NEGATIVZINSEN

"Abzocke" oder Kundenschutz?

Nicht immer freut es Kreditinstitute, wenn sie Schlagzeilen machen. Vor allem, wenn regionale Institute bundesweit Aufmerksmkeit erregen, ist der Tenor meist negativ. Das gilt auch für die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck, die im November bundesweit als erste Bank gegeißelt wurde, die ihren Kunden ab dem ersten Euro Negativzinsen für ihre Einlagen berechnet. Eine tolle Schlagzeile war das allemal. Es war auch keine vollständige Falschmeldung - und doch eine Verzerrung der Sachlage.

"Ab dem ersten Euro" - das gilt nur für Neukunden, und das auch nur bei Kunden, die lediglich ein Tagesgeldkonto eröffnen und darüber hinaus keine weitere Geschäftsbeziehung zu der Bank unterhalten. Für neu eröffnete Girokonten gilt ein Freibetrag von 20 000 Euro. Bestandskunden bezahlen nach wie vor keine Verwahrentgelte.

Die breite Berichterstattung in den Medien hat bei der Kundschaft der Bank offenbar anfangs für beträchtliche Aufregung gesorgt. Und so dreht die Bank den Spieß kommunikativ um: Anstatt sich als erste Bank an den Pranger stellen zu lassen, die ihre Kunden für sämtliche Einlagen zur Kasse bittet, hat sie auf ihrer Website im Bereich "Privatkunden" eine neue Rubrik "Negativzinsen" eingeführt und präsentiert sich dort als "die erste Bank, die ihre Kunden schützt!" "Ihre Kunden" wird dabei in Großbuchstaben geschrieben, denn genau das ist der Ansatz: Negativzinsen werden solchen bisherigen Nichtkunden berechnet, die ihre Liquidität zur VR Bank Fürstenfeldbruck verlegen wollen, weil sie bei ihrer bisherigen Bank vermutlich mit Negativzinsen belastet werden. Diese Gelder wolle man - zum Schutz der eigenen Kunden - nicht ohne Weiterberechnung der anfallenden Kosten annehmen.

Die Bank reagiert damit auf das schon eine Weile beobachtete Phänomen der "vagabundierenden" Einlagen, die zu einer echten Belastung werden können. Schon andere Kreditinstitute haben sich schließlich dazu Gedanken gemacht, wie sie solche Gelder abwehren können.

Ob nun eine pauschal für alle Kunden geltende Obergrenze für Einlagen, oberhalb derer "Verwahrentgelte" berechnet werden, die bessere Wahl ist oder die in Fürstenfeldbruck gewählte Variante, hohe Einlagen von Neukunden entsprechend zu bepreisen, darüber wird man sicher streiten können. Hier geht es um die Grundsatzfrage, ob es wichtiger ist alle Kunden - neue wie Bestandskunden - gleich zu behandeln oder ob Neukunden als die Hauptverursacher des Problems gesehen werden und entsprechend gemäß dem Verursacherprinzip belastet werden sollen. Gut möglich, dass sich in Fürstenfeldbruck, das nur 25 km westlich von München liegt, im Dunstkreis der Metropole tatsächlich die "Negativzinsflüchtlinge" anderer Banken als Kern des Problems ausmachen ließen. Dann wäre die Entscheidung für den Schutz der eigenen Kunden durchaus berechtigt.

Wie lange dieser Schutz der Bestandskunden aufrecht erhalten werden kann, lässt die Bank freilich offen. Das wird von der weiteren Entwicklung des geschäftlichen Umfelds abhängen. Die Bank formuliert das so: "solange das Markt- und Zinsumfeld dies zulässt". Die Gelegenheit, einmal mehr auf Alternativen zum Sparen auf Giro- und Tagesgeldkonto hinzuweisen, wird deshalb nicht ausgelassen.

Bisher haben solche Appelle der Banken und Sparkassen in Deutschland allerdings nur mäßig gefruchtet. Sonst wäre das Problem der Strafzinsen nicht gar so groß. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X