Leitartikel

Die Universalbank reformiert sich selbst

Das Universalbanksystem ist das erfolgreichste Bankensystem der Welt. Es zog aber immer, vielleicht gerade deshalb, Kritik auf sich. In letzter Zeit wird es im Zusammenhang mit der Finanzkrise angegriffen. In der "Occu-py-Wall-Street"-Bewegung wird zum Teil eine Rückkehr zu Glass Steagall gefordert, also eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken. Der Dodd-Frank Act, der in den USA die regulatorischen Konsequenzen aus der Subprime-Krise zieht, zielte ursprünglich auf eine Wiedereinführung des Trennbankensystems. Das sollte - wie nach der Weltwirtschaftskrise vor achtzig Jahren - die Kreditwirtschaft wieder auf stabilere Füße stellen. In Deutschland fordert die SPD eine Abtrennung des "normalen" Bankgeschäfts mit Krediten und Einlagen von dem "spekulativen" Geschäft mit Wertpapieren, Börsengängen und Fusionen. Es könne nicht sein, so SPD-Chef Gabriel vor Kurzem, dass der Staat in Krisenzeiten auch die "Zockerbuden" mit Steuergeldern retten müsse. Die neuen Weichenstellungen bei der Deutschen Bank im Zusammenhang mit dem Stabwechsel von Josef Ackermann zu Anshu Jain und Jürgen Fitschen, die so wie es aussieht auf eine Stärkung des Investment Banking in der Bank hinauslaufen, werden diese Diskussion noch weiter befeuern.

Die Universalbank hat in ihrer langen Geschichte schon viele Angriffe erlebt. Bisher hat sie sie alle überstanden. Das Erfolgsrezept war, dass sie sich flexibel an die veränderten Gegebenheiten angepasst hat. Wird das auch diesmal gelingen?

Lange Zeit wurden Universalbanken dafür kritisiert, dass sie zu viel Macht hätten. Sie gewährten nicht nur Kredite. Sie wickelten auch die Wertpapiergeschäfte ab. Sie hatten erhebliche Industriebeteiligungen. Ihre Vertreter waren vielfach in den Aufsichtsräten vertreten. Das gesamte finanzielle Gebaren der Unternehmen stand, so hieß es, unter der Kontrolle der Banken. Das müsse geändert werden. Am Ende fand man dazu einen einfachen Weg. Die privaten Universalbanken wurden nicht abgeschafft. Vielmehr reformierte sich das System von selbst. Die Banken gaben ihre Industriebeteiligungen ab. Banker zogen sich aus den Aufsichtsräten zurück. Das Vollmachtstimmrecht wurde verändert. Damit war das Problem der Macht der Banken gelöst, ohne dass die Universalbank als solche auf der Strecke blieb.

Heute entzündet sich die Kritik am Investment Banking. Die Risiken der Institute nähmen zu, so heißt es, wenn sie neben dem Kredit- und Einlagengeschäft auch noch an den Kapitalmärkten tätig seien. Die Erträge würden volatiler. Die Kunden könnten sich nicht mehr auf die Zuverlässigkeit ihrer Institute verlassen. Notwendige Chinese Walls seien löchrig. Arbeitsplätze würden gefährdet. Die Kultur der Boni im Investment Banking schwappe auf den Rest der Banken über und untergrabe die Moral der ganzen Branche.

In diesem Heft gehen wir einigen dieser Vorwürfe nach. Wir haben uns als Schwerpunktthema das Investment Banking gewählt. Wir untersuchen die Trends im deutschen Investment Banking. Wir fragen nach der Volatilität, die mit dem Zugang zu den globalen Kapitalmärkten verbunden ist. Wir schauen uns den Eigenhandel an (der von den Kritikern der Banken immer mit besonderem Argwohn betrachtet wird). Und wir analysieren, was das Investment Banking für den Mittelstand und für die Städte und Gemeinden (von denen einige in letzter Zeit besonders schlechte Erfahrungen gemacht haben) bringen kann.

Ein Ergebnis ist, dass Investment Banking von den Kunden benötigt wird. Es gehört heute zu den festen Bestandteilen der Problemlösungen, die die Wirtschaft braucht. Auch mittelständische Kunden nehmen längst das ganze Spektrum des Corporate Finance in Anspruch, von Krediten und Einlagen bis zu vielen Produkten des Investment Banking. Genauso der Privatkunde. Er beschränkt sich nicht auf Einlagen bei seiner Bank, sondern möchte daneben auch Wertpapiere haben und natürlich auch strukturierte Produkte, mit denen er Chancen nutzen oder Risiken absichern kann. Insofern liegt es nahe, die "Produzenten" dieser Produkte in einem Haus zu haben. Solche Überlegungen waren es auch, die dazu führten, dass der Dodd-Frank Act in den USA das Trennbanksystem am Ende nicht wieder einführte. Man kann im Service für die Kunden heute nicht mehr zwischen Commercial und Investment Banking trennen.

Es gibt jedoch einen Punkt, wo die traditionelle Universalbank bei dieser Kritik verletzlich ist. Das ist der Eigenhandel. Er ist für die optimale Bedienung der Kundenbedürfnisse nicht erforderlich. Er kann aus der Universalbank ausgegliedert werden, ohne das System insgesamt in Frage zu stellen. Dadurch würde die Risikoträchtigkeit des Geschäfts verringert. Das ist die Idee, die in den USA als "Volcker-Rule" diskutiert wird, benannt nach dem legendären früheren Notenbankpräsidenten Paul Volcker, der Anfang der achtziger Jahre die US-Wirtschaft wieder zur Stabilität zurückführte. Freilich ist dies leichter gesagt als in der Praxis getan. Die effiziente Abwicklung der Kundenwünsche erfordert immer auch einen gewissen Handel an den Märkten. Die Banken müssen für die Kunden einen Markt "machen". Sie müssen Preise zu stellen. Das geht nicht ohne Handel. Es ist äußerst schwierig, diesen kundengetriebenen Handel durch allgemeine Regeln von dem Handel zu trennen, den die Banken auf eigene Rechnung und zur Verbesserung ihrer Profitabilität betreiben. Hier gibt es immer Grauzonen, die jedes Institut nur durch eigenverantwortliches Handeln lösen kann (siehe dazu auch Beitrag Winter in diesem Heft - Red.).

Wenn man den Handel auf eigene Rechnung aus der Universalbank ausgliedert, könnte man der Kritik an dem System unserer Banken viel Wind aus den Segeln nehmen. Eine Reihe von Banken ist auf dem Weg, das zu tun. Sie zeigen damit die Kraft des Systems, das sich - wie bei der Macht der Banken - selbst reformieren und an veränderte Verhältnisse anpassen kann.

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