Gespräch des Tages

VR Leasing - Zum Abschied eine Akquisition

Die VR Leasing stockt ihren Anteil an der VR Factorem von 74,9 Prozent auf 100 Prozent auf und übernimmt die ehemals gemeinsam mit der französischen Natixis gegründete Factoring-Gesellschaft damit komplett. Diese Meldung alleine hätte nicht den ganz großen Bedeutungsgrad. Doch war

der Zeitpunkt ein besonderer. Denn es drängt sich der Eindruck auf, dass man diesen Schritt unbedingt noch vor Weihnachten vollziehen wollte, um damit dem Mann, der jahrelang für die VR Leasing stand, ein kleines, öffentlich wirksames Abschiedsgeschenk zu machen.

Seit 1993 stand Reinhard Gödel an der Spitze der Leasinggesellschaft der genossenschaftlichen Finanzgruppe, hat Zentralbankenfusionen an der Spitze des Verbundes miterlebt, mit allein vier verschiedenen Vorstandsvorsitzenden der DZ Bank, dem Hauptanteilseigner der VR Leasing, gearbeitet und auch die Verbändefusion der beiden Leasingverbände maßgeblich als Präsident getrieben und gestaltet. Die Übernahme der VR Factorem ist nun die neunzehnte Übernahme einer anderen Gesellschaft durch sein Haus. Zuvor hat Gödel achtzehn genossenschaftliche Leasinggesellschaften eingesammelt. Dafür wurden rund 300 Millionen Euro benötigt, finanziert aus eigenen Mitteln, ohne dafür Geld vom Besitzer zu bekommen. Darauf ist Gödel, der in jungen Jahren als Musiker mit seiner eigenen Band, unter anderem mit den Rattles, durch Deutschland tourte, stolz.

Doch nicht nur darauf. Gödel startete bei der VR Leasing mit einem Eigenkapital von 40 Millionen Euro und einem Unternehmenswert von rund 120 Millionen Euro. Er übergibt das Haus mit einem Eigenkapital von 400 Millionen Euro und einem Wert von 700 Millionen Euro. Die VR Leasing schüttet eine Dividende von 130 Millionen Euro aus. Und die Hoffnung wächst, in diesem Jahr wieder eine "schwarze Null" schreiben zu können, obwohl das mit dem eigentlichen Geschäft nicht mehr viel zu tun habe, wie Gödel beklagt, sondern sich allein aus den Kurs- und Bewertungsänderungen ergebe, die durch die Bilanzierung nach dem internationalen Regelwerk IFRS inzwischen voll GuV-wirksam sind.

Reinhard Gödel geht sichtlich aufgeräumt, wenn auch nicht ganz freiwillig: Die Gesundheit hat einen etwas vorgezogenen Abschied eingefordert. Mit Theophil Graband, dem die Teambank zu klein und zu eng wurde und der im Verbund nach Höherem strebt, hat Gödel seinen "Wunschkandidaten" zu seinem Nachfolger gemacht. Dieser soll nun beenden, was Gödel selbst nicht mehr ganz geschafft hat. Europa sei der Zukunftsmarkt, gibt dieser seinem Nachfolger mit auf den Weg. Da sich Märkte verändern, müsse die VR Leasing, die bislang vor allem in Osteuropa präsent ist, noch zulegen. Hierfür bedarf es einerseits Fingerspitzengefühl und Geduld, den Verbund zu überzeugen, andererseits drängt die Zeit, denn die Märkte sind verteilt und andere schon da. Aber auch das Factoring eröffnet ja vielleicht noch weitere strategische Optionen.

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