Aufsätze

Strategie und Entwicklung der Kantonalbanken

Die Gruppe der Kantonalbanken umfasst 24 eigenständige, nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführte Institute, die sich durch Stabilität, Qualität und Kundennähe auszeichnen. Mit ihrem flächendeckenden Filialnetz sind sie mit rund 820 Geschäftsstellen sowie gegen 18 000 Mitarbeitern in der ganzen Schweiz präsent und verfügen über ein umfassendes Produkt- und Dienstleistungsangebot. Eigentümer - teils vollständig, teils als Mehrheitsträger - sind die Kantone. Als bedeutende Bankengruppe prägen die Kantonalbanken das schweizerische Bankensystem mit.

Wunsch nach Staatsbanken

Die Gründung der Kantonalbanken fällt zum größten Teil in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit der fortschreitenden Industrialisierung der Schweizer Wirtschaft stieg damals auch die Nachfrage nach Krediten. Weil die Vorgängerinnen der heutigen Großbanken vorwiegend in den Eisenbahnausbau sowie in Handel und Industrie investierten, wurde das Kapital für traditionelle Wirtschaftszweige - das Handwerk und die Landwirtschaft - knapp.

In der Folge wuchs in verschiedenen Kantonen der Wunsch nach Staatsbanken, die durch Gewährung zinsgünstiger Hypothekardarlehen die Nachfrage nach Krediten decken und mit sicheren Anlagemöglichkeiten den Sparwillen der Bevölkerung fördern sollten.

Die Tätigkeit der neu gegründeten Kantonalbanken zeichnete sich durch Bankdienstleistungen für breite Bevölkerungskreise, der Entwicklung der regionalen Wirtschaft und der Sicherstellung des Wettbewerbs aus. Im Laufe der Zeit bauten sie ihr Dienstleistungs- und Produktangebot immer weiter aus.

Heute sind die Kantonalbanken mit einem Marktanteil von 30 Prozent am Inlandsgeschäft von großer Bedeutung für das Funktionieren des Wettbewerbes und für die Vielfalt des Angebotes, welches den Kunden in der Finanzdienstleistungsbranche zur Verfügung steht. Eine spezielle Bedeutung kommt ihnen bei der Präsenz in Regionen außerhalb der großen Zentren zu, wo sie ein umfassendes und kundennahes Angebot sicherstellen.

Positionierung im Schweizer Bankenmarkt

Die Kantonalbanken stehen in direktem Wettbewerb mit den übrigen Banken und Bankengruppen und unterliegen den für alle Banken geltenden nationalen Regelungen. Sie sind primär im inlandorientierten Geschäft tätig mit einem klaren Fokus auf den jeweiligen Kanton. Mit dem erwähnten inländischen Marktanteil von rund einem Drittel sind sie - zusammen mit den Großbanken - die wichtigsten Anbieter von Bankdienstleistungen in der Schweiz und lokal wie national eine starke Bankengruppe.

Das Angebot umfasst eine breite Palette an Produkten und Dienstleistungen. Das Kreditgeschäft für Klein- und Mittelbetriebe sowie das Retail-Banking, vor allem die Hypothekarausleihungen und das Spar- und Vorsorgegeschäft, bilden die wichtigsten Geschäftsbereiche. In den erwähnten Sparten weisen die Kantonalbanken hohe Marktanteile aus; viele sind in ihrer Region Marktleader. In den letzten Jahren haben sie sich zusätzlich als kompetente Partner im Anlagebereich profiliert.

Die Kantonalbanken sind im Markt teilweise Konkurrenten. Dennoch arbeiten sie in vielen Bereichen aktiv und erfolgreich zusammen, auf bilateraler, regionaler und nationaler Ebene. Die Zusammenarbeit erfolgt einerseits über den Verband Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB), andererseits sind innerhalb der Gruppe, als Netzwerkpartner, rund 20 Gemeinschaftsunternehmen entstanden.

Unterschiede in der juristischen und organisatorischen Ausgestaltung

Kantonalbanken unterscheiden sich bezüglich ihrer juristischen und organisatorischen Ausgestaltung, ihrer Betriebsgröße oder ihrer geschäftspolitischen Schwerpunkte zum Teil stark. Wie aktuelle Analysen zeigen, können weder Größe noch Rechtsform einen wesentlichen Erklärungsbeitrag zum Erfolg einer Kantonalbank leisten. Oder mit anderen Worten: Zu den über einen Zeitraum von mehreren Jahren erfolgreichen Kantonalbanken gehören sowohl größere wie auch kleinere Kantonalbanken, teilweise in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, teilweise als öffentlich-rechtliche Körperschaft.

Die Jahresabschlüsse bewegen sich seit Jahren auf einem hohen Ertragsniveau diese Entwicklung konnte mit einem neuerlichen Rekordergebnis im Geschäftsjahr 2007 fortgeschrieben werden, was angesichts der anspruchsvollen Rahmenbedingungen als sehr beachtlicher Erfolg zu werten ist. Die wichtigsten Bilanz- und Erfolgspositionen sind der Übersicht zu entnehmen.

Der Einfluss der US-Hypothekenmarktkrise wird in den aktuellen Semesterabschlüssen der meisten Kantonalbanken sichtbar, dies, obwohl keines der Institute direkt in die Subprime-Krise involviert ist. Vielmehr zeigen sich (wie auch bei den übrigen Bankengruppen) die indirekten Konsequenzen in rückläufigen Ergebnissen im börsenabhängigen Geschäft. Andererseits ist aber auch spürbar, dass die lokale Verankerung, die unmittelbare Nähe zur Kundschaft und ein auf echten Kundenbedürfnissen ausgerichtetes Geschäftsmodell einem Anliegen der Kundschaft entsprechen.

Gesetzliche Grundlagen und deren Gestaltungsspielräume

Die Kantonalbanken sind sehr gut kapitalisiert. Im Durchschnitt erfüllen sie die regulatorischen Eigenmittelanforderungen zu rund 200 Prozent. Dies ist, zusammen mit einem auf Kontinuität ausgerichteten, transparenten und für Kunden sowie Investoren nachvollziehbaren Geschäftsmodell, Ausdruck für Sicherheit und Stabilität. Diese Attribute werden gerade in Zeiten allgemeiner Verunsicherung besonders geschätzt. So sind seit Anfang 2008 erhebliche Neukunden- und Neugeldzuflüsse bei den Kantonalbanken zu beobachten.

Der Bankenmarkt Schweiz wird in der Bundesverfassung und dem darauf basierenden Bankengesetz geregelt. Dieses hält unter anderem fest, dass die Kantone über die Errichtung einer Kantonalbank sowie deren Aufgaben, Rechtsform, und Organisation frei entscheiden können.

Laut Bankengesetz gelten als Kantonalbanken die aufgrund eines kantonalen gesetzlichen Erlasses als Anstalt oder Aktiengesellschaft errichteten Banken. Der Kanton muss dabei eine Beteiligung von mehr als einem Drittel des Kapitals halten und über mehr als ein Drittel der Stimmen verfügen. Des Weiteren kann der Kanton für die Verbindlichkeiten seiner Kantonalbank die teilweise oder vollumfängliche Haftung übernehmen. Seit der Revision des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen Ende der neunziger Jahre ist die Staatsgarantie somit nicht mehr zwingendes Merkmal einer Kantonalbank.

In den kantonalen Gesetzen können die Kantonalbanken als öffentlich-rechtliche Körperschaft, als spezialgesetzliche, gemischtwirtschaftliche oder privatrechtliche Aktiengesellschaft ausgestaltet sein. Einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft stellt der Kanton das Eigenkapital als sogenanntes Dotationskapital zur Verfügung. Einige Institute verfügen zusätzlich über ein Partizipationsscheinkapital, das privaten Investoren die Beteiligung (ohne Stimmrecht) an der Bank ermöglicht. Nebst einer marktkonformen Verzinsung des Dotationskapitals sind die Kantone über eine zusätzliche Gewinnausschüttung am Erfolg ihrer Bank beteiligt.

Meist volle Staatsgarantie

Als Aktiengesellschaft konzipierte Kantonalbanken verfügen über ein Gesellschaftskapital, das in Aktien aufgeteilt ist. Der Kanton hält in der Regel jeweils die Mehrheit an Kapital und Stimmen. Wie bei anderen Aktiengesellschaften wird ein Teil des Gewinnes als Dividende ausgeschüttet.

Die meisten Kantonalbanken besitzen die volle Staatsgarantie. Der jeweilige Kanton haftet also subsidiär für alle Verbindlichkeiten seiner Bank und bekundet somit als Eigentümer, dass er in schwierigen Zeiten für sein Institut einsteht. Je nach kantonalen Bestimmungen entrichtet die Bank dem Kanton dafür eine finanzielle Entschädigung. Somit sind es letztlich die Stimmberechtigten eines Kantons, welche als Eigentümer und Entscheidungsträger über den rechtlichen und organisatorischen Rahmen entscheiden, in dem eine Kantonalbank tätig ist.

Auf Seite des Kantons steht die Eigentümerrolle (Vorschlag respektive Wahl des Oberleitungsorgans, Genehmigung des Jahresberichts und der Jahresrechnung) entweder dem Regierungsrat (Exekutive) oder dem Kantonsrat (Legislative) zu. In einzelnen Kantonen gibt es auch kombinierte Lösungen.

Weiter ist in den letzen Jahren festzustellen, dass der Kanton in einer expliziten oder impliziten Eigentümerpolitik Eckwerte wie geografisches und sachliches Betätigungsfeld, Zielwerte für Kapital und Rendite, aber auch verschiedene Aspekte der Corporate und Political Governance festschreibt. Eine solche Eigentümerpolitik ist für eine mittlere Frist angelegt und steckt den Rahmen für die Unternehmensstrategie - für welche die Organe der Bank zuständig und verantwortlich sind - ab.

SVR-Studie aus Sicht der Kantonalbanken

Aufgrund der teilweise vorhandenen Ähnlichkeiten des deutschen Sparkassen- und Landesbankensektors mit den Schweizer Kantonalbanken soll die im Sommer 2008 publizierte Studie des Sachverständigenrates (mit dem Titel: Das deutsche Finanzsystem: Effizienz steigern - Stabilität erhöhen) bezüglich ihrer Relevanz für die öffentlich-rechtlichen Institute der Schweiz einer Prüfung unterzogen werden.

Der größte Handlungsbedarf zeigt sich gemäß den Erkenntnissen der Studie in der Struktur des deutschen Bankensystems. Die damit verbundenen Optionen konzentrieren sich auf die öffentlich-rechtlichen Institute und hier vor allem auf die Landesbanken. Diese werden - unter den Aspekten betriebswirtschaftliche Effizienz und Zukunftsfähigkeit, gesamtwirtschaftlicher Wachstumsbeitrag durch eine effiziente Kapitalallokation sowie Stabilität - als zentraler Schwachpunkt des deutschen Finanzsystems beurteilt. Weniger transparent seien diese Schwächen bei den Sparkassen. Jedoch wird in der Studie festgestellt, dass ihre Rechtsform als Anstalt des öffentlichen Rechts eine Konsolidierung des Bankenmarktes erschwere. Zudem behindere die Vermischung von öffentlichem Auftrag und operativem Geschäft eine eindeutige Effizienzüberprüfung.

So wird in Bezug auf die Sparkassen empfohlen, deren öffentlichen Auftrag zu klären, seine Berechtigung zu überprüfen sowie eine Trennung vom operativen Bankgeschäft vorzunehmen. Sowohl das Regionalprinzip wie auch der Verbundcharakter sollen beibehalten werden, jedoch soll der Einfluss der öffentlichen Eigentümer zurückgedrängt werden, indem eine Umwandlung in Aktiengesellschaften empfohlen wird.

Die Landesbanken weisen nicht nur aufgrund der aktuellen Finanzmarktkrise eine geringe Rentabilität und - bezogen auf Kundenbedürfnisse der jeweiligen geografischen Region - wenig tragfähige Geschäftsmodelle auf. Auf nationaler Ebene sind als Schlussfolgerung letztlich im Landesbankensektor Ineffizienz und Überkapazitäten feststellbar. Aus diesem Grund wird eine Privatisierung der Landesbanken empfohlen, indem die von den Ländern gehaltenen Aktienanteile auf weniger als 25 Prozent reduziert werden.

Übertragbarkeit auf die Schweiz?

Auch wenn die Empfehlungen des deutschen Sachverständigenrates eindeutig auf die öffentlich-rechtlichen Institute (Landesbanken und Sparkassen) in Deutschland ausgerichtet sind, lohnt es sich, der Frage nachzugehen, ob und wie sie auch auf die öffentlich-rechtlichen Institute in der Schweiz übertragen werden können.

Trotz der verschiedenen erwähnten Ähnlichkeiten bestehen zwischen den Kantonalbanken und insbesondere den Landesbanken aber auch erhebliche Unterschiede: Mit ihrer regionalen Verankerung und einem auf den Bedürfnissen der Kundschaft der jeweiligen Region basierten Geschäftsmodell ähneln die Kantonalbanken eher den Sparkassen.

Im Unterschied zu diesen wiederum ist für eine Kantonalbank nicht nur auch eine privatrechtliche Rechtsform, sondern sogar die Beteiligung Privater am Kapital - selbst in einer Rechtsform des öffentlichen Rechts - möglich und bei der Mehrheit der Institute auch realisiert. Damit stellen sich diese Kantonalbanken sowohl hinsichtlich Kapitalkosten wie auch -allokationseffizienz dem Kapitalmarkt.

Ein Drei-Säulen-System mit weitgehend gegenseitig abgeschotteten Bankengruppen kennt die Schweiz in dieser Form nicht. Kooperationen wie Übernahmen sind zwischen den verschiedenen Bankengruppen möglich und erhöhen die Dynamik.

Bei den Kantonalbanken besteht in der Regel kein formalisierter öffentlicher Auftrag oder gar die direkte Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben. Das öffentliche Interesse besteht auf Ebene des Eigentümers, also der Gebietskörperschaft, und wird durch die Kantonalbank in erster Linie durch ein für alle Kundengruppen offenes Geschäftsmodell mit einer kantonal-regionalen Ausrichtung und einem auch in ländlichen oder Rand-Regionen verfügbaren Filialnetz gewährleistet.

Spielraum für eine erfolgreiche Marktpositionierung

Eine Vermischung von öffentlichen Aufgaben und der Banktätigkeit ist problematisch und birgt die Gefahr einer politischen Einflussnahme auf das operative Geschäft. Dieses wird bei den gemäß betriebswirtschaftlichen Kriterien geführten Kantonalbanken nach Ertrags-, Kosten- und Risikoaspekten wahrgenommen. Der Eigentümer erhält aus der Tätigkeit der Bank eine Ausschüttung, über die er - wie ein privater Aktionär bei einem privaten Unternehmen - frei verfügen kann.

In der Revision des Schweizer Bankengesetzes wurde Ende der neunziger Jahre bewusst (und mit erklärter Unterstützung der Kantonalbanken und der Kantone als Eigentümer) darauf hingewirkt, dass die Kantonalbanken mit jenen Spielräumen bei der Ausgestaltung von Rechtsform, Staatsgarantie und Eigentumsverhältnissen ausgestattet werden, die für eine erfolgreiche Marktpositionierung notwendig sind.

Nicht allein aus diesen Gründen leiden die Kantonalbanken in der Schweiz keineswegs unter Rentabilitäts- oder Wachstumsproblemen, sondern konnten gerade in den letzten Jahren ihre Wettbewerbsposition weiter ausbauen. Als regional verankerte und besonders kundennahe Institute entsprechen sie (nicht nur in krisengeschüttelten Zeiten wie diesen) einem echten Kundenbedürfnis und verfügen über eine ausgeprägte Marktorientierung. Das auf Sicherheit und Kontinuität ausgerichtete, dezentral organisierte Geschäftsmodell der Kantonalbanken verfügt somit über den notwendigen Anpassungs- und Gestaltungsspielraum und ist heute gefragter denn je!

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