Leitartikel

Verplante Kreditwirtschaft

"Nichts ist günstiger für die Entwicklung zivilisierter Umgangsformen und das Lernen als eine Anzahl benachbarter und unabhängiger Staaten, die durch Handel und Politik miteinander verbunden sind. Der Wettbewerb, der naturgemäß zwischen solchen benachbarten Staaten entsteht, ist eine offensichtliche Quelle des Fortschritts." Diese Gedanken stammen von David Hume und aus dem Jahr 1742.

Zweifelsohne war gerade der Wettbewerb der Staaten über viele Jahrhunderte eines der Erfolgsgeheimnisse Europas. Hat der Markt als Ordnungsprinzip auf den Finanzmärkten ausgedient? So fragt es aber Axel Wieandt in seinem Beitrag in diesem Heft. Und gerade mit Blick auf die Kreditwirtschaft ist diese Frage durchaus nicht unberechtigt. Zwar hat die Monopolkommission jüngst in ihrem XX. Hauptgutachten "Eine Wettbewerbsordnung für die Finanzmärkte" systemisch bedingte Wettbewerbsverzerrungen festgestellt, weil durch eine implizite Staatsgarantie Banken nicht wie andere Marktteilnehmer aus dem Markt ausscheiden können.

Warum aber nun gerade das für Wettbewerb in der Fläche sorgende Regionalprinzip ebenfalls den Argwohn der Wettbewerbsverfechter auf sich gezogen hat, ist nur schwer nachzuvollziehen. Schließlich widerspricht diese Ansicht der Monopolkommission all denjenigen Kritikern der deutschen Drei-Säulen-Landschaft, die durch den hohen Wettbewerb eine strukturelle Ertragsschwäche bei den Banken ausmachen.

Länder mit stark zentralisierten Bankensystemen wie Frankreich, Großbritannien oder die Niederlande jedenfalls haben aufgrund der geringeren Bankendichte eine für den Verbraucher vielleicht transparentere aber auch wesentlich teurere Gebührenstruktur. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat sich die Anzahl der Zweigstellen in der Bundesrepublik von rund 40 000 auf nunmehr 36 200 Niederlassungen überschaubar reduziert. Im gleichen Zeitraum haben sich die Margen der Banken ob des scharfen Wettbewerbs und der niedrig gehaltenen Zinsen dagegen mehr als halbiert. Eine Aushebelung des Regionalprinzips würde dagegen nur mehr und größere Banken entstehen lassen, was die "Too-Big-to-Fail"-Problematik verschärfen würde.

Die Gebühren für die Abhebung an Geldausgabeautomaten für institutsfremde Kunden wurden 2010 vom Kartellamt angegangen. Die erzwungene Darstellung der anfallenden Transaktionskosten führte zu einem Absinken der Preise auf 1,95 Euro. Nächstes Beispiel: Die EU-Kommission hat die sogenannten Interbanken-Entgelte im Zahlungsverkehr als wettbewerbswidrig gekennzeichnet und schlichtweg verboten. Weiter im Bereich Zahlungsverkehr: Die derzeit teilweise noch angewandten einheitlichen Händlerentgelte sollen bis spätestens Ende Oktober 2014 in eine neue Entgeltsystematik überführt werden, die vorsieht, dass künftig alle Händlerentgelte für die von den Kartenausgebern erbrachten Zahlungsgarantien im Electronic-Cash-/Girocard-System zwischen den kartenherausgebenden Banken und Sparkassen sowie den Kartenakzeptanten, wie zum Beispiel dem Einzelhandel, vorab bilateral ausgehandelt werden. Ob das zu niedrigeren Kosten für den Verbraucher führt oder nur dem Handel zugutekommt, ist mehr als fraglich.

Dann: Eine von der SPD und den Linken geforderte staatliche Deckelung der Dispozinsen hat die CDU bislang verhindern können, aber allein die Diskussion um die "Abzocke durch die Banken" hat zu einem spürbaren Absinken der Überziehungszinsen geführt. Weiter: Mittels der PSD II soll für mehr Wettbewerb im Zahlungsverkehr gesorgt werden. Nichtbanken wie Telekommunikations- oder Internetfirmen, die Zahlungsdienstleistungen anbieten wollen, sollen dafür Einblick in die Kontodaten des betreffenden Kunden bei der kontoführenden Bank erhalten. Datenschutz? Sicherheit? Vorschriften des KWG und anderer Bankengesetze? Und: Eine EU-Richtlinie verpflichtet Banken und Sparkassen seit kurzem, den Kunden mindestens einmal im Monat über Umsätze auf dem Girokonto zu informieren. Ein Abwälzen der hier entstehenden Kosten auf den Verbraucher wurde per Gerichtsurteil gegen die Deutsche Bank verhindert. Schließlich: Die EU-Kommission plant ein europaweites Sparbuch ähnlich dem französischen "Livret A" und dem italienischen Postsparkonto "Buono fruttifero postale", auf dem Einlagen staatlich garantiert werden und die Zinsen dank Subventionen über dem üblichen Marktniveau liegen.

All das zeigt, dass die Kreditwirtschaft keineswegs frei in ihrer Geschäftspolitik und der Gebührenfestsetzung ist. Vielmehr ist sie mehr und mehr verplant. Natürlich tut Kontrolle not und müssen staatliche Instanzen bei Wettbewerbsverzerrungen und der Übervorteilung der Verbraucher einschreiten. Doch es verfestigt sich der Eindruck, dass der Markt als Steuerungsmechanismus an vielen Stellen durch staatliches Eingreifen außer Kraft gesetzt wird. Wäre das Absicht, müsste man von Strukturpolitik sprechen. Davor ist zu warnen, denn eine "Einheitsbank", wie sie durch die europäische Regulierung, die kaum noch Ausnahmen von der Regel zulassen will, geschaffen werden soll, würde von der nächsten Krise überall gleichermaßen heftig getroffen. Der Vorteil der Diversifizierung, der sich bislang in den meisten Bankenkrisen gezeigt hat, wäre damit dahin.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X