Aufsätze

Strategieüberlegungen für die Bank der Zukunft - einfach, aber nicht 08/15

Nach der Finanzkrise 2007/2008 wurden die Auswüchse im Investment Banking beklagt, ja vielfach sogar als Ursache für die Finanzkrise identifiziert. Das Retailgeschäft wurde dagegen als viel weniger schwankungsanfällig und damit als krisenfester Teil des Bankgeschäfts gelobt. Die Vertreter der Sparkassen und Genossenschaftsbanken vertraten die Meinung, dass die Finanzkrise nun deutlich die Überlegenheit ihres Geschäftsmodells gezeigt hätte.

Bemerkenswerte Position der Bankenaufsicht

Mittlerweile ist es um die optimistische Sicht auf das Geschäftsmodell doch deutlich ruhiger geworden. Die zur angeblichen Erhöhung der Krisenresistenz des Bankensystems vielfältigen Maßnahmen auf dem Gebiet der Bankenaufsicht und des Verbraucherschutzes bringen nun ihre dramatischen Auswirkungen auf das Bankgeschäft. Parallel dazu zeigte sich zunächst schleichend, nun aber immer deutlicher die Wirkung der von den Notenbanken herbeigeführten langanhaltenden Niedrigzinsphase. Diese lässt nicht nur die Beiträge aus der Anlage des eigenen Bankvermögens und der Fristentransformation von Tag zu Tag schrumpfen, sondern bringt auch die Erfolgsbeiträge aus dem im oben genannten Geschäftsmodell so wichtigen Einlagengeschäft kräftig unter Druck.

Bemerkenswert ist die Position der deutschen Bankenaufsicht, die kurz nach der Krise die Überlegenheit des deutschen Universalbankensystems mit ihrem stabilitätserhaltenden Geschäftsmodells lobte, nun aber verlauten lässt, dass sie über die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells in der Niedrigzinsphase doch sehr besorgt sei und sich von den Instituten diese Tragfähigkeit darlegen lassen will. Bankmanager mag ob dieser Entwicklungen eine gewisse Verzweiflung ergreifen, wenn Notenbanken durch ihre Geldpolitik die Steuerungs funktion des Zinses als Preis für Geld und Kapital außer Kraft setzen und dann die Bankenaufsicht die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle unter diesen Umständen hinterfragt.

Den weiteren Verlauf der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, des Aufsichtsrechts und der Geldpolitik wird kein Bankenverband aufhalten, allenfalls in Randbereichen abschwächen können. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Institute auf solche Änderungen einstellen. Einige Kommentatoren sprechen sogar von einer "tektonischen Verschiebung" im deutschen Bankenmarkt, da zudem noch von zwei weiteren Entwicklungen massive Auswirkungen auf das Geschäft ausgehen: - Die Verhaltensänderungen der Bankkunden durch die neuen Medien im weitesten Sinne: Hier verstärken sich die technologischen Möglichkeiten, (Entwicklung des Internets) und die tatsächliche Verhaltensänderung bei den Bankkunden gegenseitig.

- Der weitere Einflussfaktor ist der über die technologische Entwicklung mögliche Einbruch in die Wertschöpfungskette der Banken durch wirklich innovative branchenfremde Wettbewerber: so zum Beispiel Pay-Pal im Zahlungsverkehr, Mint im Bereich Zusammenführung von Finanz- und Transaktionsdaten über mehrere Banken, Ayondo bei Trading- und Beratungsplattformen, Lendingclub bei neuen Finanzierungsoptionen.

Eine wirkliche Alternative für die Geschäftspolitik

Die Antworten auf all diese Einflussfaktoren wurden bisher im Bereich der Effizienzverbesserung gesucht, also der Beantwortung der Frage "Werden die Dinge richtig gemacht?". Im Umbau zur einfachen Bank wird für die Geschäftspolitik die umfassendere Frage der Effektivität gestellt, also "Werden die richtigen Dinge gemacht?". Denn selbst eine ehrgeizige Effizienzsteigerung von angenommen zehn Prozent wird dem Spektrum der Anforderungen nicht gerecht:

- Anforderungen mit Blick auf den Markt,

- Zurückgewinnung des Vertrauens der Kunden,

- Sicherstellung der freien Wählbarkeit der Zugangswege zur Bank durch den Kunden,

- faire und verständliche Beratung in allen Fragen der Bankleistungen,

- transparente und bedürfnisbasierte Produktpalette,

- Anforderungen in der Steuerung des Bankgeschäfts,

- weitestgehende Beschränkung auf die aus dem Kundengeschäft resultierende Fristentransformation ohne komplexe Hebelstrategien im Treasury,

- transparente, regelgebundene Anlagepolitik für das eigene Vermögen der Bank,

- Beschränkung auf ein wirklich entscheidungsorientiertes Steuerungssystem, das auf geschäftspolitisch gewünschte Ergebnisse verzichtet und stattdessen die Realität abbildet.

Um all diese Herausforderungen bewältigen zu können, muss die Geschäftspolitik einem klaren Leitbild folgen und im Denken und Handeln aller Mitarbeiter verankert sein, um widerspruchsfreie Aktivitäten sicherzustellen. Dieses Leitbild folgt den Prinzipien der Einfachheit: Reduktion, Zweckdienlichkeit, Bedienerfreundlichkeit, Verständlichkeit, Transparenz und Orientierung.

Eine Hinwendung zu diesen Prinzipien ist zunehmend auch bei den Kunden festzustellen: Kundenbefragungen weisen den Wunsch nach einfachen Produkten und verständlichen Bankinformationen aus, der Verbraucherschutz verlangt Transparenz und Verständlichkeit. Tester von Dienstleistungen mahnen Bedienerfreundlichkeit und Zweckdienlichkeit an. Managementansätze favorisieren die Komplexitätsreduzierung.

Für die Zukunft neu aufstellen

Wie kann es in Zukunft gelingen, "einfach Bank" zu sein, um die obigen Ziele zu erreichen und sich neu für die Zukunft aufzustellen? Die Einfache Bank konzentriert sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden, bietet wenige, einfache und nachvollziehbar faire Produkte an, legt ihr eigenes Vermögen regelbasiert und konservativ an, erzielt ihren Ertrag überwiegend im Kundengeschäft, reduziert ihre Prozesskosten, reduziert die Komplexität ihrer Steuerung und erreicht damit wieder günstige Konditionen bei angemessenem Ertrag.

Die folgende Auseinandersetzung mit den vielfach zur einfachen Bank gestellten Fragen hilft ein deutlicheres Bild zu zeichnen:

Ist die Strategie der einfachen Bank für alle gleich, die einer solchen Geschäftspolitik folgen? Nein, wenn die Einfache Bank ihre Leistungen bedürfnisorientiert anbieten will, so ist die Kenntnis der Kundenbasis und des regionalen Kundenpotenzials von ausschlaggebender Bedeutung. Um die Austauschbarkeit der eigenen Leistungen zu entgehen, muss die jeweilige Bank zur Marke entwickelt werden. Im Unterschied zu anderen Branchen handelt es sich bei den Bankleistungen um sogenannte "mittelbare Produkte", das heißt, der Kunde fragt eine Bankleistung nur nach, um über dieses "Mittel" sein letztendliches Bedürfnis zu befriedigen:

Er spart, um sich zum Beispiel ein Auto anschaffen zu können, er fragt eine Baufinanzierung nach, um für sich und seine Familie ein Heim erwerben zu können, er will Vermögen bilden, um im Alter einen zusätzlichen Einkommensstrom zu haben. Niemand "schreit vor Glück" - wie es so schön in der Werbung eines Versandhandels heißt - wenn die Bank ihm den Anschaffungskredit auszahlt, möglicherweise aber, wenn das damit bezahlte neue Auto blitzblank vor der Tür steht. Von daher muss auch für die Bankleistungen eine Emotionalisierung zur Schaffung einer Marke über die vom Kunden wahrgenommene Befriedigung seiner Bedürfnisse erreicht werden. Die institutsindividuelle Ausprägung der Strategie der einfachen Bank, die keineswegs ein Rezeptbuch mit identischen Lösungen für alle darstellt, ist erfolgsbestimmend. Bei der "Einfachheit" der Aussagen zur Strategie sollte immer an die Mahnung von Clausewitz gedacht werden: "So ist denn in der Strategie alles sehr einfach, dennoch nicht leicht".

Bekommt der Kunde nur noch 08/15-Leistungen? Nein, bei vorurteilsfreier Bedürfnisanalyse der Kunden und darauf abgestellter Leistungs- und Produktpalette bekommt der Kunde das sein Bedürfnis erfüllende Produkt. Vereinfachung der Produkte im Hinblick auf Verständlichkeit, Transparenz, Bedürfniserfüllung und fairer Preisgestaltung erlaubt auch für die bankinternen Prozesse eine Standardisierung, die entsprechend positive Auswirkungen auf die Qualität der Produkte und des betrieblichen Aufwands hat.

Wie in anderen Branchen führt Standardisierung zu Qualitätsverbesserung und Kostensenkung und bedeutet keineswegs eine Verschlechterung der Leistungen für den Kunden. Wie heißt es bei Daimler Benz so schön: "Vielfalt in Serie".

"Beratungsillusion"

Hingegen muss die in deutschen Banken vorherrschende Meinung zu einem breiten Beratungsansatz als "Beratungsillusion" erkannt werden. Diese entspricht vor allem dem Wunsch der Banken, über die umfangreichen und detaillierten Beratungsgespräche weitere Anlässe für den Verkauf von Bankprodukten zu generieren. Letztendliche Verkaufsgespräche dem Kunden gegenüber als Betreuung und Beratung darzustellen, wird nicht dazu führen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und als fairer Partner für Finanzdienstleistungen langfristig akzeptiert zu sein.

Wird die einfache Bank nur eine Direktbank ohne Filialen sein? Nein, die einfache Bank ist die wahre Direktbank, die ihren Kunden sowohl den bedürfnisbasierten medialen Zugang als auch Leistungen in der Filiale sicherstellt. Dabei ermöglicht die Palette der einfachen Produkte bei entsprechendem Wunsch des Kunden einen tatsächlichen Abschluss dieses Produktes über den Online-Zugang als auch bei möglicherweise gewünschtem Abschluss über einen Betreuer in der Filiale. Informations-, Beratungs-, Bearbeitungs- und Abschlussprozesse sind allerdings in der medialen Nutzung durch den Kunden und am Betreuerplatz identisch, sodass keine Doppelarbeiten oder Medienbrüche für Kunden und Betreuer auftreten.

Ist nur langweiliges Banking gutes Banking? Nein, es muss mit einem Vorurteil aufgeräumt werden: Das Meinungsspektrum über das zukünftige Bankgeschäft ist für den Bankkunden sehr irritierend. Es geht von "nur langweiliges Banking ist gutes Banking" über "die angestrebte Industrialisierung der Banken führt zu Einheitsprodukten" bis hin zu "die Banken schaffen die Beratung ab".

Bedürfnisorientierung als Basis

In der Bedürfnisanalyse wird immer deutlicher, dass die Kunden keineswegs ein ausgeprägtes Bedürfnis nach stundenlangen Beratungsgesprächen in ihrer Bankfiliale haben. Bedenkt man zusätzlich, dass das durchschnittliche Geldvermögen pro Kopf (das ja nicht nur Bankprodukte beinhaltet) zirka knappe 40 000 Euro beträgt, so werden bei "fairer Gesprächsführung" die Grenzen der tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten und bedürfnisbasierten Beratung deutlich. Für die Bank lassen sich damit über den traditionellen Beratungsansatz ohnehin keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielen. Es bedarf einer klaren Positionierung im Rahmen der aus der Strategie angestrebten Markenbildung, welche die Bedürfnisorientierung und nicht die Produktvielfalt als Basis hat.

Schwierige innerbetriebliche Veränderungen

Gibt die Einfache Bank nicht durch Aufgabe komplexer Produkte und Finanzmarktstrategien Ertragsmöglichkeiten auf? Nein, viele empirische Studien haben gezeigt, dass auch hier Einfachheit zu besseren Ergebnissen führt. Geldanlage und Vermögensbildung erfordern zunächst eine möglichst klare Zielsetzung hinsichtlich Risiko und Ertrag, eine Verteilung auf definierte Risikoklassen und eine regelgebundene Verfahrensweise für die Disposition im Zeitablauf. Über mittlerweile entwickelte Lösungen des passiven Managements in wenigen Risikoklassen und mit wenigen transparenten Produkten lässt sich dies umsetzen. Die definierten Prinzipien gelten selbstverständlich sowohl für das bankeigene Treasury wie für die Beratungskonzeption im Kundengeschäft. Generell gilt, wer im Kundengeschäft einfach sein will, muss und kann es auch in der Steuerung und bei den eigenen Geschäften sein.

Warum gibt es nicht schon viel mehr einfache Banken? Eine erste Antwort könnte sein:

- Weil viele Banken lieber verstecken und tarnen, als ehrlich und fair zu sein!

- Weil bei nicht kundenbasierten Tätigkeiten weniger Stellen notwendig sind und Stellen abgebaut werden können!

- Weil Karriere nicht durch Bearbeitung von mehr und neuer Komplexität und zusätzliche Mitarbeiter möglich ist!

- Weil Spielwiesen im Controlling, im Treasury und beim Vorstand entfallen!

- Weil man sich mit dem Kunden beschäftigen muss und sich nicht mehr nur intern profilieren kann!

Will man etwas differenzierter argumentieren, so sind sicherlich auch folgende Argumente zu beachten: Der Umbau eines Unternehmens hin zu einem neuen Geschäftsmodell ist immer mit schwierigen innerbetrieblichen Veränderungen und der drohenden Unsicherheit über sein Gelingen verbunden.

Daher versucht das Management oftmals den Wandel so lange zu vermeiden, wie die aktuelle Ergebnisentwicklung dies zulässt. Zudem hat die gegenwärtige Managergeneration bis zur jüngsten Finanzkrise 2007/2008 ein in der über wiegenden Zahl der Fälle erfolgreiches Geschäft betrieben und bis dahin die schon lange konstatierte steigende Komplexität des Geschäftes als intellektuelle Herausforderung gewertet.

Weiterhin hat die Branche über viele Jahre daran gearbeitet, dass sie durch das Erfinden immer neuer Produkte (der sogenannten Finanzinnovationen) in Beratungs- und Produktleistung einer "Einzelfertigung" nahe kommt und dadurch die individuellen Wünsche aller Kunden zu erfüllen glaubte. Eine solche Politik wurde auch im eigenen Geschäft mit komplexen Produkten und Anlagestrategien verfolgt. Von daher wird das Selbstverständnis der Geschäftsleitungen, aber auch der Mitarbeiter durch eine Rückkehr zur "Einfachheit" sehr strapaziert.

Steuerung vom Erfordernis der Kurzfristigkeit befreit

Führt das Geschäftsmodell der Einfachen Bank auch zu einfachen Lösungen im Controlling und für die immer komplexeren aufsichtsrechtlichen Anforderungen? Ja, auch für diesen Themenkomplex bietet dieses Geschäftsmodell erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten, die sowohl den Aufwand als auch die Risiken komplexer Steuerungsprozesse deutlich reduzieren. Sind erst einmal die Fragen: "Tut die Bank die richtigen Dinge?" beantwortet und die gesamten Kundenaktivitäten und innerbetrieblichen Prozesse gemäß dem Leitbild der Einfachheit gestaltet, so vereinfacht sich gewissermaßen als Resultat dieser Veränderungen auch die Steuerung.

Die Einfachheit der Produkte erlaubt eine entscheidungs- und verursachungsgerechte Abbildung der Ertrags-, Kosten- und Risikowirkungen. Eine auf einem definierten Prozess beruhende Beratung löst transparente Kosten aus, das Fehlen komplexer Produkte reduziert den Bedarf an gleichfalls komplexen Methoden zur Ertragsund Risikoabbildung. Die regelgebundene passive Treasury-Strategie verursacht einen deutlich niedrigeren Aufwand, um ihre Ertrags- und Risikowirkungen zu erfassen und insbesondere ihre Risiken zu limitieren.

Im Verein mit einer langfristigen Ausrichtung, das Ergebnis der Bank zu seinem größten Teil aus einem weitgehend stabilen Kundenergebnis zu erwirtschaften, wird die Steuerung vom Erfordernis der Kurzfristigkeit befreit, wie sie notwendigerweise bei einer starken Exposition in den Marktpreisrisiken gegeben ist.

Weiterhin wird durch eine konsequente Ausrichtung des Steuerungssystems auf eine strenge Entscheidungsrelevanz und der Verzicht auf "interessante Nachrichten" ein weiterer aufwandsreduzierender Effekt erzielt, der insbesondere die Nützlichkeit und Lesbarkeit in Planung und Reporting steigert.

Kein Effizienzsteigerungsprogramm à la "web3.1"

Das Geschäftsmodell der Einfachen Bank nimmt nicht für sich in Anspruch, eine völlig neue und noch nicht dagewesene Idee zu formulieren. Auch bietet es kein Handbuch, dessen Einsatz den Erfolg garantiert. Es nimmt allerdings für sich in Anspruch, auf die zu erwartenden Veränderungen für das zukünftige Bankgeschäft durch die konsequente Umsetzung des Leitbildes der Einfachheit in allen Geschäftsaktivitäten Antworten anzubieten.

Allerdings erfordert die Sicherung der nachhaltigen Ertragskraft einen radikalen Umbau. Nur dadurch wird es möglich sein, wieder in eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung mit den Kunden einzutreten, durch bedürfniserfüllende Leistungen die Kunden langfristig zu binden, als Marke für Bankleistungen akzeptiert zu werden und schließlich einen wirklichen Kostensprung und nicht nur Kosteneinsparungen von wenigen Prozentpunkten durch Effizienzsteigerungsprogramme zu realisieren.

Dr. Christian Sievi , Geschäftsführer , Die Einfache Bank - Beratungsgesellschaft mbH, Stephanskirchen
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