Leitartikel

Unter Zwischenhocheinfluss

Die jüngsten Marktdaten lassen aufhorchen. Auf das Institutionelle Asset Management ist offenbar auch in unruhigen Zeiten Verlass. Während sich die anhaltende Verunsicherung der Anleger hinsichtlich der Kapitalmarktentwicklung wie auch der künftigen regulatorischen Rahmenbedingungen bei den Publikumsfonds seit Beginn der Finanzkrise doch in einer eher verhaltenen Marktentwicklung niederschlägt, erweist sich das Institutionelle Asset Management als beruhigend stabil. Nach dem bisherigen Spitzenjahr 2010, dessen Mittelzuflüsse in dieser Teildisziplin sogar die außerordentliche Erfolgswelle der Jahre 1997 bis 2000 noch übertrumpften, durfte der BVI Bundesverband Investment und Asset Management schon für das Berichtsjahr 2011 einen deutlich überdurchschnittlichen Mittelzufluss von gut 45 Milliarden Euro vermelden. Und das laufende Jahr knüpft mit seinen dieser Tage veröffentlichten Zwischenergebnissen bis Juni sogar nahtlos an das Rekordjahr 2010 an.

Ein Nettomittelaufkommen von nahezu 31 Milliarden Euro weist der Branchenverband BVI in seiner turnusmäßigen vierteljährigen Berichterstattung für Spezialfonds für die ersten sechs Monate aus. Das sind noch gut sieben Milliarden Euro mehr als im Vergleichszeitraum 2010, wobei das Neugeschäft allerdings seinerzeit in der zweiten Jahreshälfte noch einmal deutlich Schwung nahm. Selbst wenn man die diesmal (mit 628 Millionen Euro gegenüber damals 6,584 Milliarden Euro) bescheidenen Mittelzuflüsse der Vermögen außerhalb von Investmentfonds in die Betrachtung einbezieht, vermittelt das laufende Jahr noch einen leicht besseren Zwischenstand.

Die momentane Entwicklung der hiesigen Fondsbranche insgesamt als bestens zu bezeichnen, würde gleichwohl ein schiefes Bild vermitteln. Denn der Bereich der Publikumsfonds konnte und kann in seiner derzeitigen Marktverfassung trotz eines Nettomittelaufkommens von 5,768 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2012 bei Weitem nicht mit dem institutionellen Geschäft mithalten. Sein aktuelles Fondsvolumen liegt niedriger als Ende 2007 (gut 678 gegenüber 731 Milliarden Euro). Seit 2008 war das Nettomittelaufkommen der Spezialfonds in jedem Jahr deutlich höher als bei Publikumsfonds. Letztere hatten dabei mit minus 27,8 Milliarden Euro 2008 und minus 16,6 Milliarden Euro für 2011 gleich zweimal erhebliche Mittelabflüsse zu verkraften.

Mindestens zwei Aspekte sprechen derzeit aber auch gegen eine allzu große Euphorie im Institutionellen Asset Management. Zum einen ist da der permanente Einfluss der regulatorischen Vorgaben. Insbesondere die anstehende Umsetzung der AIFM-Richtlinie, so erwarten es auch mehrere Autoren dieses Heftes, wird gravierende Änderungen der Branchenstruktur bescheren. Und sollte der hiesige Gesetzgeber ernsthaft die Umsetzung des kürzlich präsentierten Entwurfs des neuen Kapitalanlagegesetzbuches für Wertpapier-Spezialfonds im Auge haben (siehe auch Immobilien & Finanzierung 16-2012), drohen wieder genau jene Wettbewerbsverzerrungen wegen unterschiedlicher nationaler Rahmenbedingungen, die man vor einigen Jahren in breitem Konsens über eine 1:1-Umsetzung mit der verantwortlichen Politik schon überwunden glaubte.

Zwischenzeitlich hatte die Investmentbranche ganz grundsätzlich um die Zukunft des hiesigen Spezialfonds gefürchtet, weil die AIFM-Richtlinie auf eine Produktregulierung verzichtet. Doch auch mit deren Beibehaltung in der nationalen Umsetzung bleibt eine berechtigte Sorge. Wenn das Erfolgsprodukt am Markt mit neuen Begrifflichkeiten dem gleichen Regelwerk unterliegt wie Dienstleister und Produkte aus dem Umfeld des grauen Kapitalmarktes, dann hat diese Gleichstellung der Rahmenbedingungen zweifellos Tendenzen einer Aufwertung der einen und einer Abwertung der anderen Seite. Während freilich die Auswirkungen solcher neuen Regelwerke immer der konkreten Marktentwicklung vorbehalten bleiben und sich dabei den betroffenen Wettbewerbern durch angemessene Reaktionen immer auch Chancen auf neue Märkte eröffnen, sind andere Wirkungen der AIFM-Umsetzung greifbarer. Das fängt an mit der drohenden Rechtsunsicherheit rund um das Outsourcing, etwa

bei dem hierzulande überaus erfolgreichen Geschäftsmodell der Master KAG, geht über den Zusatzaufwand für umfangreichere Berichtspflichten mit den damit verbundenen Aufwendungen für das Risikomanagement sowie für Personal und IT und reicht bis hin zu den vorgesehenen neuen Regelungen für Depotbanken, speziell deren wesentlich strengeren Haftungsvorschriften. Viele dieser Szenarien und ihre möglichen Auswirkungen auf die Marktstruktur der hiesigen Branche werden in den Beiträgen dieses Heftes aufgegriffen.

Eine zweite Herausforderung, nämlich der Anlagenotstand beziehungsweise die zunehmenden Schwierigkeiten zur Einhaltung der Renditeversprechen für ihre Kunden treibt das Institutionelle Asset Management schon seit Längerem um. Durch die anhaltende Euro- und weltweite Staatsverschuldungskrise mit ihrem allgemein niedrigen Zinsniveau wird sie aber immer virulenter. Längst loten Investoren wie Versicherungen und Altervorsorgeeinrichtungen ebenso wie Institutionelle Asset Manager Möglichkeiten für Engagements im langfristigen Kreditgeschäft beziehungsweise in der langfristigen Projektfinanzierung aus, etwa bei großen Infrastrukturvorhaben. Doch solche Verschiebungen der strategischen Ausrichtung brauchen Zeit.

Der in den vergangenen Jahren flankierend forcierte Einsatz von ausgefeilten Methoden des Risikomanagements hat sogar gewisse kontraproduktive Auswirkungen. Er hat in der Praxis zu einer deutlich niedrigeren Aktienquote im Institutionellen Asset Management geführt, die jüngst auch den BVI aufgeschreckt hat. Wenn die vorgegebenen Risikotoleranzen zu einem bedenklichen Rückgang an Investitionen in sachwertorientierte Anlagen wie Aktien führen, bedarf es auch an dieser Stelle einer kritischen Bestandsaufnahme. Das Zwischenhoch ist nicht stabil.

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