Gespräch des Tages

Altersvorsorge - Ignorierbarer Handlungsdruck?

Dass in den Pensionsverpflichtungen von Unternehmen gewaltige Risiken schlummern können, ist gewiss keine neue Erkenntnis. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahrzehnten auf die Gefahren oder zumindest den Handlungsbedarf in der betrieblichen Altersvorsorge hingewiesen. Den hiesigen Usancen nach haben die Begünstigten bis heute überwiegend feste Leistungszusagen. Besser kalkulierbar wäre es aus Sicht der Unternehmen, lediglich die Höhe der Beiträge festzulegen und somit die resultierenden Renten- oder Kapitalleistungen mit der Entwicklung an den Kapitalmärkten atmen zu lassen. Trotz einer verstärkten Hinwendung zu diesem letztgenannten Konzept der Defined Contribution in den vergangenen Jahren dominiert hierzulande historisch bedingt immer noch die erstere Variante. Nach Einschätzung von Branchenkennern ist das Prinzip der Defined Benefits noch mit bis zu 80 Prozent der Fälle verbreitet. Und das führt in eher trüben Kapitalmarktjahren wie dem vergangenen sehr regelmäßig zu der berechtigten Befürchtung, die verfügbare Deckungsmasse könnte nicht im Entferntesten ausreichen, die zugesagten Pensionszahlungen verlässlich leisten zu können.

Nachdem viele Unternehmen im Lichte der Marktverwerfungen des Jahres 2008 schmerzlich registrieren mussten, wie weit sie in ihren Statusrechnungen zur betrieblichen Altersvorsorge von ihren geplanten Sollwerten entfernt sind, zeigen sich viele vergleichsweise offen für die Prüfung anderer Konzepte des Anlage- und Risikomanagements. Für die hiesigen Asset Manager bietet diese nüchterne Analyse der verbliebenen Bestandswerte vieler Pensionslösungen nach dem schwierigen Börsenjahr aber nur einen Anknüpfungspunkt zum Einstieg in die Kundenakquise. Ein anderer - mindestens ebenso wichtiger - Aspekt sind die Auswirkungen des neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), das ab 2010 für alle nach HGB bilanzierenden Unternehmen gilt. Damit, so der dezente Hinweis aus den Reihen der Anbieter, erreicht das Thema der Pensionsverpflichtungen nicht nur die ohnehin weitgehend nach IFRS bilanzierenden Großunternehmen, sondern nun auch den Mittelstand. Konkret werden in der ganzen Breite der hiesigen Unternehmenslandschaft deutliche Veränderungen des handelsrechtlichen Aufwands für langfristige Verbindlichkeiten im Personalbereich erwartet. Um welche Dimensionen es dabei geht, hat kürzlich die Allianz Global Investors verdeutlicht: Deren Erfahrungswerten und Berechnungen nach könnten die Pensionsverpflichtungen infolge der erstmaligen Anwendung von BilMoG um die Hälfte ansteigen. In gleichen Dimensionen argumentiert auch die Compertis, eine Tochtergesellschaft der R+V und der Union Investment. Die spezialisierte Einheit des Genossenschaftssektors zur Beratung von Unternehmen innerhalb und außerhalb des Finanzverbundes rechnet speziell bei den unmittelbaren Versorgungsverpflichtungen durch feste Pensionszusagen ebenfalls mit einer notwendigen Erhöhung des steuerlichen Rückstellungsrahmens um 50 Prozent, will in Einzelfällen aber auch eine Verdopplung nicht ausschließen.

Eine Lösung haben die Anbieter ebenfalls bereit. Es reicht bei der Betrachtung der Pensionsverpflichtungen längst nicht mehr aus, lediglich die Aktivseite zu betrachten, sondern auch die Passivseite verlangt eine erhöhte Aufmerksamkeit. So setzt Allianz Global Investors auf eine dynamische Risikosteuerung im Rahmen des sogenannten Fiduciary Management, also der kompletten Auslagerung der Wertschöpfungskette. Nach einer grundlegenden Bestandsaufnahme will man die Kunden möglichst mit einem Komplettservice von Advisory and Structuring über die Manager Selection, die technische Implementation, das (Risiko-)Management bis hin zum Reporting und Controlling beglücken. Zwar werden die einzelnem Module auch gesondert angeboten, aber besonders die Mittelständler will man mit einer vollständigen Reduktion von Komplexität und Verantwortlichkeit locken.

Ob das große Thema der betrieblichen Altersvorsorge damit den lang erhofften Schub für die Provisionserträge der Banken und Asset Manager bringt? Zumindest der Branche als Ganzes wohl kaum. Denn solange die Altersabsicherung im privaten Bereich eine freiwillige Veranstaltung ist, hängt der Zuspruch bei aller Einsicht in die Notwendigkeit von den jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten ab. Und die haben sich im Zuge der Finanzmarktkrise erst einmal tendenziell verschlechtert.

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