Aufsätze

Die Übertragung von Pensionsansprüchen auf einen Pensionsfonds am Beispiel eines Großkonzerns

Pensionsrückstellungen wurden bis in jüngste Zeit zwiespältig betrachtet: Einerseits galten sie als günstiges Finanzierungsinstrument für unternehmerisches Wachstum, andererseits als intransparente Gefahrpotenziale für Unternehmen, bei denen die Erwirtschaftung immer höherer Rentenzahlungen auf immer schlankeren Strukturen lastet. Dabei zeigt sich in der Praxis, dass immer mehr Unternehmen ihre Verpflichtungen auslagern. Die Motive, ein Funding zu betreiben, sind vielschichtig, angefangen bei der Steigerung der Finanzierungstransparenz, einem verbesserten Bilanzbild unter IFRS sowie einer Optimierung der Risikostreuung bis hin zum Bestreben, Liquidität für fällige Leistungen bereitzustellen und sie verpflichtungskongruent anzulegen.

Regelmäßig vorgetragen wird zudem die Zielsetzung, den Auswirkungen einer sich abzeichnenden Veränderung der Altersstrukturen im Unternehmen zu begegnen. In dem Umfang wie traditionelle Direktzusagen mit ihren Planteilnehmern altern, ohne dass neue Anspruchsberechtigte nachwachsen, müssen sinkende Pensionsrückstellungen durch Fremdkapital ersetzt werden.

Es ist bei der gesamten Thematik festzuhalten, dass die Entwicklung der letzten Jahre zur Ausfinanzierung bestehender Pensionsverpflichtungen ein unumstößliches Faktum ist.

Ausfinanzierung künftiger Rentenverpflichtungen

Steigende Transaktionsvolumina zeugen dabei von der wachsenden Beliebtheit einer Ausfinanzierung künftiger Rentenverpflichtungen außerhalb der Bilanz: Von rund 40 Prozent in 2004 ist der Grad, zu dem deutsche Dax-Unternehmen bestehende Pensionsverpflichtungen externalisiert und ausfinanziert haben, per Ende 2006 auf über 60 Prozent gestiegen. Die Entwicklung hat längst auch bei mittelständischen Unternehmen Einzug gehalten.

Als Plattformen für ein Funding haben sich in Deutschland die tatsächliche Auslagerung, vor allem aber eine besondere Form des virtuellen Fundings etabliert. Bei letzterem bedienen sich die Unternehmen eines Contractual Trust Arrangements (CTA). Dabei geht die Verpflichtung zur Erbringung der versprochenen Versorgungsleistung nicht auf einen externen Dritten, sondern verbleibt beim Arbeitgeber. Nur die Assets werden an einen Treuhänder übertragen; dieser ist häufig ein unternehmensseitig gegründeter Verein, der das Treuhandvermögen nach den Anlagegrundsätzen des Trägers anlegt und verwaltet. Der Treugeber zahlt in solchen Fällen fällige Betriebsrenten weiter an die Leistungsempfänger aus und generiert einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Treuhänder (Abbildung 1).

Eine interessante Alternative zum CTA

Eine echte beziehungsweise "tatsächliche" Verpflichtungsauslagerung erfolgt in Deutschland regelmäßig über einen Pensionsfonds. Eingeführt in 2002 ist der Pensionsfonds eine rechtlich selbstständige Versorgungseinrichtung. Leitbild bei der Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für seine Gründung war die Idee einer vollständigen Auslagerung mit kapitalgedeckter Ausfinanzierung der Versorgungsverpflichtungen. Nicht ohne Eigenlob hieß es in der Gesetzesbegründung, man habe nicht nur den Unternehmen helfen, sondern gleichermaßen den Finanzplatz Deutschland stärken wollen.

Durch eine Reihe begleitender Maßnahmen des Gesetzgebers hat sich der Pensionsfonds in den vergangenen Jahren zu einer interessanten Alternative zum CTA entwickelt. Als vorteilhaft erachtet werden regelmäßig die Entlastung nicht nur der IFRS, sondern auch der HGB Bilanz, um 80 Prozent reduzierte Beiträge zum Pensionssicherungsverein und potenziell sinkender Verwaltungsaufwand für das Unternehmen. Hinzu kommt, dass der Pensionsfonds zwar grundsätzlich durch die Regulierungsbehörden beaufsichtigt wird, in den Möglichkeiten der Kapitalanlage zwischenzeitlich allerdings genauso flexibel ist wie das CTA. Professionelle Anbieter, erprobte Schnittstellen und administrative Prozesse sowie ein seit 2007 nochmals erleichterter Weg zur Übertragung von Rentnerbeständen tun ihr Übriges.

Erfolgreiche "tatsächliche" Ausgliederungen waren in der Vergangenheit betrieblichen Pensionsfonds vorbehalten, zu nennen sind beispielsweise die Bosch Pensionsfonds AG oder die Siemens Pensionsfonds AG. Zum ersten Mal nutzte mit der Compagnie de Saint-Gobain ein großer Unternehmensverbund die Möglichkeiten eines "Multi-Employer-Pensionfonds", also eines überbetrieblichen Pensionsfonds.

Der französische Konzern Saint-Gobain hat im Dezember 2006 einen Großteil bestehender Pensionsverpflichtungen seiner deutschen Tochterunternehmen an die Deutscher Pensionsfonds AG (DPAG), ein Joint Venture von Zurich Gruppe und Deutsche Bank, übertragen. Saint-Gobain gehört zu den hundert größten Industriegruppen der Welt und ist global führend in der Herstellung von Bauprodukten, Glas und Hochleistungswerkstoffen. Zum Portfolio des Konzerns zählen renommierte Marken wie Sekurit Autoglas und der Raab Karcher Baufachhandel.

Es waren vor allem bilanzielle Gründe, die den Konzern bewogen, in Deutschland nach einem Partner für den Transfer seiner Rentenverpflichtungen für 52 deutsche Tochtergesellschaften und ihre unterschiedlichen Versorgungsordnungen zu suchen. Die Lösung hatte HGB-wirksam zu sein, die Beschränkung auf ein virtuelles, rein auf das "netting" nach IFRS abstellendes CTA oder der schlichte Abschluss einer Rückdeckungsversicherung schieden somit aus.

Der Gruppenpensionsplan Saint-Gobain

Nach Eingang eines im Rahmen eines Finanzierungsplanes gemeinsam mit dem Unternehmen festgelegten Einlösungsbeitrages in Höhe der DBO führt die DPAG seit Januar 2007 die Leistungszusagen von Saint-Gobain für mehr als 11 000 Betriebspensionäre durch. Die Zusagen wurden dabei weder verändert noch angepasst. Die Frage einer Bedienung des "Future Service" wurde zunächst dadurch ausgeklammert, dass die Anwartschaften Aktiver nicht übertragen wurden. Der Übertrag erfolgte nach den Regeln des § 3.66 EStG für den Mitarbeiter lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei. Für die involvierten Arbeitgeber war die Dotierung in Höhe des Teilwertes nach §6a EStG steuerneutral, der überschießende Betrag bis zur Höhe des Einlösungsbeitrages ist verteilt auf die nächsten zehn Jahre abzugsfähig. In der HGB-Bilanz wird der Ausweis von Pensionsrückstellungen künftig entfallen, da die Zusagen vollständig von der DPAG durchgeführt werden. Gleichzeitig stellen die auf die DPAG übertragenen Mittel Plan Assets dar und können nach IFRS mit den Verpflichtungen verrechnet werden.

Für den Konzern wurde ein in dieser Form bislang einmaliger Gruppenpensionsplan entwickelt und durch die Aufsichtsbehörden genehmigt. In diesem Plan werden die Versorgungsberechtigten aller einbezogenen Arbeitgeber bezüglich der biometrischen Risiken als Gesamtheit betrachtet. Individuelle Besonderheiten eines Unternehmens lassen sich berücksichtigen, ohne dass ein Risikoausgleich arbeitgeberspezifisch abgebildet werden muss noch das Kollektiv hierdurch belastet wird.

Die Ratio: Je größer das Kollektiv, desto besser lassen sich die biometrischen Risiken wie Tod, Invalidität und Langlebigkeit prognostizieren, desto größer die Skaleneffekte bei der Kapitalanlage und die Optionen bei der Nutzung von Reserven. Arbeitgeberspezifische Besonderheiten wie Rentenanpassungen nach § 16 BetrAVG lassen sich weiterhin individuell abbilden und bepreisen - genauso wie Dienstleistungen wie zum Beispiel in einem Unternehmen gehäuft auftretende Auslandsüberweisungen an Betriebsrentner.

Somit haben alle 52 Arbeitgeber Sicherheit bezüglich der biometrischen Risiken und der Kapitalanlage gewonnen, ohne dass die 79 bestehenden Zusagenformen angepasst werden mussten. Der Kunde erhält sowohl eine kumulierte Übersicht über die Bestandsentwicklung als auch eine Einzeldarstellung für jeden beigetretenen Arbeitgeber. Dies ermöglicht es auch, den Anforderungen einer flexiblen Konzernstruktur Rechnung zu tragen: Da jede Firma über ein individuelles Unterkonto geführt wird, können sowohl Fusionen beziehungsweise Trennung von individuellen Arbeitgebern ebenso einfach abgewickelt werden wie die Möglichkeit einer Übertragung auf andere Pensionsfonds gegeben beziehungsweise die Aufnahme neuer Arbeitgeber möglich ist. Diese Optionen wurden vertraglich fest im Pensionsplan verankert.

Nachschusspflicht: Betrachtung des Kollektivs als Ganzes

Ein weiterer erheblicher Vorteil der Vertragsgestaltung ist, dass eine Nachschusspflicht erst eintritt, wenn das Kollektiv als Ganzes die Anforderungen an das Mindestvermögen nicht erfüllt. Vorübergehende Unterschreitungen bei nur einem Arbeitgeber können somit gegebenenfalls aufgefangen werden. Gleichzeitig sieht der Pensionsplan Möglichkeiten zur Rückübertragung vor, sofern eine Überdeckung des Pensionsfonds eintritt und die Eigenschaft als Plan Assets durch die Rückübertragung nicht gefährdet ist - auch diese Regelungen sehen selbstverständlich die Berücksichtigung der individuellen Situation des einzelnen Arbeitgebers vor (Abbildung 2).

Der Verzicht auf eine versicherungsförmige Garantie der Rentenzahlungen bedeutete nicht nur, dass man sich bei der Ermittlung des Einlösungsbeitrags streng an dem ökonomischen Wert der Verpflichtungen rund 520 Millionen Euro - orientieren konnte. Es bedeutete auch, dass das Vermögen nicht nach den Regeln des Deckungsstocks für Versicherer angelegt werden musste und der - unverändert subsidiär haftenden - Saint-Gobain erhebliche Mitspracherechte bei der Anlage der Mittel eingeräumt werden konnten.

Die ALM-Studie und Asset Allocation

Vor der Strukturierung der Plan Assets stand jedoch zunächst die Analyse und Bewertung der Verpflichtungsstruktur von Saint-Gobain, welche durch das Aktuariat der DPAG, den seitens Saint-Gobain beauftragten Versicherungsmathematikern sowie durch die Deutsche Bank durchgeführt wurde. Aufbauend auf der Verpflichtungsstruktur wurde anschließend durch Watson Wyatt im Rahmen einer ALM-Studie ein auf die Verbindlichkeiten ausgerichtetes Anlagekonzept erstellt, mit dem die gemeinsam mit Saint-Gobain festgelegten Ziele optimal erreicht werden können. Unter Berücksichtigung der individuellen Vorgaben wurde dabei folgende Anlagestruktur definiert (Abbildung 3).

Bei der sich anschließenden Implementierung fungiert die DPAG als Investor und die Deutsche Asset Management Gesellschaft mbH (DeAM) als KAG. Kern der Finanzanlage ist eine Master KAG, die ein Outsourcing des Managements unterschiedlicher Segmente des Gesamtportfolios an unterschiedliche Asset Manager erlaubt, die Einhaltung der Kapitalanlagerichtlinien überwacht und für ein vereinheitlichtes Reporting gegenüber der DPAG und den Trägergesellschaften sorgt. Im Rahmen der Implementierung wird damit die Administration vom aktiven Management getrennt, sodass mehrere Spezialisten das Gesamtportfolio verantworten.

Managerauswahl

Im Rahmen des Managerauswahlverfahrens auf Basis der erstellten ALM-Studie hat sich Saint-Gobain entschieden, in den ausgewählten Anlagearten zukünftig mit den jeweiligen "best in class"-Managern zusammenzuarbeiten. Dazu wurde Watson Wyatt als unabhängiger Investment Consultant mit der Managerselektion auf Basis seines seit Jahren erfolgreichen Selektionsansatzes und der weltweiten Research-Plattform beauftragt. Der Auswahlprozess von Watson Wyatt stellt dabei vorrangig auf nachhaltige Faktoren wie die Qualität des Investmentteams und die Stringenz des Investmentprozesses ab. Quantitative Faktoren wie etwa die historische Performance werden lediglich zu Validierungszwecken herangezogen. Die einzelnen Shortlist-Manager wurden auf Basis der folgenden Faktoren ausgewählt und gemeinsam mit Saint-Gobain im Rahmen eines Beauty Contests begutachtet (Abbildung 4).

Die einzelnen Rentenmanager werden im Rahmen eines Outsourcing-Mandates jeweils ein Segment des Spezialfonds verwalten. Die einzelnen Aktieninvestments, welche nur einen kleinen Teil des Gesamtportfolios darstellen, werden aus Effizienzsowie Diversifikationserwägungen über institutionelle Publikumsfonds abgedeckt.

Bei der Auswahl der Manager war darüber hinaus ein wesentliches Kriterium, inwieweit der jeweilige Investmentprozess und vor allem die Portfoliokonstruktion mit der DeAM als Master KAG umsetzbar sind. Viele Manager präferieren den signifikanten Einsatz von Derivaten und ähnlichen Instrumenten, eine vollumfängliche Abbildung und Administration in einem deutschen Spezialfonds funktioniert nicht zwangsläufig. Die unproblematische Abbildung der Produkte und Instrumente konnte im Vorfeld durch umfangreiche Prüfungen diverser Musterportfolios durch die Master KAG sichergestellt werden.

Die Überführung von Einzelzusagen und kleinerer Kollektive auf einen Pensionsfonds ist fast fünf Jahre nach Einführung dieses fünften Durchführungsweges der betrieblichen Altersvorsorge und dem Vorliegen entsprechender Tarifstandards geübte Praxis. Wie schnell sich allerdings ein solches Vorhaben mit mehr als 50 verschiedenen Gesellschaften, fast 80 unterschiedlichen Einzel- beziehungsweise Gesamtzusagen und der Etablierung der erforderlichen Schnittstellen zwischen Trägerunternehmen, Pensionsfonds und Asset Manager umsetzen lässt, ist ganz wesentlich von der Professionalität des Projektmanagements abhängig. Denn die Komplexität ist bei dieser Größenordnung nicht zu unterschätzen.

Hohe Anforderungen an das Projektmanagement

Neben den zahlreichen Beteiligten, insbesondere den Trägerunternehmen, der Pensionsfondsgesellschaft und dem beziehungsweise den Asset Managern sowie der jeweiligen Aufsicht, sind die Belange und Interessen der beteiligten Versorgungsberechtigten von Anfang an zu berücksichtigen. Deren rechtzeitige Einbeziehung und verständliche Information bis zur und über die nahtlose Übernahme von Exkasso- und Verwaltungsfunktionen hinaus bedürfen einer generalstabsmäßigen Planung und Umsetzung.

Der bei Einführung eines neuen maßgeschneiderten Pensionsplanes notwendige enge Kontakt zu den Aufsichtsbehörden, effiziente Arbeitsstrukturen, die regelmäßige und zeitnahe Information der Entscheidungsträger, ein gut organisierter Informationsprozess gegenüber den Versorgungsberechtigten und nicht zuletzt eine saubere Dokumentation sowie die frühzeitige Plausibilisierung und Kontrolle von Ergebnissen trugen maßgeblich zu einer erfolgreichen Umsetzung innerhalb von sechs Monaten bei.

Die Ziele, die sich Saint-Gobain im Rahmen seiner strategischen Planung vorgenommen hatte, nämlich eine Bilanzbereinigung nach HGB und IFRS und Verbesserung der Kennzahlen, positive Effekte in der Konzernsteuerbilanz, eine Kostenreduktion durch ermäßigte PSV-Beiträge und Effizienzsteigerung bei der Durchführung der Direktzusage, ein professionelles Kapitalanlagemanagement für das Versorgungsvermögen und schließlich die Vereinfachung künftiger M&A Aktivitäten durch eine transparente Bewertung der mit Assets unterlegten Verpflichtungen konnten erreicht werden.

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