraum im ersten Halbjahr 2009 mit 171 Milliarden Euro etwa auf dem Niveau von 2006. Es ist mit dem Jahr 2006 aber nicht wirklich vergleichbar, da damals noch das gesamte Volumen im Kapitalmarkt ausplatziert wurde. Nach Ausbruch der Subprime-Mortgage-Krise, also nach August 2007, verblieben nunmehr unplatzierbare Verbriefungsemissionen überwiegend auf den Bankbilanzen, konnten aber jetzt zu Repo-Geschäften2) mit der Zentralbank eingesetzt werden. Die EZB hat auf diese Weise ihr Refinanzierungsgeschäft mit den Geschäftsbanken in bislang unerhörtem Umfang ausgeweitet.

Schattenexistenz

Der bereits viel bejubelte Rückgang von Risikospreads im Interbankengeschäft hat also vorerst weniger mit einer Zunahme des Vertrauens unter den Banken zu tun als mit einer enormen Zuführung von Zentralbankliquidität. So hat die EZB am 24. Juni dieses Jahres erstmals den Banken Repos zu einem zu Stimulierungszwecken künstlich niedrigen Refinanzierungssatz von einem Prozent für ganze zwölf Monate angeboten. Dieses attraktive Angebot wurde von den Banken denn auch umgehend in einem Umfang von 442 Milliarden Euro wahrgenommen (nahezu fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Euroraums! ), wobei die EZB zur Besicherung der ihr von den Banken zur Verfügung gestellten Liquidität ein breites Spektrum von Wertpapieren, darunter Staatsanleihen, Pfandbriefe, aber auch Asset Backed Securities akzeptierte.

Der Verbriefungsmarkt ist somit auch während der Krise nicht gänzlich aus der Welt verschwunden, sondern führt derzeit im Pensionsgeschäft zwischen den Geschäftsbanken und den Zentralbanken eine Art zombieartige Schattenexistenz ohne funktionierenden Sekundärmarkt und ohne effiziente Preisbildung.

Gleichzeitig hat die EZB seit Juni damit begonnen, zur Entlastung der Banken Pfandbriefe nicht nur im Rahmen von Repo- Geschäften zu akzeptieren, sondern in einer Höhe von 60 Milliarden Euro auch direkt im Markt zu kaufen. Das ist mit entsprechenden Verlustrisiken verbunden und daher, milde ausgedrückt, ungewöhnlich. Anscheinend sind die Probleme im Commercial Real Estate Sektor vor allem in Spanien, aber auch in Italien so drückend, dass sich die EZB weiter zu unkonventionellen Maßnahmen von Liquiditätszufuhr genötigt sieht, obwohl Anzeichen eines Wiederaufschwungs in Deutschland und Frankreich der EZB eher schon Exitstrategien nahelegen könnten.

Vor dem Hintergrund dieser bis auf Weiteres absehbar expansiven Haltung der EZB hat der Risikoappetit in den Kapitalmärkten wieder deutlich zugenommen. Einige Banken können bereits wieder nachrangige Hybridanleihen und Unternehmen können wieder eigene Anleihen begeben. Während Verbriefungsneuemissionen vorerst noch im EZB-Repogeschäft landen, entspräche das Wiederaufleben auch eines Sekundärmarktes in Verbriefungspapier also durchaus dem natürlichen Verlauf der weiteren Entwicklung. Die Bemühung um selbst nur partielle Staatsgarantien für Mittelstandskreditverbriefungen, die Steinbrück und Börner vorrangig fördern wollen, würde einen solchen natürlichen Markt- und Preisbildungsprozess indessen nur aufhalten und behindern.

Vernünftigen Ordnungsrahmen setzen

Natürlich ist es für die Banken einfacher und bequemer, sich bei neuen Verbriefungen auf zusätzliche Staatsgarantien verlassen zu können. Geschäft mit weniger Risiko ist eben leichter als Geschäft mit mehr Risiko. Aber hier würde der Staat unklugerweise von sich aus genau derart falsche Incentives setzen, wie er sie den Banken im Vergütungsbereich zum Vorwurf macht. Angesichts der von der EZB zu Niedrigstkosten garantierten Liquidität liegt es jetzt vorrangig in der Verantwortung der Banken, den nächsten Schritt vorwärts in den Wiederaufbau effizienter Sekundärmärkte für Verbriefungspapier zu machen.

Aber einen vernünftigen Ordnungsrahmen sollte der Staat durchaus setzen, nachdem ruinöser Wettbewerb um Marktanteile unter den Banken einen 2004 erfolgreich gestarteten Ansatz für verbrieftes Mezzanine von Mittelstandsunternehmen zu kaptalmarktschädlicher Zersplitterung des Angebotes und Vorfällen von negativer Selektion geführt hatte. Standardisierung und Konsolidierung, möglichst europaweit, wären die Voraussetzung für ein nachhaltig erfolgreiches Comeback des im Mittelstand mit Recht beliebten Mezzanineverbriefungsformulars.

Damit Mezzanine dann aber auch noch im Krisenfall den Fortbestand des Unternehmens zu sichern geeignet ist, müsste ein entsprechender Ordnungsrahmen sicherstellen, dass ein Interessenkonflikt zwischen Mezzanine- und Kreditgläubiger ausgeschlossen wird. Ein solcher kann genau dann auftreten, wenn die arrangierende Bank Teile des Mezzanine auf der eigenen Bilanz behält und sich als gleichzeitiger Kreditgläubiger dann in der Krise bequemerweise für die Verwertung eingeräumter Kreditsicherheiten entscheidet statt für eine das Überleben des Unternehmens begünstigende Restrukturierung, was regelmäßig die Präferenz des bloßen Mezzaninegläubigers ist. In einem staatlichen Ordnungsrahmen für verbrieftes Mittelstandsmezzanine muss daher der vollständige Transfer der nachrangigen Mezzanineforderung und bankunabhängiges Restrukturierungsmanagement im Krisenfall sichergestellt sein. Nur so kann Mezzanine seine eigenkapitalähnlichen Wirkungen voll entfalten. Zur Förderung des Mittelstandes braucht es einen verbindlichen staatlichen Ordnungsrahmen für zukünftige Verbriefungen, aber keine Staatsgarantien!

Fußnoten

1) Zur Freiheit und Unbehindertheit des Risikotransfers gehört dann natürlich aber auch, dass die Bank, wenn sie sich "verzockt" hat, die Folgen tragen sollen müsste bis hin zur Insolvenz, anstatt automatisch zulasten des Steuerzahlers gerettet zu werden. Wenn das sichergestellt ist, wird die Gesellschaft auch mit hohen Gehältern und Boni von Bankern wieder leichter leben können. "Too big or too complex to fail" kann also nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Das zeigt auch die von der Schweizerischen Nationalbank jüngst initiierte Diskussion über "Sollbruchstellen" in solch angeblich zu komplexen Fällen. Aber das ist ein Thema für sich.

2) Liquiditätsbeschaffung durch Verkauf von Wertpapieren mit gleichzeitiger Vereinbarung eines Termins für den Rückkauf, auch Repo-Geschäft genannt (von Repurchase Agreement).

Michael Altenburg, Luzern

Michael Altenburg , Luzern, Schweiz
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