Aufsätze

Aktuelle Regulierungsbestrebungen - ausreichend oder Optimierungsbedarf?

Die Diskussionen um und über die Finanzmarktkrise wurden hinlänglich geführt. Immer wieder waren in den vergangenen zwei Jahren die Worte "Lessons learned" zu hören. Und immer wieder kamen aus allen Bereichen und Organisationen des Finanzmarktes neue Ideen, Ergänzungen und Erweiterungen dazu, wie man mit Lehren aus der Krise die Nächste verhindern könnte. Aktuell liegen so viele Vorschläge vor, dass selbst Fachleute im Bereich der Regulierung leicht den Überblick verlieren können.

Hinzu kommt die aktuelle Diskussion über den richtigen Zeitpunkt der Einführung der neuen Regeln und auch die Frage nach deren Auswirkungen auf die Kredit- und Realwirtschaft. Jedem dürfte bewusst sein, dass eine voreilige, unausgewogene Einführung der neuen Regelungen starke Auswirkungen auf die Finanzwirtschaft haben wird und diese Auswirkungen dann mit kurzer zeitlicher Verzögerung auf die Realwirtschaft übertragen werden. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels wurden die ersten Hinweise auf eine möglicherweise verminderte Umsetzung der diskutierten neuen Regeln bekannt. Darüber hinaus werden Diskussionen über eine zeitliche Verschiebung geführt.

Überblick über die nationalen und internationalen Bestrebungen

Die weltweiten Initiativen für eine angemessene Regulierung des Bankensektors als Reaktion auf die Ursachen und Folgen der Finanzmarktkrise sind vielfältig. Nachfolgend soll ein Überblick über die aktuell bedeutsamsten regulatorischen Entwicklungen auf Ebene des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, der Europäischen Kommission sowie des deutschen Gesetzgebers erfolgen. Hieran schließt sich eine kurze Zusammenfassung einiger Überlegungen des Wissenschaftlichen Beirats sowie des Institute of International Finance zur Reform der Bankenregulierung an. Eine Übersicht zu den verschiedenen Regulierungsinitiativen soll die Abbildung vermitteln.

Bereits im Juli 2009 veröffentlichte der Baseler Ausschuss eine Überarbeitung des Basel-II-Rahmenwerks. Damit sollten Mängel der bisherigen Regulierung beseitigt werden. Dazu zählen vor allem die nicht sachgerechten Kapitalunterlegungen von Handelsbuchpositionen, komplexen Verbriefungsstrukturen und Kontrahentenrisiken aus Derivaten.1) Daher liegt der Schwerpunkt auf den zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen für die Verbriefungs- und Wiederverbriefungspositionen, der sogenannten "incremental risk charge" für Handelsbuchpositionen sowie der Verbesserung des Risikomanagements von strukturierten Produkten und Off-Balance-Sheet-Aktivitäten.2)

Mit seinen beiden im Dezember 2009 veröffentlichten Konsultationspapieren "Strengthening the Resilience of the Banking Sector"3) und "International Framework for Liquidity Risk Measurement, Standards and Monitoring"4) präsentiert der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht weitere gravierende Regulierungsvorschläge, die zu einer Stärkung des Bankensektors beitragen sollen. Eine Konkretisierung der einzelnen Vorgaben wird erst nach Auswertung der in den letzten Monaten durchgeführten quantitativen Auswirkungsstudie vorgenommen.

Quantität und Qualität des Eigenkapitals verbessern

Ein zentrales Thema stellt die Verbesserung der Quantität und Qualität des Eigenkapitals dar. Nach den Vorstellungen des Ausschusses soll der überwiegende Teil des Tier 1-Kapitals zukünftig aus hartem Kernkapital bestehen, dessen prinzipienorientierte Ausgestaltung ebenso harmonisiert werden soll wie die nunmehr ausschließlich vom Kernkapital abzuziehenden Korrekturposten. Kritisch werden in diesem Zusammenhang die Behandlung der im Fremdbesitz stehenden Minderheitenbeteiligungen sowie der aktiven latenten Steuern gesehen. Beide Komponenten sollen nicht mehr im harten Kernkapital berücksichtigt werden.5)

Als Ergänzung zur risikobasierten Ermittlung des Eigenkapitalbedarfs wird die Einführung einer Leverage Ratio vorgeschlagen. Das sich hieraus ergebende maximale Verhältnis zwischen bilanziellem Eigenkapital sowie bilanziellen und außerbilanziellen Positionen soll die destabilisierende Wirkung eines wie in der Finanzmarktkrise erzwungenen massiven "Deleveraging" vermeiden.6)

Auch die in der Finanzmarktkrise immer wieder problematisierte prozyklische Wirkung des Basel-II-Regimes wird vom Baseler Ausschuss diskutiert. Zur Reduzierung der zyklischen Effekte wird unter anderem ein zeitvariabler Kapitalpufferaufbau vorgeschlagen, der in Rezessionsphasen der Verlustabsorption dienen soll. Darüber hinaus wird eine zukunftsgerichtete Bildung von Wertberichtigungen auf Basis erwarteter Verluste (forward looking provisioning) sowie eine Änderung der Methode zur Ermittlung der Probability of Default (PD) gefordert. Das sogenannte "forward looking provisioning" zielt darauf ab, Wertminderungen im Kreditgeschäft bilanziell früher zu erfassen.7)

Bezüglich der risikoadäquaten Ermittlung der Kontrahentenausfallrisiken erörtert der Baseler Ausschuss unter anderem Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf die bankaufsichtlich zugelassenen Internen-Modelle-Methoden, die vornehmlich zur Quantifizierung der Kontrahentenrisiken aus Derivatepositionen genutzt werden. Darüber hinaus wird ein quantitativer Zuschlagsfaktor für das Ausfallrisiko gegenüber großen Banken und Versicherungen sowie eine Verschärfung der Anforderungen an privilegierte zentrale Kontrahenten in Betracht gezogen.8)

Zur Regulierung der Liquiditätsrisiken hat der Baseler Ausschuss ein gesondertes Konsultationspapier veröffentlicht. Dieses behandelt in erster Linie die internationale Harmonisierung der Liquiditätsanforderungen durch Einführung einer "Liquidity Coverage Ratio" (LCR) sowie einer "Net Stable Funding Ratio" (NSFR). Die LCR soll im Hinblick auf den Mittelbedarf der nächsten 30 Tage einen Mindeststock an hochliquiden Assets sicherstellen. Ergänzend soll die NSFR ein Minimum an langfristiger Refinanzierungsausstattung im Verhältnis zum Liquiditätsrisiko der Aktiva innerhalb eines Stressszenarios im Ein-Jahres-Band festlegen. Mit der NSFR soll verhindert werden, dass Banken zu hohe Fristentransformation betreiben.

Initiativen auf Ebene der EU

Im Hinblick auf die "Capital Requirements Directive" (CRD), die aus der Bankenrichtlinie (2006/48/EG) sowie der Kapitaladäquanzrichtlinie (2006/49/EG) besteht und mit der seinerzeit die Basel-II-Vorgaben in der EU umgesetzt wurden, sind aktuell drei Änderungspakete zu erwähnen.

Die in 2009 verabschiedete und bereits zum Ende des Jahres in Kraft tretende CRDII9) legt einheitliche Regelungen für die Anerkennungsfähigkeit von Hybridkapital als aufsichtsrechtliche Eigenmittel fest. Hierbei werden nicht nur Kriterien für die Ausgestaltung des Hybridkapitals geschaffen, sondern auch Anrechnungsgrenzen, die es einzuhalten gilt.

Im Bereich des Großkreditregimes ist insbesondere der Wegfall des sogenannten Interbankenprivilegs von Bedeutung, das bislang eine laufzeitabhängige Anrechnung von Interbankforderungen vorsah. Weiter wurde der Begriff der Kreditnehmereinheit im Hinblick auf zu bildende Risikoeinheiten ausgeweitet. Umfangreiche Anpassungen wurden überdies im Verbriefungsregelwerk vorgenommen. Erwähnenswert ist hier beispielsweise die Einführung des verpflichtenden Risikorückbehalts durch den Originator, den Sponsor oder den ursprünglichen Kreditgeber sowie eine auf Seiten des Investors eingeführte Analysepflicht.

Das von der Europäischen Kommission als Richtlinienvorschlag veröffentlichte Änderungsvorhaben CRD III10) befasst sich unter anderem mit dem insbesondere für große international tätige Banken wichtigen Thema der Handelsbuchrisiken. Banken, die Interne Modelle für die Ermittlung der Handelsbuchrisiken nutzen, müssen zukünftig mit deutlich höheren Eigenkapitalanforderungen rechnen. Grund ist die Einführung erweiterter Unterlegungspflichten im Modell (stressed VaR, Incremental Risk Charge) sowie die Pflicht, auch die Eigenmittelunterlegung für Verbriefungen im Handelsbuch zukünftig nach den konservativeren Verfahren des Anlagebuchs zu ermitteln. Die Änderungsrichtlinie wird überdies neue, erweiterte Offenlegungsvorschriften einführen. Die CRDIII deckt auch die zukünftigen Anforderungen an Vergütungssysteme ab. Diese sollen sich an der langfristigen Profitabilität des Instituts orientieren. Bislang war ein Inkrafttreten dieser Richtlinienänderung für Ende 2010 beziehungsweise Anfang 2011 vorgesehen. Es zeichnet sich jedoch in der öffentlichen Diskussion ab, dass mit einer Verschiebung eher auf Ende 2011 gerechnet werden kann11)(siehe Bankenchronik in diesem Heft).

Das im Februar 2010 zur Konsultation veröffentlichte Arbeitspapier CRD IV12) greift konkret die Themen aus den beiden im Dezember 2009 veröffentlichten Konsultationspapieren des Baseler Ausschusses auf. So zielen die vorgeschlagenen Maßnahmen unter anderem auf die Schaffung eines einheitlichen Liquiditätsstandards, die Einführung einer Leverage Ratio, die Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen für das Kontrahentenrisiko bei Derivategeschäften sowie die Verbesserung von Quantität und Qualität der Eigenkapitalbasis ab. Auch antizyklischen Maßnahmen in den Eigenkapitalvorschriften sowie der Umgang mit systemrelevanten Instituten werden von der Kommission zur Diskussion gestellt. Der Legislativvorschlag ist für die zweite Jahreshälfte 2010 angekündigt und soll auch eine diesbezügliche quantitative Folgenabschätzung angemessen berücksichtigen.

Über diese teilweise schon sehr konkreten Vorschläge zur Änderung der CRD hinaus hat die Kommission Anfang Juni 2010 ein Grünbuch zum Thema "Corporate Governance in Financial Institutions and Remuneration Policies" zur Konsultation bis September 2010 veröffentlicht.13) Adressiert werden Schwachstellen in der Führung der Finanzinstitute aufgrund einer unzureichenden Aufsicht und Kontrolle durch Verwaltungsräte und Anteilseigner, ein schwaches Risikomanagement, unangemessene Vergütungsstrukturen, aber auch bestehende Defizite auf Vorstandsebene sowie fehlende Einwirkung durch die Bankenaufsicht. Die Überlegungen der Kommission, diese Schwachstellen zu beseitigen, sind vielfältig und gehen von der Forderung nach ausgewogenen Fähigkeiten und Kenntnissen im Vorstand über die Einführung klarer Regelungen zum Management von Interessenkonflikten bis zur Pflicht der Bankenaufsicht zur regelmäßigen Prüfung der Arbeit der Vorstände.

Aktuelle Richtlinienumsetzung in Deutschland

Der deutsche Gesetzgeber befasst sich derzeit mit der Umsetzung der oben dargestellten CRD II und CRD III in nationales Recht, wobei die in diesem Zusammenhang erforderliche Novellierung der Solvabilitätsverordnung (SolvV) und der Groß- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV) direkt durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erfolgen wird. Gemäß dem bereits konsultierten Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom März 201014) müssen bis Ende 2010 zumindest die neuen Regelungen der CRD II (unter anderem Hybridkapital, Großkreditnormen, Verbriefungen) umgesetzt werden.

Im Hinblick auf den Regelungsbedarf zum Thema Vergütungssysteme veröffentlichte die BaFin bereits im Dezember 2009 ein Rundschreiben, das einige grundsätzliche Anforderungen an die Ausgestaltung der Vergütung der Geschäftsleiter und Mitarbeiter, die hohe Risikopositionen begründen können, enthält.15) Hiernach sollen bei der Bestimmung des variablen Gehalts beispielsweise auch Parameter zur Anwendung kommen, die dem Ziel eines nachhaltigen Erfolges unter Berücksichtigung der eingegangenen Risiken Rechnung tragen.

Wissenschaftlicher Beirat zur Reform von Aufsicht und Regulierung

Das im Juni 2010 veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats16) erörtert vor dem Hintergrund der Lehren, die bereits heute aus der Finanzmarktkrise gezogen werden können, Mittel und Wege, die zu einer Verbesserung der Bankenregulierung und Bankenaufsicht führen können.

Im Hinblick auf die Eigenkapitalregulierung kritisiert der Beirat die steten Versuche der aufsichtsrechtlichen Institutionen immer weitere Detailaspekte der Eigenkapitalunterlegung zu erörtern. Das Regelwerk könne noch so stringent aufgesetzt sein, die Verantwortlichen in den Banken hätten stets ein Interesse daran, mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Eigenkapital möglichst viel Aktivgeschäft zu betreiben und würden demgemäß immer wieder neue Wege für eine Geschäftsausweitung finden.17) Besonders kritisch beurteilt der Beirat in diesem Zusammenhang die bankeigenen für aufsichtsrechtliche Zwecke zugelassenen Risikomodelle, die oftmals auf einer ungenügenden empirischen Basis gestützt wären und aufgrund unzureichend berücksichtigter Korrelationseffekte die Risiken in der Regel nicht angemessen quantifizieren würden.

In diesem Sinne wird die auf verschiedenen Ebenen geplante Einführung einer bindenden Leverage Ratio als eine De-facto- Untergrenze für das Verhältnis zwischen Bilanzsumme und Eigenkapital ausdrücklich begrüßt. Hiermit werde den Banken die Möglichkeit genommen, durch Ausnutzen der Regeln für die Kalibrierung der Eigenkapitalunterlegung dieses Verhältnis immer weiter zu senken.18)

In diesem Zusammenhang sieht der Beirat überdies den Bedarf für eine deutlich erhöhte Eigenkapitalausstattung der Banken - nicht, um Bankzusammenbrüche generell zu vermeiden, aber um die Rückwirkungen auf den Rest des Finanzsystems abzumildern. Einen konkreten Anlass zur Befürchtung, zu hohe Eigenkapitalanforderungen würden die Kreditfinanzierung der Wirtschaft gefährden und damit zu einer volkswirtschaftlichen Belastung führen, sieht der Beirat nicht. Zwar möge eine Reduzierung des Aktivgeschäfts und eine damit einhergehende Senkung der Ertragsrate auf das eingesetzte Eigenkapital nachteilig erscheinen. Andererseits würden jedoch sowohl die Risiken der Eigen- als auch der Fremdkapitalgeber verringert. Im Hinblick auf die Abhängigkeit des deutschen Mittelstandes von der Kreditfinanzierung sieht der Beirat viel eher das zu behebende Problem des fehlenden Zugangs zur Kapitalbeschaffung über die Börse.19)

Handlungsbedarf bei den Vergütungssystemen

Im Rahmen der Corporate Governance diskutiert der Beirat unter anderem den Handlungsbedarf bei den Vergütungssystemen. Anzustreben sei ein Anreizsystem, das den Risiken der Geschäftsmodelle und Anlagestrategien angemessen Rechnung trage. Denkbar sei eine Einbeziehung von Risikokosten in die Boniberechnung, eine Nachhaltigkeitsregelung oder sogar eine Einführung von Mali. Konkreter aufsichtsrechtlicher Vorgaben bedürfe es nicht, vielmehr solle sich die Aufsicht im Rahmen der Säule II ein Bild von der Angemessenheit der Vergütungssysteme machen.20)

Den Bemühungen der EU um eine Harmonisierung der nationalen Mikroaufsicht durch die Schaffung des European System of Financial Supervision (ESFS) steht der Beirat positiv gegenüber. Das ESFS fördere die Integration der europäischen Finanzmärkte und stärke ihr Stabilisierungspotenzial, sofern sich alle Beteiligten stets der Gefahr der Überregulierung durch die Zentralisierung der Finanzaufsicht bewusst wären. Hingegen rät der Beirat davon ab, die Makroaufsicht in der Form des European Systemic Risk Board (ESRB) zu schaffen. Probleme sieht er vor dem Hintergrund der Beeinflussung der beteiligten Zentralbankpräsidenten sowie der Tatsache, dass eine Vielzahl an Mitgliedern des Verwaltungsrates für Mitgliedstaaten tätig sind, die den Euro nicht eingeführt hätten und Konflikte daher unvermeidbar wären. Als Alternative wird vorgeschlagen, diese Aufgabe der Makroaufsicht auf die EZB zu übertragen.21)

Im Hinblick auf den Umgang mit einer drohenden Bankeninsolvenz in Deutschland stellt der Beirat fest, dass die nach dem Kreditwesengesetz und der Insolvenzordnung verfügbaren Interventions- und Abwicklungsmechanismen die Rückwirkungen auf den Rest des Finanzsystems nicht wirksam beschränken könnten. Sie zielten vornehmlich auf die vorläufige Sicherung der Vermögensgegenstände des Instituts im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ab. Geschäftsbetrieb sowie Geschäftsbeziehungen zu Dritten würden tendenziell eingefroren, wobei hierdurch entstehende Verluste sowie damit möglicherweise einhergehende systemische Rückwirkungen keine Berücksichtigung fänden.22)

Bezüglich eines möglichen Reformansatzes verweist der Beirat auf einen Vorschlag des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.23) Insbesondere soll die Intervention hiernach nicht ausschließlich oder vorranging dem Gläubigerschutz, sondern auch oder sogar mit Priorität der Eindämmung von Systemrisiken dienen. Je nach Sachlage müsse eine Übertragung an eine im Eigentum der Interventionsinstanz stehende "Brückenbank" möglich sein, die die Geschäfte weiterführt, bis ein privater Käufer gefunden wird. Im Falle einer notwendigen Stabilisierung sollten die Gesellschaftsanteile an der Bank auch zeitweise an den Finanzminister übertragen werden können, unter dessen Regie sodann die Sanierung erfolgen würde. Eine pauschale Staatshilfe wird grundsätzlich abgelehnt - werden staatliche Mittel eingesetzt, sollten die Eigentümer keinerlei Ansprüche mehr aus ihren Titeln haben.

Auswirkungsstudie des Institute of International Finance

Ebenfalls im Juni 2010 veröffentlichte das Institute of International Finance (IIF) den "Interim Report on the Cumulative Impact on the Global Economy of Proposed Changes in the Banking Regulatory Framework"24), der die realwirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Verschärfungen von Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen untersucht. Aufgrund der bislang in vielen Bereichen quantitativ noch nicht konkret festgelegten Verschärfungen war das IIF gezwungen, eigene Annahmen zur Kalibrierung zu treffen. Im Ergebnis wird festgehalten, dass die derzeitigen internationalen Pläne zu einem erheblichen Einbruch des Wirtschaftswachstums in den USA, der Eurozone und Japan führen würden. Konkret wird bis 2015 mit einer durchschnittlichen jährlichen Abweichung vom Wachstumspfad um 0,6 Prozentpunkte gerechnet, wobei die Eurozone mit einer Wachstumsabweichung um 0,9 Prozentpunkte am stärksten betroffen sei.25)

Diverse Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ursachen der Finanzmarktkrise vielfältig waren. Sie reichen von fehlerhaften Anreizsystemen bei Verbriefungsstrukturen über die Problematik des Schattenbanksystems bis hin zu Fehlern in der Systemarchitektur. Das dargestellte komplexe Werk zur Ausgestaltung der Neuregulierung versucht in erster Linie die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Erst das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats und das Grünbuch der EU-Kommission zur "Stärkung der Corporate Governance in Financial Institution" machen konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der Regulierung. Die Stärkung der Corporate Governance wird die regelungsbasierten Aspekte der bisher dargestellten Regulierung ergänzen. Dies ist vor dem Hintergrund einer generell stark regelungsbasierten Aufsicht zu begrüßen.

Zeitplan und Zeitpunkt als kritische Aspekte

Ein kritischer Aspekt bei der Umsetzung der angestrebten Veränderungen in der Regulierung wird der Zeitplan sein. Die Umsetzung des Regelwerks kann bezogen auf den Umfang für einige Institute durchaus mit der Umsetzung von Basel II verglichen werden. Basel II wurde im Zeitraum von 1999 bis 2007/2008 entwickelt und umgesetzt. Nach den aktuellen Plänen soll die jetzige Neuregulierung bis Ende 2012 vollzogen werden. Das entspricht weniger als der Hälfte der Umsetzungszeit von Basel II. Zudem ist neben dem Zeitraum auch der Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung. Da sich alle Beteiligten darüber einig sind, dass die Neuregulierung zu einem deutlichen Anstieg der Eigenkapitalunterlegung führen wird, könnte eine Umsetzung noch in der laufenden Krise deren Wirkung verschärfen und damit erneut prozyklisch wirken.

Darüber hinaus sind die Auswirkungen der Neuregulierung genau zu untersuchen, um das Regelwerk möglichst so exakt zu kalibrieren, dass die aufsichtsrechtlichen Ziele erreicht werden, aber keine negativen Auswirkungen für die konjunkturelle Entwicklung zu befürchten sind. Auch hier sei ein Vergleich zu Basel II angebracht, dessen Kalibrierung in insgesamt fünf Auswirkungsstudien justiert wurde. Für das neue Regelwerk ist bisher offiziell nur eine Auswirkungsstudie vorgesehen.

Auch wenn die Ergebnisse der seit dem Frühjahr 2010 laufenden Auswirkungsstudie noch nicht vorliegen, kann man davon ausgehen, dass sie Änderungsbedarf hervorbringen werden. Ob dieser Änderungsbedarf dann mit einer einmaligen Überarbeitung des Regelwerks der schwierigen Justierung zwischen aufsichtsrechtlichen Zielen und Auswirkungen auf die Konjunktur gerecht werden kann, erscheint zumindest ausgesprochen fraglich. Hier gilt es also zumindest die kommenden eineinhalb Jahr zu nutzen, um die Herausforderung anzunehmen und trotz der Kürze der Zeit eine angemessene Feinjustierung sicherzustellen.

Besonders kritisch sollte auch noch einmal über das grundsätzliche Prinzip der Neuregulierung nachgedacht werden. Zu Beginn der Entwicklung von Basel II wurde propagiert, dass Regulierung generell mehr in Richtung "principle-based", anstelle von "rule-based" gehen sollte. Inwieweit dies mit einer 340 Paragrafen umfassenden Solvabilitätsverordnung, die der vorgegebenen EU-Regulierung folgt, gelungen ist, darf angezweifelt werden. Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) stellen dabei in Deutschland ein gutes Beispiel dar, wie eine "principle-based"-Regulierung umgesetzt werden kann.

Ursachengetriebene Neuregelung

Die Entwicklung der aktuellen Neuregulierung war jedoch von Beginn an ursachengetrieben, da versucht wurde, alle Lücken im bestehenden Regelwerk zu schließen, die in der Finanzmarktkrise erkannt wurden. Dadurch wird erneut ein Stückwerk geschaffen, dass sehr stark rule-based ausgerichtet ist. Es liegt auf der Hand, dass damit die aktuelle Form einer Finanzmarktkrise für die Zukunft verhinderbar wird. Zweifelsohne wird aber die nächste Krise eine andere sein. Wie bereits Hans Wagener zuletzt in dieser Zeitschrift aufgezeigt hat, öffnen detaillierte Regelungen den Marktteilnehmern vielfältige Arbitragemöglichkeiten.26)

Das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats hat diese Problematik aufgegriffen und fordert eine Abkehr von der deutlichen Fokussierung auf die Säule I von Basel II und in diesem Zusammenhang eine Stärkung der Säule II. Dieser Gedanke sollte zukünftig weiter verfolgt werden. Die Stärkung der Corporate Governance in den Instituten, die sich im Green Paper der EU-Kommission wiederfindet, zeigt hier die ersten Wege auf. Dabei ist natürlich auch die Frage zu diskutieren, was eine solche Stärkung der Regulierung über die Säule II für die Aufseher und die Institute bedeutet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Diskussion über das Schlagwort "same level playing field", das eines der obersten Ziele des Baseler Ausschusses bildet. Trotz Fokussierung auf dieses Ziel hat die Finanzmarktkrise auch gezeigt, dass deutliche Unterschiede in der Regulierungstiefe und -breite weltweit bestehen. Während im europäischen Raum starke Anstrengungen unternommen werden, die bisherige Regulierung zu optimieren, werden in anderen Ländern andere Wege beschritten. Hier muss beachtet werden, dass die beste Regulierung in einem Land aufgrund der internationalen Vernetzung der Finanzmärkte nicht verhindern kann, dass eine Krise in einem anderen Land, sich sehr schnell ausdehnt. Genau dies hat die aktuelle Finanzmarktkrise gezeigt. Daher erscheint, trotz aller Hindernisse, eine nachhaltige Stabilisierung des Finanzsystems nur über eine global weitgehend einheitliche Regulierung möglich.

Wechselseitige Wirkungen beachten

Die bislang vorliegenden Vorschläge zur Änderung der Regulierung sind geeignet, die wesentlichen durch die Finanzmarktkrise aufgedeckten Lücken im bestehenden Regelwerk zu adressieren. Die erste Herausforderung wird darin bestehen, die vorliegenden Vorschläge so zu kalibrieren, dass sie dem Mittelweg zwischen dem Erreichen der aufsichtsrechtlichen Ziele und einer Verhinderung von zu starken prozyklischen Auswirkungen auf die Konjunktur in der Finanz- und Realwirtschaft gerecht werden. Dabei ist auch zu untersuchen, wie sich die wechselseitigen Wirkungen zwischen den einzelnen Vorschlägen auswirken können.

Darüber hinaus sollte der Blick darauf gerichtet werden, ob die derzeit bestehende Fokussierung auf ein "rule-based"-Regelwerk einen ausreichenden Ansatz darstellt. Regulierungen in dieser Form werden die Marktteilnehmer immer dazu anhalten, Wege aus dem Regelwerk zu suchen und zu finden. Eine stärkere Integration und Ausweitung der Regulierung über die Säule II könnte hier hilfreiche Ansätze zur Verhinderung zukünftiger Krisen liefern. Und letztendlich muss es gelingen, weltweit ein einheitliches Rahmenwerk verbindlich für alle Marktteilnehmer zu entwickeln und umzusetzen. Lokale oder kontinentale Einzelgänge können in einer global vernetzten Finanzwirtschaft keine Krise verhindern.

Fußnoten

1)Vgl. zu diesem Thema auch Syring, Johanna; Thelen-Pischke, Hiltrud: "Regulatorische Aufarbeitung der Subprime-Krise", in ZfgK 18/2008, Seite 906ff.

2)Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, Enhancements to the Basel II Framework, July 2009 (http://www.bis.org/publ/bcbs157.pdf?noframes=1) sowie Revision to the Basel II Market Risk Framework, July 2009 (http://www.bis.org/publ/bcbs158. pdf?noframes=1).

3)Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, Consultative Document BCBS164, Strengthening the Resilience of the Banking Sector, December 2009 (http://www.bis.org/publ/bcbs164.htm), kurz "BCBS164".

4)Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, Consultative Document BCBS165, International Framework for Liquidity Risk Measurement, Standards and Monitoring, December 2009 (http://www. bis.org/publ/bcbs165.htm).

5)Vgl. BCBS164, Tz. 85ff.

6)Vgl. BCBS164, Tz. 202ff.

7)Vgl. BCBS164, Tz. 239ff.

8)Vgl. BCBS164, Tz. 112ff.

9)Vgl. Directive 2009/111/EC of 16 September 2009 amending Directives 2006/48/EC, 2006/49/EC and 2007/64/EC as regards banks affiliated to central institutions, certain own funds intems, large exposures, supervisory arrangements, and crisis management (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri-Serv.do?uri=OJ:L:2009:302:0097:0119:EN:PDF).

10)Vgl. Commission of the European Communities, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2006/48/EC and 2006/49/EC as regards capital requirements for the trading book and for re-securitisations, and the supervisory review of remuneration policies, July 2009 (http://ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/regcapital/com2009/Leg_Proposal_Adopted_1307.pdf).

11)Vgl. Handelsblatt, 15. Juni 2010, Reform der Reform: Brüssel entschärft Kapitalregeln für Banken, (http://www.handelsblatt.com/politik/international/reform-der-reform-bruessel-entschaerft-kapital-regeln-fuer-banken;2600889).

12)Vgl. Commission Services Staff Working Document, Possible Further Changes to the Capital Requirements Directive, February 2010 (http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/docs/2010/crd4/consultation_paper_en.pdf).

13)Vgl. European Commission, Green Paper, Corporate Governance in Financial Institutions and Remuneration Policies (http://ec.europa.eu/internal_ market/company/docs/modern/com2010_284_en. pdf).

14)Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 24. März 2010 (http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_82/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Gesetzentwuerfe__Arbeitsfassungen/20100324-Gesetzentw..., templa teId=raw, property=publicationFile.pdf).

15)Vgl. Rundschreiben 22/2009 (BA) vom 21. Dezember 2009 - Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten (http://www.bafin.de/cln_161/nn_722758/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Rundschreiben/2009/rs__0922__ba__verguetung.html).

16)Vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Finanzkrise, Juni 2010 (http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/wirtschaft, did=344680.html), kurz "Gutachten Beirat".

17)Vgl. Gutachten Beirat, Unterabschnitt 3.1.2, Seite 21.

18)Vgl. Gutachten Beirat, Unterabschnitt 3.1.5, Seite 27.

19)Vgl. Gutachten Beirat, Unterabschnitt 3.1.5, Seite 27ff.

20)Vgl. Gutachten Beirat, Abschnitt 3.3, Seite 35ff.

21)Vgl. Gutachten Beirat, Abschnitt 4.1, Seite 52ff.

22)Vgl. Gutachten Beirat, Unterabschnitt 3.4.2, Seite 43.

23)Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2009): Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen, Jahresgutachten 2009/2010, Seite 151 ff. (http://www.sachverstaen-digenrat-wirtschaft.de/download/gutachten/ga09_ ges.pdf).

24)Vgl. Institute of International Finance, Interim Report on the Cumulative Impact on the Global Economy of Proposed Changes in the Banking Regulatory Framework, June 2010 (http://www.iif.com/press/press+151.php), kurz "IIF Interim Report".

25)Vgl. IIF Interim Report, Tabelle 1, Seite 6.

26)Vgl. Wagener, Hans: "35 Jahre Regulierung eine Bilanz mit Ausblick", in ZfgK 8/2010, Seite 386.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X