LVRG II "noch nicht sauber durchdacht" - Aktuare melden Bedenken an

Die Kritik am LVRG II reißt nicht ab. Zuletzt hat sich die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) zu Wort gemeldet und Bedenken formuliert. Nicht alle Vorschläge sind demnach aus aktuarieller Sicht sinnvoll. Das betrifft vor allem Regelungen zum Provisionsdeckel sowie dem Höchstrechnungszins.

Höchstrechnungszins mit längerem Vorlauf

Der Vorschlag im Gesetzesentwurf, auch künftig für Lebensversicherungen mit Garantien einen Höchstrechnungszins vorzugeben, wird von den Versicherungsmathematikern begrüßt. "Damit bleibt das bewährte System der vorsichtigen Reservierung und damit ein wichtiger Baustein im Sinne einer langfristig gesicherten Altersvorsorge erhalten", so Dr. Guido Bader, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung.

Aus Sicht der Aktuare ist es aber notwendig, einen prinzipienbasierten Rahmen für die Festlegung des Höchstrechnungszinses auch gesetzlich zu verankern. Der Höchstrechnungszins sollte sich demnach am historisch beobachteten Zinsniveau und der aktuellen Erwartung an zukünftig erzielbare Renditen genauso orientieren, wie am derzeit beobachtbaren Kapitalanlageverhalten der Branche.

Zudem appelliert die DAV an die Politik, Änderungen des Höchstrechnungszinses mit einer Vorlaufzeit von elf Monaten jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres festzulegen. Damit hätten die Aktuare im Interesse der Kunden ausreichend Zeit für die erforderliche Neukalkulation der Tarife und die notwendige Umsetzung in der Technik. Damit häufige und kostenintensive Neukalkulationen ganzer Tarifgenerationen vermieden werden, schlagen die Aktuare zudem eine Glättung über die Zeit vor.

Bei den künftigen Modalitäten zur Festlegung des Höchstrechnungzinses macht die Aktuarvereinigung auf widersprüchliche Formulierungen aufmerksam. Einerseits, so heißt es in ihrer Stellungnahme, lässt der Gesetzesentwurf die Interpretation zu, dass das Bundesfinanzministerium weiterhin durch Verordnung nach dem unverändert bestehenden § 88 Absatz 3 Nr. 1 VAG "bei Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie einen oder mehrere Höchstwerte für den Rechnungszins" festsetzen kann. Gleichzeitig heißt es in der Begründung zur Nr. 8, dass die neugeschaffene Anordnung durch die Aufsichtsbehörde an die Stelle der bisherigen Praxis tritt.

Aktuare wollen weiter mitreden

Darüber hinaus wollen Aktuare auch künftig am bisherigen Verfahren zur Festlegung des Höchstrechnungszinses festhalten, bei dem die DAV stets die aktuarielle Expertise ihrer Mitglieder in die gesetzgeberischen Prozesse eingebracht hat. Über viele Jahre hat die DAV diese Prozesse mit einem eigenen Vorschlag zur Höhe des Höchstrechnungszinses fachlich begleitet. Diesen Vorschlag hat das Bundesfinanzministerium bei der Festlegung des jeweiligen Höchstrechnungszinses in der Regel auch übernommen.

Weshalb künftig nur noch Unternehmens- sowie Verbraucherverbände bei der vorgesehenen Anhörung Gehör finden sollen, wie es im Gesetzesentwurf vorgesehen ist, ist vor diesem Grund mehr als fraglich - schließlich ist der "Garantiezins" kein bloßes Marketing-, sondern im Kern ein versicherungsmathematische Instrument. Dass hier künftig ausgerechnet die Versicherungsmathematiker außen vor bleiben sollen, ist nicht ganz nachvollziehbar.

Einmalbeiträge vom Provisionsdeckel ausnehmen

Bei den Vorschlägen zum viel diskutierten Provisionsdeckel geht es den Aktuaren nicht nur um die am meisten diskutierte Frage, ob ein solcher Deckel angebracht oder nicht vielleicht sogar verfassungswidrig ist. Sondern sie kritisieren, dass die vorgelegten Entwürfe an mehreren Stellen "noch nicht sauber durchdacht zu sein" scheinen.

Wird dem Versicherungsvermittler beispielsweise statt einer einmaligen Provision eine laufende Vergütung gezahlt, so trägt er das volle Risiko, wenn der Vertrag vorzeitig beendet wird. Verstirbt die versicherte Person oder wird der Vertrag vor Ablauf gekündigt, so endet auch die Provisionszahlung. Dieses Risiko vorzeitiger Abgänge sollte nach Meinung der Aktuare bei der Bewertung laufender Vergütungen im Rahmen des Provisionsdeckels einbezogen werden. Ansonsten würden laufende Vergütungen gegenüber einmaligen Provisionen unattraktiv, wodurch sich der politisch gewollte Trend der letzten Jahre hin zu mehr laufender Provision sich wieder umkehren würde, so Bader.

Vermieden werden könnte eine solche unerwünschte Wirkung gemäß dem Vorschlag Aktuare durch einen erhöhten Zinssatz in einer pauschalierten Größenordnung von 6 Prozent. Das wären grob 3 bis 4 Prozentpunkte mehr als der im Referentenentwurf derzeit vorgesehene Zinssatz; und diese zusätzlichen 3 bis 4 Prozentpunkte seien "eine vernünftige Größenordnung zur pauschalen Berücksichtigung vorzeitigen Ausscheidens."

Alternativ schlägt die Deutsche Aktuarvereinigung vor, dass die laufenden Provisionszahlungen erst nach Berücksichtigung eines pauschalen laufzeitabhängigen Abschlages auf die Beiträge in die Beitragssumme für den Provisionsdeckel eingehen. Dies könnte zum Beispiel durch Multiplikation mit pauschalen Faktoren von etwa 0,75 (entsprechend einem Abschlag von 25 Prozent) für eher kurze bis hin zu 0,40 (entsprechend einem Abschlag von 60 Prozent) für sehr lange Vertragslaufzeiten geschehen.

Die Berücksichtigung dieser Anregungen dürfte indessen ein frommer Wunsch bleiben - zumal Verbraucherschützer und in deren Gefolge die Politik vorzeitige Abgänge durch Storno ja gerade nicht ausgleichen wollen - werden sie doch als Zeichen schlechter Beratung gesehen.

Was den Provisionsdeckel auch für Altersvorsorgeprodukte mit Einmalbeitrag angeht, berufen sich die Aktuare auf das LVRG I, bei dem Einmalprodukte nicht im Fokus standen, weil sie nicht gezillmert werden. Da der Erfolg des Ansparprozesses für den Kunden nur bei Ansparprodukten mit fest vereinbartem laufenden Beitrag unter den Kostenbelastungen künftiger noch nicht gezahlter Beiträge leidet, fordern die Aktuare, den Provisionsdeckel nicht auf die Einmalbeitragsprodukte auszuweiten.

Zeitplan für die Umsetzung zu knapp

Skeptisch äußert sich die Aktuarvereinigung zudem zum avisierten Zeitplan der Umsetzung des Lebensversicherungsreformgesetzes II. Nach derzeitigem Stand soll das neue Gesetz spätestens sieben Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten - ein Zeitrahmen, der den Aktuaren viel zu knapp scheint, da mit der Einführung eines Provisionsdeckels eine neue Tarifgeneration erforderlich ist, für die aufwendige aktuarielle Kalkulationen notwendig sind. Diese, so Bader, müssten im Interesse der Kunden ausreichend sicher sein. Deshalb plädiert die DAV für eine Umsetzung nicht vor dem 1. Januar 2021. Auch diese Forderung ist - wie die nach der Einbeziehung bei der Festlegung des Höchstrechnungszinssatzes vermutlich nicht allein dem Eigennutz zuzuschreiben, sondern müsste auch im Interesse der Verbraucherschützer sein. Denn werden neue Tarife aufgrund des Zeitdrucks mit zu heißer Nadel gestrickt, ist davon auszugehen, dass dies im Zweifelsfall eher zulasten des Kunden als des Versicherers gehen wird.

ZZR: Neue Berechnung ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit

Das Zwischenfazit zur Ende 2018 eingeführten Korridormethode bei der Zinszusatzreserve fällt positiv aus. Da der Aufbau der Zinszusatzreserve auf einen längeren Zeitraum gestreckt wird, könnten die jährlichen ZZR-Zuführungen deutlich gleichmäßiger erfolgen. "Bereits heute steht fest: Die Korridormethode hat sich bewährt, was sich auch in den verbesserten Solvency-II-Quoten der Versicherungsunternehmen widerspiegelt", resümiert Bader.

Der mehrfach geäußerten Befürchtung, die Korridormethode reduziere die Garantieversprechen der Unternehmen gegenüber den Versicherungsnehmern, tritt die Aktuarvereinigung entgegen. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Denn da der Zinszusatzreserve dadurch auf das für die Sicherung der Garantien notwendige Maß eingeschränkt werde, müssten die Versicherungen nicht mehr im bisherigen Maße hoch verzinste Kapitalanlagen verkaufen, was langfristig die Ertragssituation für die Versicherten stabilisiere. Insofern sei die neue Berechnungsmethode ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Eine Lösung des generellen Problems der niedrigen Zinsen sei sie aber nicht.

Als ungelöstes Problem der Zinszusatzreserve sehen die Aktuare weiterhin die Frage, wie für die Eigentümer eines Versicherungsunternehmens Anreize geschaffen werden können, sich an der Finanzierung der Zinszusatzreserve zu beteiligen. Hierzu hat die DAV der Politik bereits Vorschläge unterbreitet und will sich aktiv in den weiteren Diskussionsprozess einbringen.

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