Aufsätze

Die AIFM-Richtlinie in Deutschland - positiver Ausblick oder schwer zu überwindende Hürde?

Mit Beginn der Finanzkrise im Jahre 2008 und nicht zuletzt auch durch den Fall Madoff hat sich bis zum heutigen Tag mehr und mehr abgezeichnet, dass auch die Fondsindustrie stärker überwacht werden muss. Die neue EU-Richtlinie Alternative Investment Fund Manager Directive (AIFM-Richtlinie), die als Reaktion auf die Finanzkrise erstellt wurde, geht in diese Richtung. Sie regelt das Geschäft von Fondsmanagern alternativer Investmentfonds mit professionellen Investoren und soll bei bisher unregulierten Fonds Transparenz schaffen.

Durch die Richtlinie werden Manager alternativer Investmentfonds mit Sitz in der EU sowie dortige Fonds und Verwahrer reguliert. Zudem fallen auch Fondsmanager außerhalb der EU unter die Richtlinie, wenn sie alternative Investmentfonds in der EU verwalten oder Investmentfonds an professionelle Anleger in der EU öffentlich vertreiben.

Ein richtiger Schritt

Die Richtlinie ist ein bedeutender und richtiger Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen und sicheren Finanzplatz - kein Finanzmarktakteur soll unreguliert bleiben. Auch wenn sie für die Kapitalmarktakteure mit zahlreichen Herausforderungen und höheren Kosten verbunden ist, ist das grundsätzliche Ziel, den Anlegerschutz zu erhöhen, uneingeschränkt zu begrüßen. Die Richtlinie, deren Entwurf endgültig am 11. November 2010 im europäischen Parlament verabschiedet wurde, erfasst alle Fondsmanager, die Offene oder Geschlossene Fonds verwalten und die nicht bereits unter die UCITS-Richtlinie fallen. Die Grundidee dieses "Kunstgriffs" ist, dass alle Fonds, die bisher nicht EU-reguliert waren, durch die neue AIFM-Richtlinie abgedeckt werden.

In Deutschland werden mit dieser Negativdefinition erstmals auch Geschlossene Fonds reguliert. Außerdem fallen die Offenen Immobilienfonds und die Spezialfonds unter die Richtlinie, die in Deutschland zwar bereits durch das Investmentgesetz (InvG) reguliert sind, EU-rechtlich bisher jedoch noch nicht geregelt waren. Für die gesamte Fondsbranche ergibt sich durch die neue Direktive eine Harmonisierung hinsichtlich Regulierung und Aufsicht. Dies birgt ohne Zweifel einen gewissen Anpassungsdruck, bietet aber auch große Chancen für alle Marktteilnehmer.

Doch welche konkreten Konsequenzen ergeben sich aus der AIFM-Richtlinie für die unterschiedlichen Akteure des deutschen Finanzmarktes? Um diese Frage zu beantworten, werden zunächst die wichtigsten Herausforderungen bei der Umsetzung der AIFM-Richtlinie beleuchtet, bevor die Chancen diskutiert werden. Dieser Artikel beschränkt sich auf die wichtigsten Bestimmungen, da eine detaillierte Besprechung sämtlicher Einzelheiten der Richt linie den Rahmen sprengen würde. Außerdem sind die Level-II-Maßnahmen nicht berücksichtigt, durch welche die AIFM-Richtlinie voraussichtlich im September 2012 konkretisiert und möglicherweise angepasst wird. Der Fokus dieses Artikels liegt auf den Depotbanken, wobei auch ein Überblick über andere Finanzmarktakteure gegeben wird.

Trennung zwischen Vermögensverwaltung und -verwahrung

Wie die UCITS-Richtlinie verfolgt auch die AIFM-Richtlinie den Grundsatz der Trennung der Vermögensverwaltung von der Vermögensverwahrung. Die AIFM-Richtlinie besagt, dass ab 2013 auch alle Fonds außerhalb des InvG die Pflicht haben, eine unabhängige Verwahrstelle zu bestellen. Mit dieser verbindlichen Depotverwahrung wird im Bereich der AIF (Alternative Investment Funds) eine neue Kontrollinstanz installiert. Die AIFM-Richtlinie konkretisiert die Aufgaben dieser Verwahrstelle, führt zusätzliche Kontrollpflichten ein und erhöht die Haftung.

Die Aufgaben der AIF-Verwahrstelle können in drei Bereiche aufgeteilt werden: Verwahrung, Abwicklung und Kontrolle. In den Bereich der Verwahrung fällt die Verwahrung von Vermögensgegenständen, das Lagerstellenmanagement und die Führung des Bestandsverzeichnisses für nichtverwahrfähige Vermögensgegenstän de. Die Abwicklung umfasst die Ausgabe und Rücknahme von Anteilen sowie die Ausführung von Weisungen der Kapitalanlagegesellschaft (KAG), zum Beispiel im Zusammenhang mit Zahlungen oder Hauptversammlungen. Im Bereich Kontrolle geht es darum, ob die Investmentstrategie bei der Erteilung von Weisungen einge halten wurde, ob die Zustimmung der Verwahrstelle bei bestimmten Weisungen vorliegt (sogenannter Zustimmungsvorbehalt) sowie um die Überwachung von Cash-Flows.

Strenge Haftungsbestimmungen für Wertpapierverwahrer

Neben den neuen Aufgaben spielen für die Verwahrer besonders die neuen Haftungsbestimmungen eine große Rolle. Neben dem erweiterten Verantwortungsbereich wird durch die AIFM-Richtlinie gleichzeitig die Haftung für die Verwahrstellen deutlich erhöht. In einem Schadensfall wird unterschieden zwischen einer Haftung für den "Verlust von verwahrten Finanzinstrumenten" und der Haftung für "alle sonstigen Schäden", die bei einem Investmentfonds oder seinen Anlegern aufgrund eines Fehlverhaltens der Verwahrstelle entstanden sind. Im ersten Fall haftet die Verwahrstelle auch verschuldensunabhängig. Lediglich "höhere Gewalt" schließt eine Haftung für den Verlust von verwahrten Finanzinstrumenten aus.

Im zweiten Fall kann die Verwahrstelle nur für Vorsatz und Fahrlässigkeit haftbar gemacht werden. Diese strengen Haftungsbestimmungen, insbesondere die verschuldensunabhängige Haftung, stellen eine große Herausforderung für die Verwahrer dar. Verstärkte Kontrollen sind notwendig, um einen Haftungsfall zu vermeiden und wirtschaftliche Risiken zu minimieren. Die Haftungsregeln sollen durch die Level-2-Maßnahmen noch weiter konkretisiert und präzisiert werden. Erst wenn diese Bestimmungen veröffentlicht sind, ist es möglich, die Auswirkungen der neuen Haftungsregelungen gesamthaft zu betrachten und diese Bestimmungen vollumfänglich zu kommentieren.

Grundlegende Änderung der Rolle der Verwahrstelle

Trotz der noch ausstehenden Konkretisierungen kann bereits auf Basis der derzeitigen AIFM-Richtlinie gesagt werden, dass sich die Rolle der Verwahrstelle grundlegend verändern wird. Der Verwahrer von Vermögensgegenständen wird zukünftig zu einer Kontrollinstanz. Neben der gestiegenen Haftung erhöhen sich auch die Aufsichtspflichten des Verwahrers. Die Verwahrstelle muss aufgrund der Richtlinie umfassende Überwachungsaufgaben wahrnehmen und den AIF-Manager kontrollieren. Ihr obliegt die Kontrolle des Zahlungsverkehrs, der Vermögenswerte, der Fondsanteile, der Veräußerungserlöse und der Erträge des Alternative Investment Funds. Mit den gestiegenen Aufsichtspflichten steigen sowohl der Arbeitsaufwand für die Verwahrer als auch die notwendigen Investitionen in die Überwachungssysteme.

Für Depotbanken wird es entscheidend sein, ob sie in der Lage sind, diesen Mehraufwand durch Mehreinnahmen zu kompensieren und die erhöhten Kosten an die Kunden weiterzugeben. Hier muss ein Umdenken stattfinden - ein größerer Aufwand muss entsprechend auch höher vergütet werden. Dass ein solches Umdenken möglich ist, zeigt die Anfang des Jahres von den Beratungshäusern Faros Consulting und Itechx durchgeführte und von BNY Mellon unterstützte Studie "Kostendruck: Finanzdienstleister in der Sackgasse?". Darin gaben 69 Prozent der Teilnehmer an, dass sie bereit sind, mit ihren Depotbanken über Preiserhöhungen zu sprechen, sofern diese entsprechend begründet werden können.

Es sind aber nicht nur höhere Kosten, die die Depotbanken vor Herausforderungen stellen. Nicht alle Depotbanken werden in der Lage sein, die erweiterte Haftung zu übernehmen und den gestiegenen Aufsichtspflichten nachzukommen. Einige Depotbanken werden sich aufgrund dieser für sie zu hohen Hürden aus dem Markt verabschieden. Übrig bleiben die großen Depotbanken, die über genügend Kapital zur Haftungsabsicherung verfügen und in die entsprechenden IT-Systeme investieren können.

Das bestehende Oligopol der Branche - derzeit verwalten die führenden sieben Anbieter rund 70 Prozent der Assets - könnte sich verschärfen. Dadurch könnte sich die Konsolidierung der Branche, die bereits in Bezug auf die Verteilung der Assets in vollem Gange ist, noch verstärken. Die übrig gebliebenen Wertpapierverwahrer würden dadurch systemisch kritisch, sozusagen "too big to fail". Dies kann wiederum nicht im Interesse der Regulierer sein. Eine mögliche volle Haftungsübernahme wird also nicht bloß die Depotbanken selbst betreffen, sondern auch Konsequenzen für die Gesamtbranche haben.

Auch Asset Manager von gestiegenen Anforderungen betroffen

Höhere Kosten und gestiegene Anforderungen stellt die AIFM-Richtlinie nicht nur an Depotbanken. Auch Asset Manager stehen vor zahlreichen Herausforderungen. In Deutschland müssen sie ihre Zulassung als Alternative Investment Fund Manager (AIFM) bei der BaFin beantragen. Neben der Genehmigungspflicht gibt es weitere Mindeststandards für Asset Manager, die durch die Richtlinie vorgeschrieben werden. Dazu zählen die Mindestkapitalan forderungen, die sich an der Höhe des verwalteten Vermögens orientieren, ein eigenständiges Risikomanagement, die Pflicht zur Erstellung und Einhaltung von Richtlinien und Verhaltensregeln für Mitarbeiter, Transparenzund Reportingvorschriften sowie die Pflicht zur Verwahrung der Vermögensgegenstände bei einer Depotbank.

Da unter die breite Definition von alternativen Anlagen auch Spezialfonds fallen, werden nahezu alle KAGen und Asset Manager in Deutschland von der Richtlinie betroffen sein. Allein die Spezialfonds machen rund zwei Drittel des deutschen Fondsmarktes aus. Alle Manager dieser Fonds werden zukünftig über die AIFM-Richtlinie reguliert. Auch wenn die Richtlinie die verschiedenen AIF-Manager unterschiedlich stark betrifft - besonders Private Equity und Venture Capital Fonds stehen vor großen Veränderungen - führt sie zu einem allumfassenden Wandel in der Investmentbranche. Alle AIF-Manager müs -sen sich den neuen Vorgaben anpassen.

Zusatzgeschäft durch die AIFM-Richtlinie

Der gestiegene Aufwand und die erhöhten Pflichten für AIF-Manager und Depotbanken durch die AIFM-Richtlinie führen unweigerlich zu höheren Kosten, die zu einem Teil an die Investoren weitergegeben werden. Da durch die Richtlinie die Sicherheit für Investoren erhöht wird, kann man durchaus argumentieren, dass der Nutzen "Sicherheit" mit neuen Kosten aufgewogen werden muss. Mehrleistung wird durch Mehrzahlung vergütet, das ist eine einfache Rechnung.

Für die deutschen Depotbanken bedeutet die AIFM-Richtlinie nicht nur höhere Pflichten und Kosten, sondern sie ermöglicht auch zusätzliche Einnahmequellen durch neue Dienstleistungen. Erstmals gibt es eine Depotbankpflicht für Geschlossene Fonds. Deren Volumen wurde 2011 auf 199 Milliarden Euro geschätzt. Da dies lediglich eine Schätzung des Verbands Geschlossene Fonds (VGF) ist, könnte das tatsächliche Volumen deutlich höher sein, da nur 42 von 168 Marktteilnehmern Mitglied beim VGF und damit Teil der Statistik sind.

Die großen Global Custodians sind gut auf ihre Zusatzaufgaben vorbereitet, schließlich ist die Verwahrung ihr Kerngeschäft. Außerdem verfügen sie bereits heute auf internationaler Ebene über das Fachwissen und die technischen Voraussetzungen zur Bewertung von "exotischen" Fonds wie zum Beispiel Schifffonds, die bisher noch nicht durch die deutschen Depotbanken abgedeckt waren. BNY Mellon verfügt beispielsweise im Bereich Alternative Investments über 1 700 Mitarbeiter mit einer entsprechenden Expertise. Zusätzlich sind die großen globalen Wertpapierverwahrer mit ihrer hohen Eigenkapitalquote in der Regel sehr solide finanziert.

EU-weiter Binnenmarkt

Angesichts der ohnehin schon strengen Regulierung des deutschen Marktes müssen sich Depotbanken hierzulande weniger starken Änderungen unterwerfen als etwa in anderen Ländern. Das gleiche gilt für Spezialfonds, die in Deutschland bereits durch das InvG reguliert sind und viele der neuen Bedingungen schon erfüllen. Die AIF-Manager in anderen Ländern haben deutlich mehr nachzuholen und müssen entschieden mehr investieren, um den Anforderungen der Richtlinie zu genügen. In diesem Fall zahlt es sich also aus, dass Marktteilnehmer in Deutschland bereits seit vielen Jahren an zahlreiche strenge Gesetze und Vorgaben gewöhnt sind.

Mit der neuen Richtlinie werden Rechtsunterschiede zwischen den EU-Staaten abgeschafft. Durch die sehr detaillierten Vorgaben der Level-2-Maßnahmen bleibt den Nationalstaaten kaum noch Spielraum zum sogenannten "Gold-Plating". Die AIFM-Richtlinie sorgt für einheitliche Regelungen in der EU und schafft damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle sowie eine Homogenisierung des Marktes. Die europäischen Märkte rücken also hinsichtlich ihrer jeweiligen Regulierung näher zusammen. Dadurch entsteht ein deutlich größerer Binnenmarkt, auf dem deutsche Finanzunternehmen ihre Produkte anbieten können.

Dank der AIFM-Lizenz können deutsche Finanzunternehmen in Zukunft auch im Ausland tätig werden und den internationalen Markt erschließen. Die Regulierung wird EU-weit harmonisiert, und die Anforderungen werden in jedem Land dieselben sein. Finanzunternehmen, die in Staaten operieren, die bisher national streng reguliert waren, sind nun nicht mehr gegenüber ihren Konkurrenten aus Staaten mit einer weniger strengen Regulierung benachteiligt. Dies ist insbesondere für die deutsche Finanzbranche ein erfreuliches Zeichen, da nun alle Asset Manager und Verwahrer in der EU über die gleichen Pflichten und Haftungsvorschriften verfügen.

Schaffung von Investorensicherheit und Vertrauen

In der Finanzmarktkrise haben die Finanzinstitutionen in der Öffentlichkeit stark an Vertrauen verloren. Die AIFM-Richtlinie zielt darauf, alle Akteure und Tätigkeiten im Fondsmarkt, die teilweise erheblichen Risiken unterliegen, angemessen zu regulieren. Institutionelle Investoren profitieren von der Richtlinie durch erhöhte Transparenz, Kontrolle und Haftung. Sie schafft Sicherheit für die Investoren und stärkt das Vertrauen in die Finanzinstitutionen. Mit der neuen EU-Richtlinie sind nun alle Fonds EU-weit reguliert. Innerhalb der EU bestehen keine großen lokalen Unterschiede mehr, an denen sich internationale Investoren orientieren müssen. Was zunächst also wie eine Herkulesaufgabe aussieht, wird letztlich im Ergebnis zu mehr Klarheit und Einfachheit führen.

Die Herausforderungen dieser neuen Regulierung liegen klar auf der Hand und sind mit großem Aufwand für alle Marktteilnehmer verbunden. Die Hürde ist zwar hoch, aber sie kann übersprungen werden. Wertpapierverwahrer wie auch Asset Manager müssen investieren sowie Prozesse und Fachwissen aufbauen, um den neuen Regeln zu entsprechen. Auch wenn die Ausgaben steigen, sind diese Veränderungen unumgänglich, um das in der Finanzkrise verlorene Vertrauen der Investoren sowie der breiten Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Ein sicherer Finanzplatz ist zwar mit Kosten verbunden, auf lange Sicht ist er aber deutlich nachhaltiger und wertsteigernder. Die Investitionssicherheit wird gestärkt, was schlussendlich allen Finanzmarktteilnehmern zugutekommt.

Die neue Richtlinie schafft nicht nur Rechtssicherheit für Investoren, sondern gleicht, wie oben erläutert, die Regulierungsunterschiede zwischen den Ländern aus, da nun alle über die gleichen Vorschriften verfügen. Die neuen Bedingungen sind für Finanzmarktteilnehmer in Deutschland weniger gravierend verglichen mit anderen Ländern, da die Branche in Deutschland bereits in der Vergangenheit stark reguliert war. Der Aufwand, sich den Regeln der Richtlinie anzupassen, ist hierzulande deutlich geringer. Das ist eine Chance für die deutsche Finanzindustrie, da sie zu einem großen Teil bereits über die Erfahrung und die Systeme verfügt, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.

Da die Level-II-Maßnahmen der Richtlinie erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden, kann die AIFM-Richtlinie noch nicht abschließend bewertet werden. Die Frage, ob diese Reform die erhofften Verbesserungen bringt, wird sich also erst in der Zukunft endgültig beantworten lassen. Auch wenn die Richtlinie mit vielen Herausforderungen für die einzelnen Marktteilnehmer verbunden ist, zielt sie auf die Schaffung einer sicheren Umgebung in der post-Madoff-Phase. Dieses Ziel ist vollumfänglich zu begrüßen und zu unterstützen.

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