Aufsätze

200 Jahre Sparkassenidee ein Erfolgsmodell aus Deutschland

Sparkassen gibt es heute überall in der Welt. Sie alle schreiben eine Erfolgsgeschichte fort, die vor über 200 Jahren in Deutschland begann. Damals setzte der Wandlungsprozess ein, durch den das Land zu einem Industriestaat wurde. Im Zuge der "Industriellen Revolution" durchlitten die Menschen vieles, was heute aus Entwicklungsländern bekannt ist: Überbevölkerung, Massenarmut, Hunger, Landflucht. Verschärft wurden die Probleme dadurch, dass sich gleichzeitig die ständische Gesellschaftsstruktur auflöste und mit ihr zahlreiche traditionelle Vor- und Fürsorgeeinrichtungen verschwanden.

Ursprung in Hamburg

In den großen Handelsstädten waren die Vorzeichen dieses Wandels zuerst erkennbar. In einer von ihnen - Hamburg - wurde 1778 die erste genuine Sparkasse gegründet. Sie entstand als "Ersparungsclasse" der "Hamburgischen Allgemeinen Versorgungsanstalt". Diese war eine private Vorsorgeeinrichtung, die außer der Sparkasse mehrere Versicherungstarife umfasste. Ihre Gründer waren vom Gedankengut der Aufklärung durchdrungen und suchten nach neuen Wegen der Bekämpfung und Prävention von Armut.

Die innovative Idee der "Ersparungsclasse" bestand darin, es auch Personen mit geringem Einkommen zu ermöglichen, kleine Geldbeträge sicher und verzinslich anzulegen, damit sie Rücklagen für Notzeiten bilden oder einen Kapitalstock für die Existenzgründung sammeln konnten. Hilfe zur Selbsthilfe und Erziehung zur Selbstverantwortung - so lassen sich die Motive der Hamburger Gründung zusammenfassen.

Eine der bedeutendsten Finanzinnovationen der Neuzeit war entstanden. Seit 1778 gab es eine Institution, die anders als die herkömmlichen Banken nicht nur für den wohlhabenden Teil der Bevölkerung da war, sondern die Bedürfnisse breiter Bevölkerungskreise berücksichtigte: die Sparkasse.

Freiraum der Kommunen

Die Epoche der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons I. verzögerte die Ausbreitung der Sparkassen. Nur wenige Institute entstanden in dieser schweren Zeit. Immerhin kam es 1801 in Göttingen zur Gründung der ersten Sparkasse, für deren Verbindlichkeiten eine Kommune die Garantie übernahm.

1809 hatte die Sparkassenidee in vielen Gegenden des Landes Wurzeln geschlagen, und es war das Fundament gelegt, für eine Welle von Sparkassengründungen, die nach 1815 einsetzte. Der entscheidende Impuls hierfür ging von der Etablierung der kommunalen Selbstverwaltung aus. Durch sie erhielten die Kommunen Freiraum für wirtschaftliche und sozialpolitische Aktivitäten. Viele von ihnen nutzten dies zur Errichtung von Sparkassen. Dass sich vielerorts die sozialen Probleme verschärften und Armut zu einem Massenphänomen wurde, verlieh der Sparkassenidee zusätzlichen Schub.

Als Institution zur Armutsbekämpfung erwiesen sich die Sparkassen aber nur bedingt geeignet. Denn wer so arm war, dass er seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten konnte, vermochte auch nicht zu sparen. Die potenziellen Kunden der Sparkassen waren daher alle, die ein Einkommen über dem Existenzminimum besaßen. Infolge steigender Reallöhne gehörten dazu im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts neben Handwerksgesellen, Kaufmannsgehilfen und Dienstboten immer mehr Industriearbeiter.

Auch die Angehörigen der städtischen und ländlichen Mittelschichten nutzten die Sparkassen - nicht allein um ihre Ersparnisse sicher anzulegen, sondern auch um Darlehen zu erhalten. Denn das Kreditgeschäft gehörte schon im 19. Jahrhundert zum Geschäftsumfang der Institute. Durch die Vergabe von Krediten zu fairen Konditionen halfen die Sparkassen nicht nur, den verbreiteten Zinswucher einzudämmen. Die Kredite der Sparkassen sorgten auch dafür, dass die Sparkapitalien der Bevölkerung vorzugsweise der Stärkung lokaler und regionaler Wirtschaftskreisläufe zugute kamen.

Anfänge von Aufsicht und Einlagensicherung

Der Nutzen der Sparkassen wurde in vielen deutschen Staaten früh erkannt. Der bayerische König Maximilian I. forderte 1816 die Gemeinden auf, Sparkassen zu gründen. In Württemberg rief Königin Katharina 1818 eine Landessparkasse ins Leben. 1838 erließ Preußen die erste gesetzliche Regelung, durch die der Staat die kommunalen Sparkassen unter seine Aufsicht stellte und die Sicherheit der Einlagen überwachte.

In den 1830er-Jahren entstanden auch die ersten Landesbanken unter den Namen "Landeskreditkassen" und "Provinzialhilfskassen". Sie hatten die Aufgabe, die regionale Wirtschaft zu fördern, indem sie den Einrichtungen der Länder und Provinzen, den Gemeinden sowie Privatpersonen Kredite gewährten. Außerdem sollten sie den Sparkassen sichere und gewinnbringende Anlagemöglichkeiten bieten.

Im Jahre 1836 gab es in Deutschland 281 Sparkassen. Bis zum Jahr 1900 war ihre Zahl auf rund 2 700 gestiegen, und es war ein dichtes Filialnetz entstanden: Schon damals kam auf etwa 7 000 Einwohner eine Sparkassenstelle. Statistisch gesehen besaß fast jeder Dritte Deutsche ein Sparkassenbuch.

Für die Industrialisierung Deutschlands stellte das flächendeckende Sparkassennetz einen großen Vorteil dar. Indem die Sparkassen die "Spargroschen" der Bevölkerung einsammelten, mobilisierten sie Kapital für verschiedenste Investitionszwecke. Die Sparkassen finanzierten zwar nicht die Großindustrie. Da ihre Mittel vor allem der privaten und öffentlichen Bautätigkeit und dem Eisenbahnbau zuflossen, hatten sie jedoch einen bedeutenden Anteil am enormen Wachstum dieser Zeit.

Die regionale Streuung der Sparkassen trug dazu bei, dass sich die räumliche Wirtschaftsstruktur Deutschlands relativ gleichmäßig entwickelte. Denn aufgrund des Regionalprinzips - der Beschränkung der Geschäftstätigkeit auf das Gebiet ihres Trägers - sorgten die Sparkassen für eine einigermaßen gleichförmige Kreditversorgung in allen Teilen des Landes.

Die Bankenbranche hatte seit der Gründung der ersten Sparkasse gewaltige Fortschritte gemacht. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren Kreditgenossenschaften entstanden, die eine ähnliche Kundschaft wie die Sparkassen ansprachen. Etwa um dieselbe Zeit traten die ersten privaten Aktienbanken ins Leben, die vor allem in der Industriefinanzierung tätig waren. Einige von ihnen entwickelten sich zu Großbanken, die durch Fusionen und Kooperationen mit regionalen Banken reichsweite Filialnetze aufbauten.

Entwicklung von Verbandsstrukturen

Damit sie mit den zeitgenössischen Entwicklungen in der Kreditwirtschaft Schritt halten konnten, mussten auch die Sparkassen moderner werden. Ein erster Schritt dazu war die Gründung von Verbänden als Instrumente der Interessenvertretung und des Informations- und Erfahrungsaustauschs. Als Erster von ihnen entstand 1881 der "Sparkassenverband für Rheinland und Westfalen". Um sein räumliches Aktionsfeld auszudehnen und mehr Einfluss und politische Schlagkraft zu gewinnen, wandelte er sich 1884 in den "Deutschen Sparkassenverband" um.

Seine erste Bewährungsprobe bestand der junge Spitzenverband 1885, als der Reichstag den Plan der Reichsregierung ablehnte, in Konkurrenz zu den Sparkassen eine landesweit tätige Postsparkasse einzurichten. Ein weiterer großer Erfolg des Deutschen Sparkassenverbandes war, dass den Sparkassen 1908 im Reichsscheckgesetz die passive Scheckfähigkeit zuerkannt wurde und sie den Scheck- und Giroverkehr für Sicht- und Termineinlagen sowie Kontokorrentguthaben aufnehmen durften. Damit war der Weg frei für die Aufnahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.

Das erste Überweisungsnetz

1909 organisierte Dr. Johann Christian Eberle in Sachsen das erste Überweisungsnetz der Sparkassen. Als Bürgermeister der Stadt Nossen wusste er um die Bedeutung der Sparkassen für den Erhalt und den Ausbau mittelständischer Wirtschaftsstrukturen. In der Einführung des Giroverkehrs erkannte Eberle ein ideales Mittel, um die positiven Effekte der Sparkassen zu verstärken. Mit dem Giroverkehr konnten die Institute allen ihren Kunden nicht nur eine neue, zeitgemäße Dienstleistung bieten. Die Sichteinlagen auf den Girokonten ermöglichten es ihnen auch, kurzfristige Kredite an kleine und mittlere Unternehmen zu vergeben.

Nachdem es Eberle gelungen war, den Giroverkehr bei den sächsischen Sparkassen einzuführen, setzte er sich dafür ein, ein Überweisungsnetz zwischen allen deutschen Sparkassen zu knüpfen. Dies gelang sehr schnell. Überall im Deutschen Reich entstanden Giroverbände mit Girozentralen als Clearingstellen. 1916 konnte der Deutsche Zentral-Giroverband als Dachverband der regionalen Giroorganisationen gegründet werden. Seit 1918 sorgte die Deutsche Girozentrale für die Abwicklung des reichsweiten Überweisungsverkehrs.

Die Aufnahme des Giroverkehrs bildete die Grundlage für die "bankmäßige" Entwicklung der Sparkassen. Zugleich markierte sie den Beginn des Verbundes zwischen den Sparkassen: Indem die Institute über die Giroverbände und Girozentralen mit einander verknüpft wurden, überwanden sie ihre bisherige "Atomisierung" und verstanden sich immer stärker als Teil eines großen Ganzen.

Wertpapiergeschäft als Neuerung

Aus dem Ersten Weltkrieg gingen die Sparkassen gestärkt hervor. Zum einen hatte sich der Giroverkehr als innovative Dienstleistung etabliert. Zum anderen kam im Krieg das Wertpapiergeschäft als wichtiges neues Geschäftsfeld hinzu. Da die Reichsregierung sich für eine kreditfinanzierte Rüstung entschieden hatte, wies sie den Sparkassen mit ihrer breiten Kundschaft und ihrem dichten Geschäftsstellennetz eine zentrale Rolle bei der Unterbringung von Kriegsanleihen zu.

Doch obwohl die Sparkassen ihre Geschäfte ausweiten konnten und immer bankähnlicher wurden, waren die Ergebnisse des Ersten Weltkriegs zwiespältig für sie. Denn die Inflation der Nachkriegsjahre beeinträchtigte ihre herkömmlichen Geschäftsfelder, das Spar- und Hypothekengeschäft, sehr stark. Für die Sparer hatte die Inflation katastrophale Folgen, lösten sich doch ihre oft über Jahrzehnte angesparten Guthaben gleichsam in Luft auf.

Nachdem sich die Währungsverhältnisse 1923/24 stabilisiert hatten, begann für die Sparkassen und ihre Kunden eine kurze Zeit der Normalisierung. Im Vertrauen auf die neue Reichsmark-Währung fingen die Menschen wieder an zu sparen. Die Sparkassen förderten das Sparen dadurch, dass sie ihre Werbung intensivierten und dabei neue Wege beschritten, zum Beispiel, indem sie die Kinoleinwand als Medium für sich entdeckten. Eine andere bis heute gepflegte Tradition geht ebenfalls auf diese Zeit zurück - der Weltspartag. "Erfunden" 1924 auf einem internationalen Sparkassenkongress in Mailand, begingen die deutschen Sparkassen diesen "Festtag des Sparers" erstmals im Oktober 1925.

Allfinanz-Anbieter

Die Sparkassen erweiterten ihre Produktpalette und entwickelten sich zu Allfinanz-Anbietern. In Zusammenarbeit mit den öffentlichen Versicherungsgesellschaften offerierten sie Versicherungen aller Art. Seit 1929 konnten die Kunden bei ihrer Sparkasse außerdem Bausparverträge bei den neu gegründeten Landesbausparkassen abschließen.

Große Fortschritte machte auch die "Sparkasseneinheit". 1924 schlossen sich der Deutsche Sparkassenverband, der Deutsche Zentral-Giroverband und der Deutsche Verband der kommunalen Banken zum Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) zusammen. Der neue Dachverband organisierte die Willensbildung innerhalb der Sparkassenorganisation und vertrat deren Interessen nach außen, vor allem gegenüber der Politik und den anderen Bankengruppen.

Die "Goldenen Zwanziger" endeten im Herbst 1929, als die Weltwirtschaft in eine Krise von bis dahin nicht gekanntem Ausmaß stürzte. Deutschland gehörte zu den Ländern, die am härtesten betroffen waren. Industrieproduktion und Investitionen schrumpften beträchtlich, und die Arbeitslosigkeit stieg dramatisch.

Krisenverschärfend wirkte sich aus, dass die deutsche Wirtschaft in hohem Maße durch ausländisches Kapital finanziert worden war. Da die internationalen Kapitalgeber ihre Gelder abzogen, gerieten viele Kreditinstitute in Liquiditätsengpässe. Im Juli 1931 löste der Zusammenbruch der Darmstädter und Nationalbank einen "Run" auf die Bankschalter aus. Auch die Sparkassen und Girozentralen wurden von dem allgemeinen Vertrauensverlust in die Kreditwirtschaft erfasst. Dank ihres Zusammenhalts und der Hilfe der Reichsbank gelang es ihnen, die bis 1932 andauernde Liquiditätskrise zu überwinden.

Sparen politisiert und ideologisch überhöht

Als Reaktion auf die Ereignisse erließ die Reichsregierung einige gesetzliche Regelungen, die für die Sparkassen und ihre Kunden auch heute noch von großer Bedeutung sind. Die wichtigste von ihnen war, dass die bislang als unselbstständige Gemeindeeinrichtungen organisierten Sparkassen in selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts umgewandelt wurden. Dadurch wollte man verhindern, dass die teilweise hoch verschuldeten Kommunen auf das Vermögen der Institute zurückgriffen, um eigene Verbindlichkeiten auszugleichen. Der Sicherheit der Kunden diente auch der gesetzliche Schutz der Bezeichnung "Sparkasse".

Seinen Abschluss fand der durch die Bankenkrise motivierte Modernisierungsschub im Kreditwesengesetz von 1934. Darin wurde die seit der Jahrhundertwende erfolgte Ausweitung der Sparkassengeschäfte bestätigt und anerkannt, dass die Sparkassen den Banken gegenüber gleichberechtigte Kreditinstitute sind.

Die Jahre von 1933 bis 1945 bilden für die Sparkassen das schwärzeste Kapitel ihrer Geschichte. Nachdem Nationalsozialisten an die Macht gelangt waren, sorgten sie durch die "Gleichschaltung" der Organe von Sparkassen, Girozentralen und Verbänden dafür, dass die Institute der Sparkassenorganisation ihre Geschäftspolitik an den Zielen des Regimes ausrichteten.

In die nationalsozialistische Rassenpolitik einbezogen

Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik verfolgte das Ziel, Deutschland aufzurüsten und auf die Kriegsführung vorzubereiten. Damit möglichst viel Kapital für die Rüstung zur Verfügung stand, setzte sie darauf, die Spartätigkeit der Bevölkerung auszuweiten. Das Sparen wurde daher politisiert und als "Kraftquell der Nation" ideologisch überhöht. Weil die Sparkassen die Kreditinstitute mit den meisten Kunden waren, kam ihnen im Rahmen dieser Politik eine Schlüsselrolle zu. Ihre Aufgabe war es, durch neue Sparformen und Werbemaßnahmen auch noch den letzten Sparpfennig zu mobilisieren. Die stetig anschwellenden Einlagen bei den Instituten der Sparkassenorganisation legten diese auf massiven politischen Druck oder wegen fehlender Alternativen - zum großen Teil in den Anleihen und Schatzanweisungen an, mit denen das Reich die Rüstung und seit 1939 den Krieg finanzierte.

Ebenso wie alle anderen deutschen Kreditinstitute waren die Sparkassen in die nationalsozialistische Rassenpolitik einbezogen, die in der Vertreibung und der Ermordung von Millionen Juden endete. Die Verstrickung reichte von der Weigerung, jüdischen Kunden Kredite zu geben, bis zur Hilfeleistung bei der staatlicherseits verfügten Erfassung und Einziehung jüdischen Vermögens.

Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 markierte auch für die Sparkassenorganisation eine tiefe Zäsur. Die Sparkassen und Girozentralen mit Sitz östlich der Oder-Neiße-Linie hörten auf zu existieren. Die Institute in den drei Westzonen beziehungsweise der Bundesrepublik und diejenigen in der sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise der DDR gingen für über 40 Jahre getrennte Wege. Während die Ostsparkassen letztlich auf das Einlagengeschäft und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs beschränkt wurden, entwickelten sich die Sparkassen im Westen zu modernen Universalkreditinstituten.

Schnell wieder in den neuen Bundesländern heimisch

1990 war auch für die Sparkassen-Finanzgruppe das Jahr der Wiedervereinigung. Erstaunlich schnell gelang es, das bewährte Geschäftsmodell und die rechtlichen und organisatorischen Strukturen der Sparkassen auch in den neuen Bundesländern heimisch zu machen.

Seit über 200 Jahren begleiten die Sparkassen die Menschen in Deutschland durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbruchphasen. Weil sie immer ein Hort der Sicherheit und Stabilität waren, haben sie sich das wichtigste Kapital erworben, das eine Finanzinstitution überhaupt besitzen kann - das Vertrauen ihrer Kunden.

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