Gespräch des Tages

Zahlungsverkehr - Paradigmenwechsel in den USA

Noch im Mai dieses Jahres hatte sich Martina Hund-Mejean, Chief Financial Officer von Mastercard International, auf einem Pressegespräch in Frankfurt der Frage hartnäckig verweigert, wann denn die USA ihre Karteninfrastruktur vom Magnetsteifen auf den Chip umstellen werden. Es gebe zwar erste Diskussionen, hieß es damals, die Chipmigration sei aber viel zu teuer und es gebe keinen echten Business Case. Die Frage nach einem konkreten Termin für ein Beitreten der USA zu der international vereinbarten Haftungsumkehr im Missbrauchsfall blieb unbeantwortet. Dieser Liability Shift sieht vor, dass im Missbrauchsfall immer derjenige Beteiligte in der Zahlungsverkehrskette haftet, an dem eine Chiptransaktion gescheitert ist, sei es nun der Emittent einer Karte ohne Chip, der Händler mit nicht chipfähigem Terminal oder der Betreiber eines Geldautomaten ohne Chipleser.

Eben diese Frage aber ist für europäische Kartenemittenten elementar, schließlich sind die Vereinigten Staaten dasjenige Land, in dem ihnen die meisten Fraud-Schäden durch den Einsatz von Kartendubletten entstehen, die mit an Geldautomaten abgegriffenen Kartendaten (sogenanntes Skimming) und den passenden ausgespähten PINs erstellt werden. Solange in den USA die Haftungsumkehr nicht greift, bleiben sie auf diesen Schäden sitzen. Dieser missliche Zustand wird sicher noch eine Weile andauern. Aber es gibt Licht am Horizont. Am 9. August hat zumindest Visa die lang ersehnte Botschaft verkündet: Die Kartenorganisation will die Migration der Karteninfrastruktur in den USA vom Magnetstreifen auf den Chip vorantreiben. Ab 2013 sind Processingdienstleister verpflichtet, die technische Unterstützung von Chiptransaktionen zu gewährleisten. Ab Oktober 2015 soll dann endlich die Haftungsumkehr greifen. Auch Mastercard ist nun zweifellos unter Zugzwang.

Über die von Visa offiziell gegebene Begründung darf man sicher den Kopf schütteln. Dass die Verbesserung der Sicherheit unter den genannten Gründen an letzter Stelle steht, muss insofern nicht verwundern, als die USA das "Magstripe Controlling", also die Betrugsprävention auf Magnetstreifenbasis, weitaus stärker perfektioniert haben als die europäische Kreditwirtschaft. All diejenigen, die bereits in die Chiptechnologie investiert haben, empfinden es aber als Gebot der Fairness, dass derjenige, der eine veraltete, risikoreiche Technologie verwendet, für die Schäden haftet, die dadurch entstehen. Und das wird selbstredend mit keinem Wort erwähnt.

Auch die Tatsache, dass die USA in der technischen Entwicklung zum Schlusslicht geworden sind, wird mit dem Argument verbrämt, der Technologiewechsel diene dazu, die internationale Interoperabilität zu gewährleisten. Vier große US-Emittenten, die in jüngster Zeit Chipkartenprogramme aufgelegt haben (die Mitarbeiterbank der Vereinten Nationen UNFCU, die Silicon Valley Bank, Chase Card Services und US Bank) waren hier ehrlicher und verwiesen auf zunehmende Akzeptanzprobleme reiner Magnetstreifen im Ausland. Stattdessen versucht Visa den US-Emittenten die ins Haus stehenden Kosten mit neuen Möglichkeiten durch das Mobile Payment auf Basis der kontaktlosen NFC-Technologie (Near Field Communication) schmackhaft zu machen, das wiederum erst auf Basis einer chipfähigen Infrastruktur möglich wird. Ob dies den Chip zum Business Case macht, sei einmal dahingestellt. Zumindest aber gibt es den Banken die Möglichkeit, sich als innovativ zu präsentieren, statt nur zur internationalen Konkurrenz aufzuschließen. So etwas mag für das derzeit ohnehin angeschlagene Selbstbewusstsein der US-Amerikaner notwendig sein.

Den Europäern kann es gleich sein. Für sie zählt das Ergebnis. Endlich gibt es Hoffnung, den Magnetstreifen doch in absehbarer Zeit von der Karte nehmen zu können, ohne dadurch die internationale Einsatzfähigkeit zu gefährden. Und die bislang rein europäische Debitkarte V-Pay, die allein auf Chip und PIN setzt, hat Perspektiven, den Makel der Begrenzung auf Europa loszuwerden, den zumindest die deutsche Öffentlichkeit in diesem Sommer so nachdrücklich festgestellt hat.

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