Aufsätze

Alternativen für die risikooptimierte Aktienanlage - Low-Beta-Strategien als mögliche Lösung

In den vergangenen Jahren zeichnet sich im Trend eine zunehmende Volatilität am Aktienmarkt ab. Darüber hinaus korrelieren die Assetklassen stärker untereinander. Diese Entwicklung reduziert die Diversifikationseffekte selbst bei globalen Anlagestrategien - die Folge ist ein größeres Portfoliorisiko auch in institutionellen Portfolios. Professionelle Investoren wie zum Beispiel Versicherer äußern verstärkt den Wunsch nach alternativen Konzepten für die Risikoreduktion. Eine Lösungsmöglichkeit für die risikooptimierte Aktienanlage in Versicherungsportfolios bieten Low-Beta-Strategien. Das Ziel dieser Anlagestrategien lautet auf den Punkt gebracht: Mit weniger Beta zu mehr Alpha. Auf der anderen Seite besagt die Kapitalmarkttheorie, dass mehr Rendite immer auch mit mehr Risiko verbunden ist. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Aktien von Unternehmen mit weniger Risiko im historischen Vergleich mehr Rendite erzielten als Aktien von Unternehmen mit einem risikoreicheren Geschäftsmodell. Low-Beta-Strategien nutzen diese Erkenntnis.

Höhere Durationsrisiken bei Versicherern

Das aktuelle Marktumfeld stellt Versicherer bei der Kapitalanlage vor große Herausforderungen. Ihren Kunden gegenüber müssen die Versicherer eine Garantieverzinsung sicherstellen, die sich anders als in früheren Jahren nicht mehr ohne Weiteres über das Investment in erstklassige Anleihen aus den Industriestaaten abbilden lässt. In der Eurozone und in den USA verharren die Zinsen auf einem extrem niedrigen Niveau, das unter Berücksichtigung der Inflation zu einem negativen Realzins entsprechender Anleihen führt.

In diesem Umfeld können Versicherer und andere institutionelle Investoren nur mit erheblichem Durationsrisiko beziehungsweise Kreditrisiko Renditen erwirtschaften, die oberhalb der Zinszusagen liegen, die sie gegenüber ihren Kunden gemacht haben. Viele Versicherer müssen diese Risiken eingehen, während am Markt ein außergewöhnlich hohes Stressniveau herrscht. So könnten den Versicherern in ihren Portfolios in den kommenden Jahren weitere Marktwertverluste drohen.

Stark eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten

Schon heute hat die Schuldenkrise in den Peripherieländern der Eurozone Marktwertverluste in Assetklassen verursacht, die die meisten institutionellen Kunden noch vor wenigen Jahren als nahezu risikofreie Vermögensklassen bewerteten. Diese Marktwertverluste entstanden unter anderem bei europäischen Staatsanleihen, aber auch bei Covered Bonds und im Bereich der Unternehmensanleihen. Institutionelle Anleger, die nun Durationsrisiken, Kreditrisiken oder aber drohende Marktwertverluste in ihren Portfolios reduzieren möchten, finden wegen der fehlenden Aufnahmebereitschaft der Märkte kaum Abnehmer für diese Papiere. Ihre Handlungsmöglichkeiten sind derzeit stark eingeschränkt.

Eine weitere Herausforderung für eine rentierliche Kapitalanlage entsteht Versicherern durch die zunehmende aufsichtsrechtliche Reglementierung, etwa durch verschärfte Eigenmittelvorschriften, die sich aus Solvency II ergeben. Die Reform des Versicherungsaufsichtsrechts tritt Anfang 2013 in den einzelnen EU-Staaten in Kraft und sieht schärfere Solvabilitätsvorschriften sowie strengere Auflagen für die Eigenmittelausstattung und das Risikomanagement vor. Eine weitere Hürde für das Erzielen einer vernünftigen Verzinsung stellt die gesetzlich vorgeschriebene Zinszusatzreserve für Altverträge mit einer Mindestverzinsung von vier Prozent dar. Weil durch die massiven Zinssenkungen der maßgebliche Referenzzins für Versicherer (Zehnjahres-Durchschnittszins zehnjähriger Euro-Staatsanleihen mit Investment-Grade-Rating) Ende des vergangenen Jahres unter vier Prozent gefallen ist, müssen Versicherer nun für Policen mit einem höheren Garantiezins entsprechende Reserven bilden.

Erhöhter Beratungsbedarf

Aus der vorgenannten, recht anspruchsvollen Gemengelage entsteht bei vielen Versicherern bezüglich ihrer Portfoliostrukturierung erhöhter Beratungsbedarf beim Einsatz von Fondslösungen. Asset Manager sind hier gefordert: Sie müssen noch intensiver als bisher das Kreditrisiko aller Emittenten und Assetklassen analysieren. Das reicht - um nur ein Beispiel zu nennen - bis hin zu einer tiefgehenden Analyse des Rechtsrahmens und der Deckungsstöcke von Covered Bonds. Häufig werden in der Beratung des Kunden Lösungen vorgeschlagen, die versuchen, das höhere Portfoliorisiko durch niedrigere Aktienquoten und/oder Sicherungsstrategien zu kompensieren. Das führte in den vergangenen Jahren in der Summe aber zu einem geringeren Return bei den Aktienportfolios. Die zur Risikoreduktion eingesetzte globale Portfolio-Diversifikation wirkt durch die steigenden Korrelationen der weltweiten Aktienindizes ebenfalls nur noch begrenzt.

Unter diesem Aspekt gewinnt die Risikoreduktion auf Einzeltitelebene - etwa durch Low-Beta-Aktien - an Bedeutung. Gerade in den schwierigen Aktienjahren seit dem Jahr 2000 wurde das Aktienrisiko in diesem Bereich mit einer adäquaten Mehrrendite gegenüber Bonds ausreichend vergütet, wohingegen mit High-Beta-Portfolios kein Ausgleich für das noch höhere Risiko zu erzielen war.

Aktien mit wenig Enttäuschungspotenzial

Bei Low-Beta-Aktien handelt es sich um Aktien von Unternehmen, die aufgrund ihres stabilen Geschäftsmodells und einer überlegenen Marktposition über lange Zeiträume und mehrere Konjunkturzyklen hinweg stabilere Gewinnspannen und Kapitalrenditen generieren als der Durchschnitt der im Gesamtmarkt notierten Aktien. Low-Beta-Aktien bergen im Ergebnis weniger Enttäuschungspotenzial. Denn die Aktien dieser Unternehmen sind deshalb weniger volatil, generieren gleichzeitig aber ein stabiles Alpha. Für Versicherer ist es unter Value-at-Risk-Aspekten somit möglich, einen effizienteren Kapitaleinsatz zu erreichen und durch Überrenditen zum Markt (auch in gesicherten Portfolios) einen signifikant positiven Beitrag zur Gesamtverzinsung zu erzielen.

Kritiker des Low-Beta-Ansatzes argumentieren häufig, dass - verkürzt dargestellt - gemäß des Capital Asset Pricing Model (CAPM) niedrigere Betas auf Dauer zwingend auch zu niedrigeren Returns führen müssen. Dieses Argument dürfte gerade für langfristig orientierte Investoren wie Versicherer eine große Rolle spielen. In der Tat hat das CAPM Assetklassen-übergreifend seine theoretische Richtigkeit und Bedeutung, denn tatsächlich muss für ein Engagement in riskantere Assetklassen grundsätzlich gelten, dass das zusätzlich eingegangene Anlagerisiko auch entsprechend mit einer Risikoprämie vergütet wird. Andernfalls würde kein rational agierender Anleger dort investieren.

Praxis contra theoretische Erkenntnisse

Allerdings hat der amerikanische Finanz-Ökonom Robert A. Haugen in seinen Forschungsarbeiten zum Kapitalmarkt nach gewiesen, dass die vermeintliche Risikoprämie de facto eine Liquiditätsprämie ist. Das heißt: Betrachtet man den Gesamtmarkt, haben oft diejenigen Aktien einen höheren Ertrag, die ein höheres Risiko aufweisen. Mit anderen Worten: Small Caps haben oft mehr Volatilität, aber auch mehr Return als Large Caps. Hier wird also eine Liquiditätsprämie bezahlt.

Unterteilt man jedoch den Aktienmarkt anhand der Free-Float-Marktkapitalisierung in verschiedene Größenklassen, so stellt man fest, dass innerhalb dieser Cluster weniger Risiko mit mehr Rendite einhergeht. Wenn man Small Caps mit Small Caps, Mid Caps mit Mid Caps und Large Caps mit Large Caps vergleicht, so zeigt sich, dass Low-Beta-Aktien innerhalb des jeweiligen Größenklassen-Clusters High-Beta-Aktien übertreffen. Analysen der LBBW Asset Management belegen das: So übertreffen Low-Beta-Aktien aus einem liquiden Marktindex wie dem Euro Stoxx 50 ihre High-Beta-Peers langfristig, weil hier die Liquiditätsprämie keine übergeordnete Rolle spielt.

Laut CAPM sind Rendite und Risiko eines Wertpapierinvestments untrennbar miteinander gekoppelt - mittels Diversifikation lässt sich gemäß Portfoliotheorie von Markowitz jedoch unter bestimmten Rahmenbedingungen und Beimischung weiterer Assetklassen ein Teil des Risikos eliminieren, ohne gleichzeitig einen Renditeverlust zu verzeichnen.

Die Überrenditen von Low-Beta-Aktien stehen allerdings im Widerspruch zu dieser Theorie. Und das gleich mehrfach, denn es sind nicht nur Risiko und Rendite nicht richtig gekoppelt, man verzichtet auch auf Diversifikation und verbessert trotzdem das Verhältnis von Risiko und Rendite. In der Tat könnte man sogar behaupten, dass Markowitz unrecht hat, nämlich insofern, dass am Aktienmarkt per se - und das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen zum US-Aktienmarkt und von der LBBW Asset Management durchgeführte Analysen zum europäischen Aktienmarkt - keine Risikoprämie vergütet wird, sondern Unternehmen mit stabilen Bilanzen und Geschäftsmodellen sowie - vereinfacht gesprochen - mit nachhaltiger Margen- und Gewinnentwicklung eine Mehrrendite bei weniger Volatilität liefern.

Hohe Freiheitsgrade für Asset Manager erforderlich

Die Empirie zeigt also, dass die Aktien von den oben beschriebenen Unternehmen an der Börse besser abschneiden als Unternehmen mit riskanterem Geschäftsmodell. Nun stellt sich die berechtigte Frage, ob es im Zeitverlauf nicht zu einer Arbitrage des Low-Beta-Effekts kommt - nämlich dann, wenn eine steigende Zahl von Investoren diesen Effekt für sich nutzen möchte. Ein Grund für die geringe Beachtung der Low-Beta-Aktien liegt in der Regel darin, dass viele Anleger diese Aktien unter der falschen Annahme bewerten, dass weniger Risiko gleichbedeutend sei mit weniger Rendite, und sie deshalb diese Werte nicht in ihrem Portfolio berücksichtigen. Gleichzeitig überschätzen viele Anleger häufig die Geschäftsperspektiven und damit das Kurspotenzial von High-Beta-Aktien und steigen in diese Werte ein. Damit treiben sie den Kurs dieser Aktien weiter in die Höhe, was häufig einen klassischen Herdentrieb in diese Werte auslöst. Fallen die Gewinne nicht so hoch wie erwartet aus, kommt es dann bei hoher Volatilität zu starken Kursrückschlägen.

Doch auch wenn die Empirie das Gegenteil bewiesen hat, nutzen viele aktive Manager Low-Beta-Aktien kaum für ihre Investments. Der Grund: Eine Fokussierung auf diese Aktien erfordert hohe Freiheitsgrade für den Asset Manager - was in der Regel mit dem geforderten niedrigen Tracking Error gegenüber den gängigen Indizes nicht vereinbar ist. Insofern verlangen Low-Beta-Strategien ein hohes Maß an Vertrauen des Anlegers - sowohl in den strategischen Ansatz als auch in die Selektionsfähigkeit und Investmentkompetenz des Asset Managers.

Aber auch auf Seiten des Asset Managers stellen erfolgreiche Low-Beta-Strategien hohe Ansprüche an die fundamentale Research-Arbeit, wenn ex ante vielversprechende Low-Beta-Werte identifiziert werden sollen. Gleichzeitig verlangt das Investment einen überzeugenden Investmentansatz und einen aktiven Fondsmanger, der Geschick bei der Aktienauswahl beweist. Denn der Low-Beta-Ansatz erfordert einen hohen Tracking Error gegenüber gängigen Benchmark-Indizes und kann daher nur sehr diszipliniert durchgeführt werden. Wenn diese Elemente stimmig umgesetzt werden, sind entsprechende Fonds wie beispielsweise der LBBW Low Beta Value Fonds attraktive Investmentalternativen.

Komplexes Auswahlverfahren

Doch wie wählen aktive Fondsmanger geeignete Low-Beta-Aktien im Detail aus? Wie bereits dargestellt, sind Low-Beta-Aktien Wertpapiere, bei denen damit zu rechnen ist, dass sie weniger stark schwanken als der Markt. Dies setzt voraus, dass auch die Gewinne des jeweiligen Unternehmens im Prognosezeitraum von beispielsweise zwei Jahren weniger stark schwanken werden, als die des Gesamtmarktes. Darüber hinaus sollte das Unternehmen eine stabile Eigenkapitalrendite (ROE, Return on Equity) und Rendite auf das investierte Kapital (ROIC, Return on Invested Capital) ausweisen. Ob Unternehmen nachhaltig Werte für ihre Aktionäre generieren, lässt sich zum Beispiel an der Kapitalverzinsung auf Unternehmensseite zeigen, die dauerhaft über den Kapitalkosten liegt. Die Rendite auf das investierte Kapital ist also größer als der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz (ROIC > WACC, Weighted Average Cost of Capital, gewichteter durchschnittlicher Kapitalkostensatz).

Auch die Bewertungen spielen bei der Risikoeinstufung durchaus eine Rolle: Denn hohe Bewertungen bergen oft das Risiko, dass diese durch überzogene Erwartungen zustande gekommen sind und beim Nichterfüllen dieser Erwartungen ein Downside-Risiko bergen. Allerdings schließt eine vermeintlich hohe Bewertung eine Aktie nicht vom Low-Beta-Ansatz aus, sofern erkennbar ist, dass die Aktie diese Bewertung aufgrund des stabilen Geschäftsmodells und der entsprechend nachhaltig erzielbaren Wachstumsraten erhalten hat. Beispielhaft seien hier Unternehmen aus dem Nahrungsmittelsektor genannt. Die Bewertungsprämie ihrer Aktien ist durch überlegene Margen-Strukturen und langfristige Wachstumspotenziale gerechtfertigt. Gerade diese Unternehmen zeigen gut, dass geringe Kursschwankungen, überdurchschnittliche Wachstumsraten beim Gewinn je Aktie (EPS, Earnings per Share) und "hohe" Bewertungen im Vergleich zum Markt kein Widerspruch sind, sondern dass sowohl die Low-Beta-Charakteristik als auch die Bewertung logische Konsequenz der entsprechenden Geschäftsmodelle und der daraus resultierenden fundamentalen Bilanz- und Bewertungskennziffern sind.

Neben dem Nahrungsmittelsektor weisen auch andere Sektoren interessante Low-Beta-Aktien auf. Im Stoxx 600 beispielsweise erfüllen rund 150 Unternehmen die Selektionskriterien, die die LBBW Asset Management für Low-Beta-Aktien entwickelt hat. Viele dieser Unternehmen stammen aus den Sektoren Konsumgüter, Chemie und Pharma. Unternehmen aus Sektoren, die aufgrund der Zyklizität und der mangelnden Fähigkeit, verlässlich die Kapitalkosten zu verdienen, die Selektionskriterien nicht erfüllen, stammen unter anderem aus den Sektoren Automobil, Banken und Rohstoffe.

Interessant ist, dass Fonds, die den Low-Beta-Ansatz verfolgen, in allen Marktphasen eine signifikante Alpha-Generierung ermöglichen. Ein entscheidender Pluspunkt besteht aber sicherlich in Bärenmärkten, dass gerade hier die geringere Volatilität und geringeres Portfolio-Downside sowie das Alpha gegenüber den gängigen Indizes für den Anleger besonders wertvoll sind.

Einfache Umsetzung

So anspruchsvoll die Auswahl geeigneter Low-Beta-Aktien für den Asset Manager ist, so einfach lässt sich eine Low-Beta-Strategie für Versicherer umsetzen: Nach einer detaillierten Analyse und Beratung des institutionellen Kunden im Hinblick auf die spezifischen Charakteristika des geplanten Portfolios erfolgt die Umsetzung, in der das passende Risk-Return-Verhältnis abgebildet werden soll. Gemeinsam entwickeln Asset Manager und Versicherer die Anlagerichtlinien und definieren das Investmentuniversum. Nach diesem Schritt gründet der Asset Manager den Spezialfonds für den Versicherer. Gegebenenfalls kann je nach Kundenwunsch auch eine Customized Benchmark aus vom Asset Manager ausgewählten Low-Beta-Branchen entwickelt werden, um das Alpha des Stock Pickings in Abgrenzung zum Alpha aus der Gesamtstrategie messen zu können.

Versicherer sollten bei der Auswahl des Asset Managers darauf achten, dass dieser über ein breites Angebotsspektrum verfügt, das von Spezialfondslösungen bis hin zum Management von kompletten Direktbeständen von Versicherungen reicht. Bei den Spezialfondslösungen sollten die Versicherer je nach individuellem Bedarf wählen können, ob sie bestimmte Assetklassen oder Strategien wie zum Beispiel Low-Beta-Ansätze, Corporate-Bond-Mandate oder Multi-Asset-Mandate und so weiter einsetzen.

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